Am 12. April 1798 wur­de Ochs eine wei­te­re Ehre zuteil: 121 Abge­ord­ne­te aus 10 Kan­to­nen wähl­ten ihn zum Senats­prä­si­den­ten! In die­ser Funk­ti­on ver­las er in der neu­en Haupt­stadt Aar­au von einem Rats­haus­fens­ter aus die wich­tigs­ten Arti­kel der neu­en Ver­fas­sung und pro­kla­mier­te “unter dem Getö­se der Artil­le­rie, dem Wie­der­hall patrio­ti­scher Lie­der und dem Zujauch­zen der Bür­ger, die Enste­hung und Unab­hän­gig­keit der neu­errich­te­ten hel­ve­ti­schen Repu­blik(Kopp, Peter Ochs).
Aus einem nur durch ver­schie­den­ar­ti­ge Ein­zel­bünd­nis­se lose ver­bun­de­nen Orte war ein völ­lig neu­es, zen­tra­lis­tisch auf­ge­bau­tes Staats­ge­bil­de erstanden.

Direk­tor

Sein Trink­spruch beim anschlies­sen­den Gast­mahl mach­te gleich deut­lich, wel­che Her­aus­for­de­run­gen auf das neue Direk­to­ri­um wartete:
Es leben die­je­ni­gen, die heu­te den Muth hat­ten, mit Spei­chern ohne Frucht, Zeug­häu­sern ohne Geschütz, und Schät­zen ohne Geld, die Unab­hän­gig­keit zu verkünden.

Die kal­te Dusche folg­te auf dem Fuss. Dank einer Intri­ge wur­de er nicht in das Direk­to­ri­um gewählt, — ein tie­fer Schock für jeman­den, der mit sei­nem gan­zen Herz­blut für den neu­en Staat gekämpft hat­te. Und mit der Unab­hän­gig­keit war es auch nicht weit her. Die fünf Direk­to­ren stan­den vor unlös­ba­ren Problemen:
Es fehlt an allem. Man ver­sucht, jene Ideen in Wirk­lich­keit umzu­set­zen, wel­che der Hel­ve­ti­schen Gesell­schaft als Uto­pie vor­schweb­ten. Aber das Träu­men und Sin­gen ist einer häss­li­chen, bru­ta­len Wirk­lich­keit gewichen.
Unter Lecar­lier (Kom­mis­sar der fran­zö­si­chen Regie­rung) wer­den die Plün­de­run­gen sys­te­ma­ti­siert. Von Bern, Frei­burg, Solo­thurn, Luzern, Zürich und den bedeu­ten­den Klös­tern wer­den unge­heu­re Kon­tri­bu­tio­nen für den Unter­halt der fran­zö­si­chen Trup­pen ver­langt. Genf, dem Bona­par­te eben noch sei­nen Schutz ver­spro­chen hat­te, wird von Frank­reich annektiert.
Und das Schlimms­te: Die Urschweiz merkt erst jetzt, was es geschla­gen hat. Schwyz, seit jeher füh­rend, beschwört den Geist von Mor­gar­ten, die Geist­lich­keit sieht die Reli­gi­on bedroht, Nid­wal­den, Uri, Gla­rus, Zug und die Stadt Luzern schlies­sen sich dem Auf­stand an. Das hel­ve­ti­sche Direk­to­ri­um ruft Schau­en­burg um Hil­fe … (Kopp, Peter Ochs)
Kurz­um, schlech­ter hät­te die Hel­ve­tik gar nicht star­ten können.

Sena­tor

Dann die Wen­de: Durch eine wei­te­re in Paris ein­ge­fä­del­te Intri­ge kam Ochs zusam­men mit Fré­de­ric Lahar­pe doch noch zu direk­to­ria­len Wür­den. Doch das Cha­os war nicht mehr auf­zu­hal­ten. Anstatt sich zügig der Umset­zung der pro­gres­si­ven Ver­fas­sung zu wid­men, blo­ckier­ten sich  die Unita­ri­er und die Föde­ra­lis­ten, die Neu- und Alt­ge­sinn­ten in den Räten gegenseitig.

Dazu kam das Kon­kur­renz­ver­hal­ten zwi­schen den  bei­den “Alpha­tie­ren” Ochs und Laharpe:
Wäh­rend Lahar­pe und die Mehr­heit der Räte einen betont natio­na­len Ton anschlu­gen, ver­trat Ochs wei­ter eine enge Anleh­nung an Frank­reich, obwohl er sich der Belas­tung für die Bevöl­ke­rung durch die Okku­pa­ti­on bewusst war. Da die Hel­ve­ti­sche Repu­blik kei­ne eige­ne Armee besass, war sie auf fran­zö­si­sche Trup­pen ange­wie­sen, um Auf­stän­de nie­der­zu­schla­gen und Angrif­fe von aus­sen abzuwehren.
Des­halb dräng­te Ochs am 10. Juli 1798 auf den Abschluss eines Alli­anz­ver­tra­ges mit einer Klau­sel, die Frank­reich zur Inter­ven­ti­on ver­pflich­te­te, falls die Frei­heit, die reprä­sen­ta­ti­ve Gleich­heit und das Ein­heits­sys­tem in Gefahr sei­en. Dar­auf ging Paris nicht ein, son­dern ver­lang­te ulti­ma­tiv den Abschluss einer Offen­siv- und Defen­sival­li­anz. Bis August setz­te Ochs die Defen­sival­li­anz mit Frank­reich gegen erheb­li­che Wider­stän­de im Direk­to­ri­um und in den Räten durch, auch wenn die­se die voll­stän­di­ge Abhän­gig­keit von Frank­reich und die Auf­ga­be der Neu­tra­li­tät bedeu­te­te. Das Ver­hält­nis zu Lahar­pe wur­de dadurch getrübt und ver­schlech­ter­te sich unter dem Druck der innen­po­li­ti­schen Kri­se wei­ter.
(Men­schen­rech­te und Revo­lu­ti­on. Peter Ochs)

Dann kam es im Sep­tem­ber zur blu­ti­gen Nie­der­schla­gung des Nid­wald­ner Auf­stands.

Im März 1799 brach der Zwei­te Koali­ti­ons­krieg aus, und die Schweiz soll­te auf­grund des Ver­trags auch Sol­da­ten stellen.
Die Aus­he­bun­gen sties­sen über­all auf erbit­ter­ten Wider­stand. Die fran­zö­si­schen Trup­pen mach­ten sich durch Ein­quar­tie­run­gen und Zwangs­re­qui­si­tio­nen ver­hasst. Mit­te April 1799 befürch­te­te Ochs eine Hun­gers­not und pro­tes­tier­te in Paris. Er ver­stand die Defen­sival­li­anz nicht als einen Ver­trag, der ein­sei­tig nur die Hel­ve­ti­sche Repu­blik ver­pflich­te­te. Im März und April inter­ve­nier­te er wie­der­holt in Paris und for­der­te drin­gend Hil­fe für die hun­gern­de Bevöl­ke­rung in der Schweiz.
Im Juni schil­der­te er Tal­ley­rand, dass von den 25’000 hel­ve­ti­schen Sol­da­ten 20’000 wegen aus­ste­hen­der Sold­zah­lun­gen deser­tiert sei­en und die Staats­funk­tio­nä­re und Regie­rungs­mit­glie­der Kre­dit auf­neh­men müss­ten, um über­haupt ihren Lebens­un­ter­halt bestrei­ten zu können.

Und dann im glei­chen Monat die nächs­te Intri­ge, dies­mal von sei­nem Direk­ti­ons­kol­le­gen Lahar­pe:  Er stell­te Ochs vor die Wahl, frei­wil­lig aus dem Direk­to­ri­um zu demis­sio­nie­ren oder ansons­ten des Lan­des­ver­rats ange­klagt zu wer­den. Die Hin­ter­grün­de blei­ben unklar. Ochs, völ­lig erschöpft und von den Schwie­rig­kei­ten zer­mürbt, unter­schrieb wider­stands­los und ver­liess das wegen des Kriegs­ver­laufs neu als Haupt­stadt gewähl­te Bern noch in der glei­chen Nacht. Nach einem kur­zen Auf­ent­halt in der Waadt kehr­te er nach Basel zurück. Dort soll­te ihn der abso­lu­te Tief­punkt sei­nes Lebens erwarten …

Dazu mehr in der nächs­ten Folge

am Don­ners­tag, den 21. April

 

Mattiello am Mittwoch 22/15
Die Reichsidee 37

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.