Nach der Rück­kehr aus Rus­s­land war Brup­bach­er pub­lizis­tisch sehr aktiv. Neben dem Buch “Marx und Bakunin” — das ihm wegen sein­er Kri­tik am “Hal­b­gott Marx” den Bannstrahl aller stram­men Marx­is­ten ein­trug — ver­fasste er diverse Broschüren zur Arbeit­er­be­we­gung, und für die Jugend schrieb ich eine Broschüre unter dem Titel “Der Zweck des Lebens”, die zu ein­er gewis­sen Vergeis­ti­gung auf Basis des Mate­ri­al­is­mus Anre­gung geben sollte (alle Zitate aus: Brup­bach­er, Ketzer)

Dass es in ihm arbeit­ete und er immer inten­siv­er seinen eige­nen Weg suchte, zeigt die Kapitelüber­schrift “Meine poli­tis­che Anschau­ung passt in kein Schema” in sein­er Autobiografie:
Für die Arbeit­er­be­we­gung blieb ich Sozialdemokrat mit syn­dikalis­tis­ch­er Fär­bung. Für mich pri­va­tim betonte ich immer mehr die Notwendigkeit ein­er hohen und aus­gedehn­ten Bil­dung mit stark­er Beto­nung des Prinzips der Freiheit. (…)
Meine exo­ter­ische Lehre war der Baku­nis­mus-Marx­is­mus, die eso­ter­ische der vergeistigte Anar­chis­mus (…) Ich wusste, dass die Massenseele in dem Sta­di­um sei, wo dieser Baku­nis­mus-Marx­is­mus ihr lag, ihr adäquat war — dass man aber schon für andere Men­schen und eine Zeit, die wirk­lich nicht gekom­men war, in vergeistigtem Anar­chis­mus machen kon­nte. Immer mehr machte ich den Unter­schied zwis­chen der “his­torischen Notwendigkeit”, bess­er gesagt his­torisch notwendi­gen Dummheit, und dem, was ich per­sön­lich wün­schte. Zwis­chen dem, was man im gegebe­nen Augen­blick der Masse sagen musste, und dem, was man schon vorgeschrit­te­nen Schicht­en sagen durfte.

Seine Kri­tik an den “Poli­tik­ern” wurde ätzender:
Der durch­schnit­tliche Men­sch ist ein gar edles Wesen, sowohl in der Bour­geoisie wie im Pro­le­tari­at. Auch die Poli­tik ist ihm in erster Lin­ie eine Beschäf­ti­gung, die ihm per­sön­lich Ehr und Geld ein­brin­gen soll. Das darf er natür­lich nicht offen sagen. In der Öffentlichkeit muss er triefen von Men­schen­liebe oder doch von Klassen­liebe und Edelmut (…).
Da ich den Poli­tik­er erset­zen wollte durch die Poli­tik der direk­ten Aktion der Masse, war ich als schlim­mer Feind aller Poli­tik­er ange­se­hen, und sie passten immer auf, wie sie mich unschädlich machen könnten.

Eine Gele­gen­heit bot sich nach der Nieder­schla­gung des Gen­er­al­streiks in Zürich 1912. Anlässlich ein­er grossen Ver­samm­lung aller Delegierten der Arbeiterunion Zürich wurde Brup­bach­er des Anar­chis­mus angeklagt, ein­er Sache, von der sie sel­ber nicht viel wussten, aber doch soviel, dass das in den Augen der Masse etwas sehr Unschick­lich­es sei.

Brup­bach­er vertei­digte sich aber offen­sichtlich so elo­quent und überzeu­gend, dass der spätere Kom­mu­nist Willi Münzen­berg enthu­si­astisch schreiben konnte:
Ich habe wieder­holt Kon­gressen beige­wohnt, auf denen die grössten Red­ner der Arbeit­er­be­we­gung wie Jean Jau­rès und Lenin durch Beifall gefeiert wur­den; aber nie habe ich eine Ver­samm­lung erlebt, die einem Red­ner solch frenetis­chen Beifall spendete, wie die Ver­samm­lung der Arbeiterunion an jen­em Abend. Zum ersten Mal wagte hier ein Red­ner klar und scharf Ver­rätereien zu geis­seln, die darin bestanden, dass sozialdemokratis­che Stadträte für das Streik­posten­ver­bot und Mil­itär- und Polizeiaufge­bote gegen streik­ende Arbeit­er ges­timmt hat­ten. Die Mehrheit der Ver­samm­lung sprang nach Brup­bach­ers Aus­führun­gen auf, klatschte, tram­pelte; Dutzende ergrif­f­en die Stüh­le und stampften auf den Boden, alles brüllte Bra­vo und Beifall.

Es nützte nichts: … nach all meinen Siegen wagte kaum ein Vere­in mehr, mich als Red­ner zu engagieren, kein Blatt mehr, Artikel von mir zu nehmen. Wer es getan hätte, dem wären die Fleis­chtöpfe der städtis­chen Ver­wal­tung auf ewig ver­sagt geblieben.

1914 beschloss die sozialdemokratis­che Parteileitung, Brup­bach­er defin­i­tiv aus der Partei auszuschliessen, — gemäss dem Verdikt von Robert GrimmEin Sozialdemokrat kann kein Anar­chist, ein Anar­chist kein Sozialdemokrat sein!
Zwar wurde der Auss­chluss im Okto­ber noch ein­mal sistiert, aber das inter­essierte Brup­bach­er schon nicht mehr:
Die europäis­che Arbeit­er­be­we­gung hat­te ger­ade ihre eigentliche Urkatas­tro­phe erlebt, — den Aus­bruch des ersten Weltkriegs im Juli 1914.

Dazu mehr in der näch­sten Folge am Sam­stag, den 4. Juni.

An anderen Serien interessiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hein­er Koech­lin / Simone Weil / Gus­tav Meyrink / Nar­rengeschicht­en / Bede Grif­fiths / Graf Cagliostro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­woche und Don­ald Trump / Die Welt­woche und der Kli­mawan­del / Die Welt­woche und der liebe Gott /Lebendi­ge Birs / Aus mein­er Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reich­sidee /Voge­sen Aus mein­er Bücherk­iste / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­bach­er

Ausstellung im Museum: "Schätze bergen"
Wochenrückblick

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.