Brup­ba­cher wies mit sei­ner Wort­schöp­fung des “Kapo­li­zis­mus” auf wei­te­re Par­al­le­len zwi­schen einer dok­tri­nä­ren Kir­che und der Ent­wick­lung inner­halb der KP hin:
Wer das Pech hat­te, irgend­ei­ne in den Augen der Par­tei­lei­tung ket­ze­ri­sche Ansicht zu äus­sern, konn­te sich ret­ten, indem er wider­rief und ein öffent­li­ches Sün­den­be­kennt­nis ablegte:
Zu den Metho­den, aus­fin­dig zu machen, ob einer auch rich­tig gläu­big sei, gehör­te das Insti­tut der Selbstkritik.
Es war eine Art Pro­vo­ka­ti­ons­me­tho­de. Anschei­nend liess man allen Zun­gen frei­en Lauf. Sobald man aber bei einem merk­te, dass er Din­ge sag­te, die den ange­nom­me­nen Din­gen nicht ent­spra­chen, wo wur­de er ins Ver­hör genom­men, und man liess ihn erst in Ruhe, wenn er das gesag­te Ket­ze­ri­sche wider­rief, notier­te ihn sich aber als ver­däch­tig, als nicht ganz in der Linie. (…)
Dann gab es noch die Prü­fungs­me­tho­de. War einer ver­däch­tig, mit einem Ket­zer zu sym­pa­thi­sie­ren, so wur­de ihm die Auf­ga­be gestellt, öffent­lich gegen die­sen Ket­zer zu schrei­ben. Tat er es nicht, so kam er ins Ausschlussverfahren.

Und er schloss: Eine sol­che auto­ri­tä­re Denk­me­tho­de konn­te natür­lich nur Anklang fin­den in einer sehr ohn­mäch­ti­gen Bevöl­ke­rungs­schicht, die nach einem star­ken Herrn sich sehn­te, der ihr Füh­rung und Erlö­sung ver­sprach. Und die­se Bedin­gun­gen waren in der Drit­ten Inter­na­tio­na­le erfüllt.

Das ent­schei­den­de Ereig­nis, nach dem Brup­ba­cher vor­erst inner­lich den Bruch mit der KP Schweiz voll­zog, war der Aus­schluss Trotz­kis mit sei­ner anschlies­sen­den Ver­ban­nung 1927/28. Alle aus­ser­rus­si­schen kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­en wur­den auf­ge­for­dert, die Mass­nah­men Sta­lins kri­tik­los gut­zu­heis­sen. Brup­ba­cher opponierte:
Als fre­cher Intel­lek­tu­el­ler, der sich weder von feu­da­len, noch bür­ger­li­chen, noch pro­le­ta­ri­schen Her­ren ein­sei­fen lässt, kri­ti­sier­te ich, dass man uns die Grund­ma­te­ria­li­en nicht zur Ver­fü­gung gestellt, aus denen wir uns ein eige­nes Urteil hät­ten bil­den kön­nen. Mit mir kri­ti­sier­ten noch zwei Intel­lek­tu­el­le (…) Die Pro­le­ten wur­den wütend, und wenn sie die Mög­lich­keit gehabt hät­ten, hät­ten sie uns aus Zürich, Euro­pa und Umge­bung irgend­wo in die Polar­ge­gend oder noch wei­ter ver­bannt. Wenn Russ­land etwas vor­schlug, war es aus­ge­schlos­sen, bei unse­ren K.P.-Proleten irgend­ei­nen erfolg­rei­chen Ein­wand zu machen. In rüh­ren­der Wut ver­tei­dig­ten sie die Sowjet­uni­on bis in die letz­ten Irr­tü­mer hinein.

Als aller­dings in einer Sit­zung im zür­che­ri­schen Gemein­de­rat ein Libe­ra­ler eine spit­ze Bemer­kung betref­fend den rus­si­schen Geheim­dienst und Trotz­ki mach­te, ver­tei­dig­te Brup­ba­cher die Hal­tung der rus­si­schen Sta­li­nis­ten, — nicht aus Über­zeu­gung, son­dern aus einem letz­ten Effort, Par­tei­dis­zi­plin zu zei­gen. Es ging schief:
Nie habe ich mich je für eine Hand­lung so geschämt wie damals. Und zwar nicht erst heu­te, schon wäh­rend mei­ner Rede, die dar­um auch recht schlecht ausfiel.

So kam es, wie es kom­men musste:
Man ent­fern­te mich aus der Par­tei­lei­tung und aus der Lei­tung der Bil­dungs­kur­se. Ich durf­te nicht mehr öffent­lich refe­rie­ren, auch nicht in den soge­nann­ten par­tei­lo­sen Sport‑, Rote­hilf,- … und Anti­kriegs-Orga­ni­sa­tio­nen. Es wur­den die­sen Orga­ni­sa­tio­nen durch die kom­mu­nis­ti­schen Frak­tio­nen ver­bo­ten, mich zu rufen.

Selbst­ver­ständ­lich hielt sich Brup­ba­cher nicht daran:
Eine außer­halb des Par­tei­ein­flus­ses ste­hen­de Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on kün­dig­te ein Refe­rat von mir an über die schwei­ze­ri­sche Demo­kra­tie, in dem ich die Poli­zei- und Mili­tär­auf­ge­bo­te der städ­ti­schen und kan­to­na­len Behör­den den Jun­gen vor die Augen füh­ren woll­te. Als das Polit­bü­ro das Inse­rat des Refe­ra­tes las, tele­pho­nier­te mir sein Vor­sit­zen­der, daß man mir das Hal­ten des Refe­ra­tes ver­bie­te. Dar­auf rief ich: «Lecked mir am Arsch», häng­te das Tele­phon ab und hielt das Referat.

Ende Janu­ar 1933 war es soweit. Fritz Brup­ba­cher wur­de kurz vor der Macht­er­grei­fung durch Hit­ler aus der KP ausgeschlossen.
Fritz Brup­ba­cher, Revo­lu­tio­när zwi­schen allen Stüh­len, heimatlos …

Das stimmt so aller­dings nicht ganz. Er fand immer wie­der ein Stück Hei­mat in sich selber:
Wer stän­dig im All­tag lebt, wird vom All­tag auf­ge­fres­sen, und ver­gißt, wer er ist — wer aber den Mut hat, gele­gent­lich sei­ne schon begon­ne­ne All­tags­ar­beit lie­gen zu las­sen und in nutz­lo­sen Din­gen, in der Kunst und der Wis­sen­schaft, und in der Welt her­um zu land­strei­chern, der fin­det drau­ßen nicht nur die Kunst und die Wis­sen­schaft und die Welt, son­dern auch all die Träu­me und Sehn­süch­te sei­nes eige­nen Ichs. Wer kein Land­strei­cher ist, ist kein gan­zer Mensch.

Und so beglei­ten wir Brup­ba­cher in der nächs­ten Fol­ge auf eini­ger sei­ner Rei­sen, im Inne­ren und im Äus­sern, und dies wie immer

am kom­men­den Sams­tag, den 1. Oktober.

An ande­ren Seri­en interessiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hei­ner Koech­lin / Simo­ne Weil / Gus­tav Mey­rink / Nar­ren­ge­schich­ten / Bede Grif­fiths / Graf Cagli­os­tro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­wo­che und Donald Trump / Die Welt­wo­che und der Kli­ma­wan­del / Die Welt­wo­che und der lie­be Gott /Leben­di­ge Birs / Aus mei­ner Foto­kü­che / Die Schweiz in Euro­pa /Die Reichs­idee /Voge­sen Aus mei­ner Bücher­kis­te / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­ba­cher  / A Basic Call to Consciousness

Kompetenzen
Aus meiner Fotoküche 79

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.