Göt­tin For­tu­na war Peter Ochs erneut hold gesin­nt: Das Los machte ihn zum Ober­stzun­ft­meis­ter. Sofort reiste er anfangs Juni nach Paris, um das Direk­to­ri­um vom Friedenswillen der Eidgenossen­schaft und der Neu­tral­ität der Basler Regierung zu überzeu­gen. Und er hat­te Erfolg, Das Direk­to­ri­um sah von mil­itärischen oder poli­tis­chen Aktio­nen ab unter der Bedin­gung, dass die Eidgenossen­schaft die rev­o­lu­tions­feindlichen Emi­granten bess­er überwache.

Nach sein­er Rück­kehr aus Paris beschloss er, sein Gelübde, die Rechts­gle­ich­heit in Basel durchzuset­zen und das Zun­ftreg­i­ment abzuschaf­fen, in die die Tat umzuset­zen:
Als er in sein­er neuen Funk­tion an den Schwörta­gen im Juli 1796 in den Gross­basler Zün­ften und den Klein­basler Ehrenge­sellschaften den Bürg­ern den Treueeid abnahm, hielt er eine Rede, in der er sein­er prinzip­iellen Ablehnung des beste­hen­den Zun­ftreg­i­ments Aus­druck gab. Er forderte Ver­di­enst, Tugend und Tal­ente als Wahlkri­te­rien, nicht erbliche Priv­i­legien, und erk­lärte sich “aus Amt­spflicht” und “aus Herzen­snei­gung” zum “Fre­und und Beschützer” des Volkes, dessen “natür­liche Rechte” er vertei­di­gen wolle. Damit präsen­tierte er sich als Ober­stzun­ft­meis­ter nicht mehr nur als Sprech­er der Zün­fte in der Regierung, son­dern trat auch als Sprech­er der Unter­ta­nen auf. 

Doch längst nicht alle Basler hat­ten dafür Musikge­hör, und auch nicht für das rev­o­lu­tionäre Frankre­ich. In der Nacht vom 30. Novem­ber auf den 1. Dezem­ber 1796 grif­f­en öster­re­ichis­che Trup­pen die Fes­tung Hünin­gen über Basler Ter­ri­to­ri­um an, und zwar mit der stillschweigen­den Dul­dung von Basler Offizieren und dem Kom­man­dan­ten der bernischen Zuzügertrup­pen. Sie alle waren mit Ochsens Intim­feind Andreas Mer­ian ver­ban­delt. Ochs schäumte vor Wut, set­zte eine Unter­suchungskom­mis­sion ein und forderte hohe Strafen.  Seine Geg­n­er war­fen ihm darauf mit dem Schmäh­lied “ça ira, ça ira, la Démoc­ra­tie à la Lanterne” einen Stein ins Haus. Als auf die Anklage später milde Urteile fol­gten, meinte er zu Recht, wären die Schuldigen Bauern gewe­sen, wären sie auf dem Schafott gelandet …

Doch Ochs gab nicht auf. Als sich im Okto­ber 1797 die Macht­bal­ance in Europa dank der Siege Napoleons in Ital­ien (Friedensver­trag mit Öster­re­ich in Cam­po Formio) immer mehr zugun­sten Frankre­ichs ver­schob, erkan­nte er, dass für das poli­tis­che Über­leben der Eidgenossen­schaft eine engere Allianz mit Frankre­ich ein­er­seits und die Gle­ich­stel­lung der Unter­ta­nen schweizweit entschei­dend war. Nur eine friedliche Rev­o­lu­tion von oben würde die Loy­al­ität der Unter­ta­nenge­bi­ete und damit den inneren Zusam­men­halt der Eidgenossen­schaft sich­ern. Umso frus­tri­ert­er nahm er die tak­tis­che Hal­tung Napoleons zur Ken­nt­nis, Frankre­ich respek­tiere die beste­hen­den Regierungsver­hält­nisse in der Eidgenossen­schaft.

Im gle­ichen Monat lernte Ochs auch die Pub­lika­tio­nen von Frédéric-César Laharpe ken­nen, in denen dieser Frankre­ich zur Befreiung der Waadt auf­forderte, und nahm Kon­takt mit ihm auf. Ochs betra­chtete dieses Vorge­hen allerd­ings als gefährlich und hoffte weit­er­hin auf eine grundle­gende Erneuerung der Eidgenossen­schaft ohne Inter­ven­tion von aussen:
Am 20. Novem­ber 1797 appel­lierte er nochmals drin­gend im Grossen Rat, frei­willig auf die Herrschaft­spriv­i­legien des Standes Basel zu verzicht­en. Er erre­ichte nichts, man warnte ihn nur, er lade mit solchen Forderun­gen die Unter­ta­nen der Basler Land­schaft und der ital­ienis­chen Vogteien dazu ein, Peti­tio­nen für ihre Gle­ich­stel­lung einzugeben. Er provoziere nur eine Rev­o­lu­tion.

Klas­sis­che Vogel Strauss-Poli­tik:  Vier Tage später traf Napoleon auf seinem Weg zum Frieden­skongress in Ras­tatt im Ober­basel­bi­et ein, wo er in Walden­burg — das seine Strassen mit Tep­pichen belegt hat­te! — von ein­er begeis­terten Men­schen­menge gefeiert wurde. Die Liestaler begrüssten ihn mit ein­er Ehren­garde von 100 Mann als ihren “Erlös­er”. Auch die Basler Regierung offerierte zu dessen Ehren im Hotel Drei Könige ein gross­es Ban­kett, und Peter Ochs durfte an der Tafel zu sein­er Linken Platz nehmen. Als Napoleon sein Glas mit dem Toast “A la lib­erté et prospérité du can­ton de Bâle” erhob, war es um Ochs geschehen, und er schrieb anschliessend einem Fre­und begeis­tert:
… Wir haben mit ihm diniert und er sass zwis­chen meinem Kol­le­gen (Bürg­er­meis­ter Bux­torf) und mir. Er ist der Held der poli­tis­chen Gle­ich­heit. Ich bürge dafür. In Bern und Solothurn ist er nur durchge­fahren. Er hat uns beglück­wün­scht, dass unsere For­men in manch­er Beziehung demokratisch sind. Obschon er wed­er Gesandter in der Schweiz noch königlich­er Prinz ist, haben wir ihm alle erden­klichen Ehren erwiesen … Parade der gesamten Freikom­panie gegenüber sein­er Her­berge während seines Aufen­thalts. Öffentlich­es Essen. Musik. 40 Kanonen­schüsse bei sein­er Ankun­ft, ebenso­viele bei sein­er Abfahrt  ... (aus Peter F. Kopp, Peter Ochs)

Aber noch begeis­tert­er war er, als er erfuhr, dass er dem Direk­to­ri­um als Unter­händler in der Frage des Erwerbs des Frick­tals, auf das Basel ein Auge gewor­fen hat­te, genehm wäre. Tat­säch­lich genehmigte der Grosse Rat seine Entsendung nach Paris. Und damit begann sich das Mühlrad der Rev­o­lu­tion in der Eidgenossen­schaft defin­i­tiv zu drehen …

Dazu mehr am kom­menden Don­ner­stag, den 31. März.

P.S. Dem Basler Kupfer­stech­er und Miniatur­maler Mar­quard Wocher soll es gelun­gen sein, im Anschluss an das öffentliche Aben­dessen obiges Kon­ter­fei des bejubel­ten Gen­er­als anzufer­ti­gen. Die Geschichte dazu kann auf dem UB Basel Blog nachge­le­sen wer­den.

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