Am 25. Juli 1799 traf Peter Ochs wieder in Basel ein und musste feststellen, dass er inzwischen in seiner Heimatstadt zu einer Unperson geworden war:
Schon nach seiner Rückkehr aus Paris hat ihm einer auf der Strasse “Verräter” nachgerufen. Jetzt ist es das noch fast gelindeste Schimpfwort … Alles, was an Üblem geschehen ist und weiter geschieht, wird ihm in die Schuhe geschoben. Er wird zum Sündenbock der Nation gestempelt.
Dabei hätten gerade die Basler sich am wenigsten zu beklagen, sind sie doch weitaus am glimpflichsten davongekommen von allen Kantonen: keine Plünderungen, keine Kontributionen, solange er etwas zu sagen hatte. Erst nach seinem Sieg in der zweiten Zürcher Schlacht hat Masséna auch Basel nicht mehr verschont. Und der ganze Hass entlädt sich auf Ochs. Das Direktorium muss ihn schützen lassen. (Kopp, Peter Ochs)
Dazu kamen finanzielle Probleme: Ochs hatte als Direktor voll Idealismus auf sein Gehalt verzichtet, ja der Regierung sogar noch eine ansehnliche Geldsumme für dringende Militärausgaben vorgeschossen, — alles verloren. Dazu kam am 8. Januar 1800 ein erster Staatsstreich der Altgesinnten. Auch Laharpe wurde nun abgesetzt und floh nach Paris. Die Familie von Ochs wurde von den Revolutionsgegnern so drangsaliert, dass er beschloss, sie nach einem Abstecher zu seiner Schwester in Strassburg in Paris in Sicherheit zu bringen. Doch schon im Mai kehrte er alleine nach Basel zurück, wo er in den folgenden Monaten zurückgezogen seine Basler Geschichte bis zur Proklamation der Helvetischen Republik weiterführte. Um den Unterhalt der Familie in Paris zu sichern, verkaufte er den Holsteinerhof und seine Gemäldesammlung.
Doch die Anfeindungen blieben, verstärkten sich sogar: Nebst den Beschimpfungen fand er Rad und Galgen an die Tür seines neuen kleinen Hauses an der Petersschanze geschmiert, und am 24. Februar 1801 warf ihm gar jemand eine mit Nägeln gespickte Granate in den Hof, die glücklicherweise nur brannte und nicht explodierte. Der politische Wind hatte in Basel definitiv gedreht. Die Revolutionsgegner brachten den Lällekönig wieder am Rheintor auf der Grossbasler Seite an — er war 1798 während der Revolution entfernt worden — und malten auf das Zollhäuschen auf der Kleinbasler Seite das alte Standeswappen, den Baslerstab.
Um sich finanziell über Wasser zu halten, verkaufte Ochs im April dank der Vermittlung durch Laharpe, mit dem er sich inzwischen wieder ausgesöhnt hatte, sogar seine wertvolle Bibliothek an Zar Alexander I., der seinen ehemaligen Erzieher an seinen Hof gerufen hatte. Im Oktober empfahl er sich im “Basler Avisblatt” als Privatlehrer. Er dachte daran, definitiv auszuwandern. Doch als in Paris ein offen konterrevolutionärer Brief des Berners Franz Rudolf von Weiss veröffentlicht wurde, entschied sich Ochs, trotz seiner schwierigen Lebensumstände noch einmal in die politische Arena zurückzukehren.
Zwar erschienen im Januar 1802 in der Stadt Plakate mit der Aufschrift “Vive Reding, au diable Ochs” (Reding war ein Schwyzer Gegner der Helvetik), doch inzwischen war die Baselbieter Landbevölkerung angesichts der offensichtlichen restaurativen Entwicklung in der Stadt unruhig geworden. Anlässlich der Wahl zur kantonalen Tagsatzung wählten ihn die Bezirke Liestal und Gelterkinden als ihren Vertreter:
Er erhielt mit diesem Mandat zum ersten Mal in seiner politischen Karriere von derjenigen Bevölkerungsschicht, für deren Gleichsetzung er sich seit jeher eingesetzt hatte, den durch eine Wahl legitimierten Auftrag, als Sprecher der Landbevölkerung in der neuen kantonalen Tagsatzung aufzutreten.
(Menschenrechte und Revolution. Peter Ochs)
Die Helvetik kam nicht zur Ruhe: Dem ersten Staatsstreich vom 8. Januar 1800 sollten bis 1802 noch drei weitere folgen, die abwechslungsweise die Unitarier und die altgesinnten Föderalisten an die Macht brachten. Schliesslich provozierte Napoleon bewusst einen Bürgerkrieg, indem er die französischen Truppen abzog: Freie Bahn für die Kampfhähne auf beiden Seiten! Ochs wurde in Bern vom Krieg überrascht, als Alois Reding mit seinen Truppen im August 1802 den neuen Sitz der helvetischen Regierung belagerte. Erneute Flucht, diesmal nach Genf auf französisches Territorium.
Ende September schaltete sich schliesslich Napoleon mit der Proklamation von St-Cloud in den Bürgerkrieg ein, in der er seine Vermittlung ankündigte, die Niederlegung der Waffen befahl und alle Kantone zu Verhandlungen nach Paris einlud (Consulta). Im Oktober marschierten die Franzosen wieder ein, die Delegiertenwahlen fanden statt, — und siehe da: Auch Ochs erhielt ein Mandat von fünf protestantischen Solothurner Gemeinden und der Munizipalität Sissach und brach am 13. November 1802 nach Paris auf, — begleitet von jenem Mann, der vor vielen Jahren in Basel sein Preisausschreiben gewonnen hatte: Johann Heinrich Pestalozzi.
Peter Ochs war definitiv wieder im politischen Geschäft! Dazu mehr in der nächsten Folge
am Donnerstag, den 28. April
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