Im Reigen der muti­gen Zeitgenossen, die — wie Charles Pictet de Rochemont oder Frédéric Laharpe — während der grossen Zeit­en­wende der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion ihr Leben in den Dienst ein­er grundle­gen­den Erneuerung der Eidgenossen­schaft stell­ten, darf der Basler Peter Ochs nicht fehlen. Sein Leben und Wirken wurde im Laufe der Geschichte höchst kon­tro­vers beurteilt. In der Ein­leitung zur im let­zten Jahr erschiene­nen Pub­lika­tion “Men­schen­rechte und Rev­o­lu­tion. Peter Ochs (1752–1821)” durch das His­torische Muse­um Basel und den Christoph Mer­ian Ver­lag steht:
Im restau­ra­tiv­en Diskurs geri­et der Schöpfer der ersten Schweiz­er Ver­fas­sung, Peter Ochs, von Beginn weg ins Fadenkreuz von Kri­tik, Ver­ach­tung, Ver­leum­dung und Spott. Dass er in der Geschichtss­chrei­bung und im kollek­tiv­en Gedächt­nis bis weit ins 20. Jahrhun­dert hinein so ungnädig behan­delt wurde, ist insofern nicht ver­wun­der­lich, als die nation­al­staatliche His­to­ri­ografie einen Sün­den­bock brauchte, um den Bruch der eid­genös­sis­chen Kon­ti­nu­ität, das Ende der Ancien Régimes und die Fremd­herrschaft zu erklären.

Noch im Jahre 2014 bezog sich Bun­desrat Ueli Mau­r­er auf Peter Ochs als his­torische Per­sön­lichkeit, die “als Lan­desver­räter in die Geschichte” einge­gan­gen sei.

Doch schon zu seinen Lebzeit­en gin­gen die Urteile diame­tral auseinan­der, wie die bei­den 1798/99 erschiene­nen Gedichte bezeugen:
Ochs, le flam­beau de sa patrie Eclaira ses concitoyens; 
La Harpe employa son génie A dessiller les yeux des siens. 
Tous deux, par la chaleur civique Ont excité dans leurs pays 
L’amour de la république. Qu’il est beau de voir le génie 
Ser­vant l’au­guste lib­erté Bris­er les fers de la patrie
Sans affliger l’hu­man­ité! Dans l’his­toire patriotique 
On inscrira leurs noms chéris Et l’on dira de père en fils 
Qu’ils ont fondé la République

Ochs, die Fack­el seines Vater­lan­des, erleuchtete seine Mitbürger;
La Harpe benutzte sein Genie, um die Augen der Seinen zu erwecken.
Bei­de ent­facht­en in ihren Län­dern durch bürg­er­lich­es Feuer
Die Liebe zur Repub­lik. Wie schön ist es, das Genie zu sehen
Der erhabenen Frei­heit dienend, die Fes­seln des Vater­lan­des zu zerbrechen.
Ohne die Men­schheit zu betrüben! In der patri­o­tis­chen Geschichte
wird man ihre geliebten Namen ein­tra­gen und vom Vater zum Sohn sagen
Dass sie die Repub­lik gegrün­det haben 

Mit schö­nen Wagen und auf Pfer­den Fuhr ehmals Ochs auf dieser Erden. 
Doch Stolz ver­rückt ihm den Ver­stand Und er ver­ri­eth sein Vaterland.
Zwar steigt er da zum Direk­tor Als ein Enthu­si­ast empor 
Doch fiel er schnell in Nichts hernieder Jet­zt singt er nur noch Frei­heits Lieder 
Besucht die Clubs — pocal­isiert (trinkt) Oft bis sich sein Gehirn verliert
So war er jüngst bey einem Schmaus Besof­fen — kon­nte nicht nach Haus 
Er ward daher auf einem Schra­gen Ganz im Tri­umph ins Haus getragen 
Und zeigte sich beim Mon­den­schein Als Ochs, ver­wan­delt in ein Schwein.

Dass die Lobeshymne franzö­sisch ist, ist kein Zufall: Peter Ochs war im Grunde genom­men ein Europäer. Geboren in Nantes, wo Albrecht Ochs eine auf Kolo­nial­waren spezial­isierte Fir­ma betrieb, aufgewach­sen in Ham­burg, wo sich der Vater in die grösste Import­fir­ma einge­heiratet hat­te, kam Peter Ochs erst als 20-Jähriger zum ersten Mal nach Basel, wo er sich u.a. mit Isaak Iselin, dem grossen Phil­antropen und poli­tis­chem Vor­denker befre­un­dete. Nach ein­er abge­broch­enen Han­del­slehre in Ham­burg studierte er Jus an der Uni Basel und in Lei­den, und etablierte sich 1779 nach der Heirat mit Salome Vis­ch­er defin­i­tiv in der Stadt am Rheinknie, wo er sich sogle­ich mit der Geschichte Basels und der Basler Land­schaft ver­traut machte.

Warum ist es sin­nvoll, das Andenken an his­torische Gestal­ten wie Peter Ochs lebendig zu erhalten?
Die Ein­leitung zum erwäh­n­ten Buch schliesst mit fol­gen­den Worten:
 … Wie ver­tra­gen sich föderale Struk­turen und Klein­räu­migkeit mit nationalen Her­aus­forderun­gen und inter­na­tionalem Wet­tbe­werb? Und wie ver­hält sich die Realpoli­tik zu den Men­schen­recht­en? Diese let­zte Frage ist vielle­icht die aller­wichtig­ste in ein­er Zeit, in der pop­ulis­tis­che Strö­mungen an der Unan­tast­barkeit der Men­schen­rechte rüt­teln und wirtschaftliche Inter­essen höher gewichtet wer­den als die Men­schen­rechte. Genau darum lohnt sich die Auseinan­der­set­zung mit Peter Ochs, mit der Geschichte der Men­schen­rechte in der Schweiz .… Denn: die “natür­liche Frei­heit des Men­schen” ist ein ver­let­ztlich­es Gut. 

Die näch­ste Folge ist dem Beginn sein­er steilen poli­tis­chen Kar­riere gewid­met, und dies wie immer

am kom­menden Don­ner­stag, den 17. Feb­ru­ar!

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