Titelbild aus der Amtlichen Berner Chronik von Diepold Schilling:
Der Richter mit dem Richterstab leitet sitzend die Verhandlung und verkündet auch das Urteil, das die neun Beisitzer zu fällen haben. Neben dem Richter haben der Gerichtsschreiber und der Gerichtsdiener mit dem Botenstab Platz genommen.
Da im Moment, dank Wahlen, immer wieder der Begriff des »Fremden Richters« in die politische Debatte geworfen wird, vor allem von den Superschweizern der SVP, hier eine Lektüreempfehlung. Man muss das Buch nicht unbedingt kaufen, alle von mir empfohlenen Bücher gibt es auch in den GGG-Bibliotheken.
Nun also zum Buch:
Fremde Richter — Karriere eines politischen Begriffs
Georg Kreis handelt die unsägliche Geschichte der fremden Richter mit grosser Akribie ab. Seine Zielsetzung:
»In den letzten Jahren ist viel über »fremde Richter« gesagt und geschrieben worden, viel Irrlichterndes, manchmal auch gut Informiertes. Dieses Buch will einen Überblick geben und den Interessierten Klärung anbieten. Es will die Herkunft dieser aufgeblasenen Maxime und deren polemische Nutzung aufzeigen, und es beschreibt die Schwierigkeiten, die sich deswegen ergeben.«
Das ist vor allem interessant mit dem Bezug zum »Bundesbrief« von 1291 der erst seit 1891 so heisst.
Das beginnt dann mit der ganz einfachen Darstellung der Gerichte im Mittelalter (siehe auch Titelbild).
Landvögte, die als Richter bezeichnet wurden, leiteten nur das gerichtliche Verfahren, während ausgewählte Landleute die Urteile fällten. Richter und Vogt, Judikative und Exekutive im modernen Sinne sind in dieser Zeit nicht zu trennen, eine Gewaltenteilung war inexistent. Wenn die Schwyzer eigene und nicht gekaufte Richter wollten, dann beanspruchten sie eine direkte Beziehung der Richter zum König ohne eine Zwischengewalt. Es ging also mehr um Selbstbestimmung nach innen als um die Abwehr »fremder Richter«.
Auch kleine Episoden finden immer wieder Eingang, so z.B. die Geschichte des Studenten Damian Rossi, der Christoph Blocher befragte. Dieser war der Meinung, das Wort der »fremden Richter… stamme von Friedrich Schiller, und dieser habe sich auf den Bundesbrief von 1291 gestützt.
Dass das Dokument von 1291 erst 1760 publiziert und 1780 in eine Schweizer Geschichte Eingang fand, war Schiller höchstwahrscheinlich noch nicht bekannt. Er erwähnt ja das Dokument auch nicht.
Erst 1891 zur Feier der 600jährigen Eidgenossenschaft erhielt das Dokument den Status eines Staatsgründungsdokuments. So quasi als Dankeschön an die katholischen Verlierer des Sonderbunds in der Innerschweiz.
Erst durch die EWR-Debatten gewann das Dokument an einer denkwürdigen Veranstaltung des Schweizer Fernsehens im Bundesbriefarchiv seine »immerwährende« Wichtigkeit und wird seither bei jeder Gelegenheit wieder hervorgezerrt wie z.B. bei der Selbstbestimmungsinitiative, bei der das Stimmvolk sich aber nicht verführen liess. Und sicher wird es sich nicht vermeiden lassen, dass die »fremden Richter« auch in das Rahmenabkommen und die Kündigungsinitiative der ANUS (Aktion für eine neutrale und Unabhängige Schweiz) einfliessen.
Die detaillierte Verfolgung des Begriffs »Fremde Richter« von 1291 bis heute zeigt, wieviel Framing auch hinter diesem Begriff steckt.
Oder anders gesagt: Wir können sehen, wie in der Politik tiefenpsychologisch mit unseren Hirnen gearbeitet wird.
Das Buch:
Georg Kreis
Fremde Richter
Karriere eines politischen Begriffs
2018 Hier und jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Fr. 34.—