Wie stark sich die kon­fes­sio­nel­le Spal­tung in der Alten Eid­ge­nos­sen­schaft in der Aus­sen­po­li­tik der Orte aus­wirk­te, zeigt sich exem­pla­risch an der Bezie­hung zu Frank­reich. 1602 erneu­er­ten alle Orte (ohne Zürich) mit Frank­reich eine wegen der fran­zö­si­schen Reli­gi­ons­krie­ge zer­bro­che­ne Alli­anz. In der zwei­ten Hälf­te des 17. Jahr­hun­derts unter Lud­wig XIV. stieg das Land zur euro­päi­schen Vor­macht auf und betrieb eine expan­sio­nis­ti­sche Macht­po­li­tik. Es besetz­te die Frei­graf­schaft Bur­gund und griff die Nie­der­lan­de an. Vor der Stadt Basel wur­de bis 1681 die Fes­tung Hünin­gen errich­tet, und im glei­chen Jahr erober­te der König die Reichs­stadt Strass­burg, die mit Bern und Zürich ver­bün­det war.

Als 1685 Lud­wig XIV. das Tole­ran­ze­dikt von Nan­tes wider­rief und  so Zehn­tau­sen­de Huge­not­ten in die Flucht ins Aus­land trieb, beka­men die refor­mier­ten Kan­to­ne defi­ni­tiv kal­te Füs­se und sahen sich nach einem Alli­anz-Gegen­ge­wicht um. Es fand sich in den Niederlanden:
In den 1690er-Jah­ren gewähr­ten meh­re­re Orte und Zuge­wand­te den Nie­der­lan­den Wer­be­rech­te in der Eid­ge­nos­sen­schaft. In den Drei Bün­den, in Zürich und Bern, in Schaff­hau­sen, Neu­en­burg und Genf konn­ten die Nie­der­lan­de Sold­trup­pen rekru­tie­ren, sodass schon im Jahr 1700 11 200 eid­ge­nös­si­sche Söld­ner auf­sei­ten der Nie­der­lan­de im Spa­ni­schen Erb­fol­ge­krieg gegen Frank­reich ein­ge­setzt wur­den. In der ver­lust­rei­chen Schlacht von Mal­plaquet 1709, wäh­rend des Spa­ni­schen Erb­fol­ge­kriegs, bekämpf­ten sich Schwei­zer Ein­hei­ten in fran­zö­si­schen sowie in nie­der­län­di­schen Diens­ten (mit 8000 Toten) und offen­bar­ten dadurch, wel­chen Preis die Alli­anz­po­li­ti­ken einer kon­fes­sio­nell und aus­sen­po­li­tisch unei­ni­gen Eid­ge­nos­sen­schaft forderten. 

1712 schlos­sen Bern und 1713 die Drei Bün­de mit den Nie­der­lan­den eine for­mel­le Alli­anz ab. Die Eid­ge­nos­sen lie­fer­ten Söld­ner, wäh­rend die Nie­der­lan­de für den Fall eines Angriffs auf ihre Ver­bün­de­ten finan­zi­el­le Unter­stüt­zung zusag­ten. 1748 tra­ten alle refor­mier­ten Orte (ohne Basel, aber mit Gla­rus, Appen­zell Aus­ser­rho­den, St. Gal­len und Neu­en­burg) in eine Kapi­tu­la­ti­on mit den Nie­der­lan­den über ein Regi­ment der Schwei­zer­gar­de und vier Lini­en­re­gi­men­ter ein. Jetzt dien­ten ins­ge­samt mehr als 20 000 Mann für die nörd­li­chen Nie­der­lan­de(Holen­stein, Mit­ten in Europa)

1715 erneu­er­ten nur noch die katho­li­schen Orte die fran­zö­si­sche Alli­anz, und erst 1777 wur­de sie wie­der auf alle 13 Orte aus­ge­wei­tet, als die refor­mier­ten Orte nach der pol­ni­schen Tei­lung 1772 wie­der ein­mal Öster­reich zu fürch­ten begannen.

So kann André Holen­stein zu Recht festhalten:
In ihren gros­sen Lini­en spie­geln die poli­ti­schen Aus­sen­be­zie­hun­gen der Orte die wech­seln­den Mäch­te­kon­stel­la­tio­nen in Euro­pa wider. … Die eid­ge­nös­si­schen Orte unter­hiel­ten in der frü­hen Neu­zeit mit allen wich­ti­gen, ant­ago­nis­ti­schen Mäch­ten lang­fris­ti­ge Ver­ein­ba­run­gen und ver­schaff­ten sich auf die­se Wei­se Sicherheit. … 

Die mehr­sei­ti­gen Alli­an­zen der Orte kom­pen­sier­ten deren aus­sen­po­li­ti­sche und mili­tä­ri­sche Schwä­che. Die­se grün­de­te struk­tu­rell und insti­tu­tio­nell in den viel­fäl­ti­gen Inter­es­sen­ge­gen­sät­zen, die das Cor­pus hel­ve­ti­cum durch­zo­gen: die Unter­schie­de zwi­schen Städ­ten und Län­dern, zwi­schen katho­li­schen und refor­mier­ten Kan­to­nen, zwi­schen gros­sen, wirt­schaft­lich star­ken und klei­nen ärme­ren Orten. Die Inter­es­sen­ge­gen­sät­ze in der inne­ren Aus­sen­po­li­tik mach­ten eine eigen­stän­di­ge, ein­heit­li­che äus­se­re Aus­sen­po­li­tik unmöglich.

Das wirk­te sich aber für die Alte Eid­ge­nos­sen­schaft unter dem Strich als Vor­teil aus. Die inne­ren Gegen­sät­ze zwan­gen die Orte zur aus­sen- und macht­po­li­ti­schen Pas­si­vi­tät, das  “Stil­le­sit­zen”. Eine Eid­ge­nos­sen­schaft mit homo­ge­ne­ren Inter­es­sen hät­te sich wahr­schein­lich einem der Macht­blö­cke ange­schlos­sen und wäre so frü­her oder spä­ter wohl in einen der gros­sen Krie­ge hin­ein­ge­zo­gen worden.

In Frank­reich zir­ku­lier­te damals der Spruch “Point d’ar­gent, point de Suis­ses”. Die Wahr­heit dahin­ter und die extrem wich­ti­ge Rol­le, die aus­län­di­sches Geld im eid­ge­nös­si­schen poli­ti­schen Macht­ge­fü­ge spiel­te, ist das The­ma der nächs­ten Episode

am  Don­ners­tag, den 25. Novem­ber.

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Mattiello am Mittwoch 21/46
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