Die politischen Wirren und die massiven Anfeindungen, denen Ochs von seiten der Altgesinnten ausgesetzt war, waren schon belastend genug. Dazu kamen eine Reihe familiärer Schicksalschläge: Im März 1804 erhielt er von seinem Sohn Wilhelm die Nachricht, dass seine Frau Salome in Paris
wegen eines Gebärmuttertumors gestorben sei. Ende Juni nahm sich Wilhelm das Leben. Mutter und Sohn fanden auf dem Frieden von Montmartre ihre letzte Ruhestätte. Seine beiden jüngsten Kinder. Eduard und Emma, die bei ihrer Mutter gelebt hatten, holte Ochs nach Basel zurück.
Doch damit nicht genug:
Im Februar 1806 starb der älteste Sohn der Schwester von Peter Ochs, der die Eisenwerke seines Vaters übernommen hatte. Sein Tod stellte die Existenz der Geschwister Ochs infrage, da beide finanziell vom Ertrag der Eisenwerke abhingen. Sybille starb nur einen Monat später, am 6. März 1806. Ochs traf diese Verluste schwer. Im Mai 1808 durchlebte er selbst eine Lebenskrise, war schwermütig, fühlte sich alt und verbraucht und verbrannte Briefe und von ihm verfasste Texte. Nach 1808 wurde auch immer deutlicher , dass Emma psychisch krank war. (Menschenrechte und Revolution. Peter Ochs)
In diesen schwierigen Jahren versuchte er, sich mit Dichtung und Theater aus seiner Verzweiflung zu retten:
Ich dichte, um mich abzulenken, um meine Aufmerksamkeit zu zwingen, sich nicht dauernd auf melancholische Gegenstände zu richten. Aber zu oft fällt mir die Feder aus der Hand, und die Aufmerksamkeit kehrt auf das zurück, was mich betrübt.
So entstanden eine Tragödie, ein Opernlibretto und eine tragische Komödie:
Wie schon sein Drama “Zeltner ou la prise de Soleure” ermöglichte ihm die Umsetzung abstrakter Ideen in Theaterstücke, seine politischen Erfahrungen der letzten Jahre zu reflektieren und seine Überzeugungen und Ideen in Dialogen und Handlungen “in Szene zu setzen” und so für Freunde und Bekannte — alle drei Texte liess Ochs drucken ‑auf einer anderen als der rein abstrakten Ebene erfahrbar zu machen.
Es zeugt von seiner grossen Willenskraft, dass er in dieser schwierigen Zeit weiter an der Verwirklichung seiner Ideale arbeitete. 1808 nahm er eine grundlegende Reform der Baselbieter Landschulen in Angriff:
Ochs erreichte …, dass alle Landschulen staatlicher Aufsicht unterstellt wurden und sich der Unterricht nicht mehr nur auf den Katechismus beschränkte, sondern Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen und eine gewisse Allgemeinbildung vermitteln sollte. Kinder konnten die Schule auch nur nach einer Prüfung verlassen, die zeigte, dass sie lesen und korrekt schreiben konnten. Bedürftigen Kindern wurden zwei Drittel des Schulgeldes erlassen., (…). Besonderes Gewicht legte Ochs dabei auf das Erlernen der deutschen Schriftsprache und eine korrekte Aussprache. Er vertrat dezidiert die Ansicht, dass in den Schulen ausschliesslich Deutsch, nicht Dialekt gesprochen werden sollte.
(Menschenrechte und Revolution. Peter Ochs)
Dass er dabei als Ideal die Einführung von Pestalozzis pädagogischen Erkenntnissen vor Augen hatte, zeigt sich in einem Brief and den grossen Erzieher:
Mein ganzes Streben seit 1803 gehet dahin, dass Ihre Methode bey uns eingeführt werde. Sie ist die Methode der Natur; sie gewinnt alle Kinder; sie führt zur Helle.
In Sissach wurde im selben Jahr ein Lehrerseminar eröffnet, aber bereits 1813 wieder geschlossen, bevor es in Muttenz 1814 erneut ins Leben gerufen wurde. Es gab keine richtigen Schulhäuser, sondern lediglich Schulstuben. Von Lehrer Rudin in Lauwil heisst es, er habe bei seiner Prüfung nur gerade seinen eigenen sowie den Namen der Gemeinde und das Datum schreiben müssen, um – noch vor seiner eigenen Konfirmation – als Lehrer tätig zu sein. Man muss sich auch die Grössenverhältnisse vor Augen halten. 1839 umfasste eine Klasse an die 100 Kinder. (aus Nah dran, Weit Weg. Geschichte des Kantons Basel-Landschaft)
Aber auch in der Stadt engagierte er sich für eine grundlegende Reform der Universität, die ebenfalls unter staatliche Aufsicht kam, und er war an der Eröffnung einer Töchterschule durch die GGG beteiligt. 1813 sorgte er mit der Eröffnung eines Armenpfrundhauses in Liestal für eine Verbesserung des Armenwesens auf der Landschaft.
Im gleichen Jahr zeichnete sich nach der Völkerschlacht von Leipzig — dem Anfang des Niedergangs Napoleons — die grosse politische Zeitenwende ab, die unter dem Begriff “Restauration” in die Geschichte eingegangen ist. Damit öffnete sich das letzte politische Kapitel in Ochsens reichhaltigem Leben.
Ihm widmen wir die nächste Folge, und dies wie immer am kommenden Donnerstag, den 12. Mai!
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