Was blockiert die effektive Bearbeitung der Menschheitsprobleme?
Es ist die Tatsache, dass die politische Gemeinschaft (also die Vereinten Nationen), deren Willen auf das Allgemeinwohl gerichtet ist, deswegen macht- und wirkungslos ist, weil sie durch die andere Gemeinschaft, deren Willen auf das eigene Wohl gerichtet ist, der erforderlichen Mittel beraubt ist.
Dafür sorgt das Prinzip der Exklusion oder Privation. Dieses Prinzip der Exklusion begründet auf völkerrechtlicher Ebene das Prinzip der Souveränität, das es den Nationalstaaten erlaubt, nach eigenem Willen zu entscheiden und andere davon auszuschliessen; es begründet auf privatrechtlicher Ebene das Prinzip einer Freiheit, das es den privaten Eigentümern gestattet, ihr Kapital nach eigenem Ermessen zu gebrauchen und gleichfalls andere vom Gebrauch auszuschliessen.
So verstanden ist es die Wirksamkeit der neuzeitlich-modernen Idee der Autonomie, die sich normativ in der völkerrechtlichen Gestalt der staatlichen Souveränität und in der privatrechtlichen Gestalt der freien Verfügung über das kapitalistische Eigentum ausdrückt. Sie wäre der ideelle Kern der Blockade, die den allgemeinen Willen der erforderlichen Mittel beraubt.
Soweit die Analyse. Aber worin bestünde dann die Lösung dieser Blockade?
Von Pechmann fordert die Schaffung einer neuen Ordnung des Eigentums. Es ginge darum,
eine … normativ-rechtliche Struktur zu finden, die weder auf der politischen Ebene auf dem Prinzip der staatlichen Souveränität noch auf der ökonomischen Ebene auf dem Prinzip der freien Verfügung der Privateigentümer beruht, sondern die durch jene allgemeine, auf das Allgemeinwohl gerichtete Willensgemeinschaft anerkannt wird bzw. anerkannt werden kann. Eine solche normative Ordnung des Eigentums schlösse die rechtliche Blockade aus, die gegenwärtig die Lösung der Menschheitsprobleme, der sozialen Spaltung der Weltgesellschaft in Reiche und Arme sowie der Krise des Mensch-Natur-Verhältnisses, verhindert.
Dass sich die Menschheit heute mit den Prinzipien der Exklusion, der absolut gesetzten staatlichen Souveränität und der ungehinderten freien Verfügung des Kapitals in eine Sachkgasse manövriert hat, unterstreicht auch der chinesische Philosoph Zhao Tingyang in seinem Buch “Alles unter dem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung”. Darin hält der Autor u.a. fest
Wohin man blickt, ergreift die Globalisierung alle Bereiche sämtlicher Weltregionen und gestattet keine Räume für eine unbeschwerte Existenz ausserhalb … Die Globalisierung bringt nicht nur Veränderungen in politischer Hinsicht mit sich, sondern Veränderungen im Existenz-Modus der Welt. Bei der Vorausschau auf die zukünftige Welt benötigen wir eine ihr entsprechende Daseinsordnung (order of being), eine Ordnung, welche die Inklusion der Welt realisiert. (…)
Das Konzept internationaler Politik, definiert durch die Modelle des Nationalstaaten-Systems, des Imperialismus und des Hegemonialstrebens, gerät allmählich in Widerspruch zu den Tatsachen der Globalisierung. Falls es nicht zu einer Umkehrung der Globalisierung kommt, werden die Nationalstaaten als höchste Machtinstanz und die damit verbundenen Spiele der internationalen Politik früher oder später der Vergangenheit angehören. Die sich abzeichnende Zukunft wird einer die Moderne hinter sich lassenden globalen Macht der Netzwerke und einer globalen Politik gehören. (…)
Die vergangene und gegenwärtig fortbestehende Dominierung der Welt durch Imperialmächte beruht auf dem Konzept des Staates und des nationalen Interesses. Diese Mächte hoffen auf den Fortbestand einer vom Imperialismus dominierten Welt und betrachten alles, was sich nicht an deren Aufteilung beteiligt, als zu dominierenden “Rest der Welt”. Die imperialistische Weltanschauung betrachtet die Welt als Objekt der Unterwerfung, Beherrschung und Ausbeutung und keinesfalls als politisches Subjekt.
Um die Welt nicht als Objekt, sondern als politisches Subjekt verstehen zu können, stellt Zhao Tingyang das uralte chinesische Konzept des “Tianxia” vor, das eine seiner Wurzeln im Taoismus hat. Aus dieser Sicht muss Weltpolitik … unter einem grösseren Blickwinkel als dem des Staates verstanden werden, die Welt als Ganzes muss als Massstab der Definition politischer Ordnung und politischer Legitimität dienen.
Dieses hochinteressante Prinzip des “Tianxia” werden wir später noch genauer betrachten. Es macht nämlich deutlich, dass eine neue Weltordnung jenseits des sich gegenseitig “Auffressens” und eines “One World-Governments” — Lieblings-Schreckgespenst aller Verschwörungstheoretiker — möglich ist.
Nächste Folge wie immer am kommenden Freitag, den 9. Juni
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