“Politik ist auf die Gesellschaft übertragene Wissenschaft und Kunst der Ethik”
(Ignaz Paul Vital Troxler, Vater der Schweizerischen Bundesverfassung)
Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist seit Mittwoch Geschichte. Als er 2016 völlig überraschend gewählt wurde, ging ein Aufschrei durch die internationale Medienlandschaft. Der brutale Wahlkampf, den Trump gegen Hillary Clinton und seine republikanischen Mitbewerber geführt hatte, liess für die kommenden vier Jahre nichts Gutes ahnen. Es blieb die Hoffnung, dass der Rabauke Trump durch das Präsidentenamt vielleicht doch etwas gezähmt werden könnte.
In der Schweiz begrüsste den Sieg Trumps vor allem eine Wochenzeitschrift enthusiastisch: die Weltwoche. Chefredaktor Roger Köppel schrieb in seinem Editorial unter dem Titel:
Die Befreiung. Donald Trump ist neuer US-Präsident. Das Unmögliche wurde möglich. Genial
Als die Wahlnacht auf das unglaubliche, angesichts der Voraussagen fast unwirkliche Endergebnis zulief, ertappte ich mich bei spontanen, etwas peinlichen Jubelausbrüchen. Bei jeder Wasserstandsmeldung, die Trump vorne zeigte, tanzte ich mit geballter Faust durchs Büro … Was sich in dieser Wahlnacht abspielte, ist ein politisches Wunder, ein Befreiungsschlag, noch unwahrscheinlicher und daher grösser als der Brexit, eine ideologische und demokratische Revolution wie damals, als der belächelte Schauspieler Ronald Reagan über die offiziellen Parteigrenzen hinweg Bürger aus allen Parteien ansprach, die sich von der Politik vergessen und verlassen fühlten. … Die Medien zeichneten Trump als negative Figur mit einer negativen Botschaft. Sie wollten nicht sehen, dass seine wichtigste Durchsage ein zukunftsfroher Patriotismus ist: «Make America Great Again.» Amerika zuerst. Das hochmütige politische Kartell, das ihn bekämpfte, erlebt seine schrecklichste Niederlage. Die Priesterkaste wurde besiegt. Und das allein ist eine grossartige Nachricht. Wir haben wieder mehr Vielfalt und Freiheit auf der Welt. Und, ja, das fühlt sich gut an.
Auch Markus Somm, damals noch BaZ-Chefredaktor, freute sich ungemein:
Trumps Sieg war “die grösste Ohrfeige aller Zeiten”. Man muss weit zurückgehen, bis man einen ähnlichen demokratischen Aufbruch erlebt hat … 2016 ist das Jahr der Wende. Nach der ersten Revolution, die im Sommer in Grossbritannien vorgefallen war, als ein eigenwilliges, mutiges Volk den Brexit beschloss, ist das nun die zweite Rebellion der einfachen, normalen Leute. (…) In Demokratien kann es sich eine Elite ein paar Jahre leisten, sich nicht um die Mehrheitsmeinung ihrer Völker zu kümmern, aber nicht endlos. Was in den USA geschehen ist, wo ein völlig ungeprüfter Aussenseiter das höchste Amt im Sturm erringt: Es dürfte nur der Anfang sein. Viele Länder im Westen werden bald Ähnliches erfahren. Es herrscht eine revolutionäre Stimmung. Friede den Hütten, Krieg den Palästen, hat Georg Büchner, der grosse deutsche Dramatiker, geschrieben. Das gilt noch heute.
Damit war der Ton gesetzt: Donald Trump, der Robin Hood der einfachen Leute, der mit den arroganten Eliten in den USA definitiv aufräumen würde. Donald Trump, der furchtlose Streiter für eine Demokratie, die ihren Namen wirklich verdient.
Und der Ton blieb in der Weltwoche die ganzen vier folgenden Jahre hindurch der gleiche:
Trump, das intuitive politische Genie, wie ein Fels in der Brandung gegen all die Fake-News-Medien kämpfend, die ihm den Garaus machen wollten.
Trump, der die gesamte Aussenpolitik der USA kühn neu aufmischte, und sich nicht scheute, mit üblen Diktatoren zusammenzusitzen, um einen Frieden auszuloten.
Trump, der den Mut hatte, aus sinnlosen Abkommen — Stichwort: Klima, WHO, Iran — auszusteigen.
Trump, der endlich für fairen Handel kämpfte.
Trump, der treue Freund Israels, der vorbehaltlos die israelische Annexionspolitik unterstützte und die amerikanische Botschaft nach Jerusalem verlegte. Und schliesslich:
Trump, dem es gelang, im Nahen Osten einen seit Jahrzehnten blockierten Friedensprozess mit den arabischen Nachbarn wieder in Gang zu bringen.
So ist es nur verständlich, dass die Weltwoche die erneute Wiederwahl Trumps als “das Beste, was der Welt passieren kann” deklarierte und Roger Köppel verschwörerisch raunte, als sich ein Sieg für Joe Biden abzeichnete:
Ist Trump ein schlechter Verlierer? Erstens hat er noch nicht verloren. Zweitens sind die Demokraten die schlechtesten Verlierer, die man sich vorstellen kann. Ihre Niederlage von 2016 akzeptierten sie nie. Den rechtmässig gewählten Präsidenten Trump verfolgten sie mit fabrizierten Geheimdienst-Dossiers und erfundenen Verschwörungen. Sogar ein Amtsenthebungsverfahren fädelten sie ein, erfolglos. Was die Nichtanerkennung von Wahlresultaten angeht, kennen Fantasie und Energie der Demokraten keine Grenzen.
Gab es Wahlbetrug im grossen Stil? Bis jetzt legte Trump keine Beweise vor. Niemand bestreitet, dass geschummelt wurde. Offen ist das Ausmass. Es war schon gespenstisch, wie in der Wahlnacht die Kurven für Biden auf einmal senkrecht nach oben schossen. Erstaunlich viele Tote sollen für den Senator aus Delaware gestimmt haben. In Pennsylvania öffnete der Gouverneur die Schleusen für spät eingereichte Briefwahlzettel. Wenig vertrauensbildend wirkte, dass sich die Republikaner den Zugang zu einigen Stimmlokalen gerichtlich erstreiten mussten. Das Thema Wahlbetrug ist nicht so ausserirdisch, wie Trump-allergische Medien behaupten. In Philadelphia musste erst kürzlich ein Offizieller deswegen ins Gefängnis.
Seit gestern ist Joe Biden offiziell neuer Präsident. Um die 60 Gerichtsentscheide machten definitiv deutlich, dass das Thema Wahlbetrug tatsächlich ausserirdisch war.
Dieses Thema ist für Roger Köppel zwar noch nicht ganz vom Tisch, aber in seinem gestrigen “Weltwoche-Daily-Podcast”, seinem “politischen Weiterbildungsprogramm gegen Desinformation und Irreführung” beschränkte er sich immerhin darauf, nochmals auf die desaströse Rolle der Mainstream-Medien hinzuweisen:
.. das war für mich das fast grösste und erschreckendste Phänomen in dieser Amtszeit von Donald Trump, die totale, durch nichts zu erschütternde Einseitigkeit der Medien … Da wurde ein Bild hergestellt, das gar nicht möglich ist. Kein Mensch kann nur aus negativen Eigenschaften bestehen … Und die Schweizer haben da einfach mitgemacht, was die andern auch geschrieben haben … Im Zuge dieser hysterischen, schrillen Verunglimpfungskampagne, auch im Verlauf seiner Amtszeit, ist mir dieser Donald Trump irgendwie ans Herz gewachsen … Stellen Sie sich einmal vor, was dieser Donald Trump und seine Familie in den letzten vier Jahren haben durchmachen müssen … Vom ersten Tag an ist er nicht nur von den Medien verfolgt worden, sondern auch von den Institutionen seines Staates …, - und er vergleicht Trump mit jemandem, der tagtäglich auf dem Pausenhof von vielen “Bullies” gemobbt wurde. (Das arme Mobbingopfer scheint allerdings angesichts dieser 224 Seiten langen Tweetliste ganz schön zurückgekeilt zu haben 😉 )
Es stellt sich also die Frage, ob all die vielen Mainstream-Medien tatsächlich so voreingenommen und einseitig auf das arme Opfer Trump eingeprügelt haben, wie Roger Köppel lamentiert.
Und die noch viel wichtigere Frage, ob Trump ein Segen für die Demokratie oder deren Totengräber war. Ist das zweite Amtsenthebungsverfahren der Demokraten lediglich ein kleinlicher Rachefeldzug gegen einen ungeliebten Gegner oder eine politische Notwendigkeit für die Erhaltung der Demokratie? Braucht es eine differenziertere Betrachtung, wie sie der Weltwoche-Chefredaktor anmahnt?
Diesen Fragen möchte ich in lockerer Folge etwas nachgehen.
Wo aber jenseits der Medien die Informationen herholen, die einen objektiveren Blick auf Donald Trump und seine vier Jahre Präsidentschaft ermöglichen?
Meine Position: Es lohnt sich, einen Blick in jene Publikationen zu werfen, die von Leuten geschrieben wurden, welche ihn aus psychologischer resp. psychoanalytischer Sicht über Jahre beobachteten, während seiner Amtszeit mit ihm zusammen arbeiteten oder ihn intensiv interviewt haben. Allerdings ist auch da Vorsicht geboten: Von Autoren wie John Bolton sollte man wohl besser die Finger lassen. Doch es gibt inzwischen eine ganze Reihe vertrauenswürdiger Quellen, die uns ein ziemlich objektives Bild vermitteln können.
Darüber mehr in der nächsten Folge.
ibis
Jan 23, 2021
Sicher gab der nun zum Glück ehemalige Präsi viel Stoff zum darüber schreiben. Der ehemalige Reality-TV-Protagonist spielte den Präsi im gleichen Modus: Maximale Aufmerksamkeit und kmackige mediale Reproduzierbarkeit. Die Medien dürfen jetzt wieder “langweiliger” oder vielleicht sogar nachdenklicher werden. Hoffentlich: Es wäre uns allen zu gönnen. Köppel und Freunde werden etwas anderes finden, bei dem sie in eine Anti-Position zur Mehrheit (und zur Vernunft) gehen können und so weiterhin ihr Klientel bedienen und wenn sie genügend rüde sind, auch von den anderen weiterhin Aufmerksamkeit und Plattform bekommen.
Und der Donnie wird sich kaum seriös um einen neuen Job bemühen müssen… Obwohl, da war doch irgendwas?
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😉