1648 endete der ver­heerende Dreis­sigjährige Krieg mit den Verträ­gen von Mün­ster und Osnabrück. Diese bilde­ten die Grund­lage für die radikale Umgestal­tung der poli­tis­chen Land­schaft in Europa:
Um die Geis­sel der Reli­gion­skriege für immer zu been­den, erhiel­ten die damals mehr als 300 Fürsten in Europa das Recht, nach innen friedenss­tif­tend ins­beson­dere über den Glauben ihrer “Lan­de­skinder” zu bes­tim­men (cuius regio, eius reli­gio), und nach aussen selb­st als sou­veräne, ver­tragsab­schliessende und kriegs­führende Parteien aufzutreten. Mit Recht ist daher gesagt wor­den, dass der “West­fälis­che Frieden” der Beginn des erst europäis­chen, dann inter­na­tionalen Völk­er­rechts war. 

Damit endete das feu­dale Lehenssys­tem, denn jet­zt wur­den die ehe­ma­li­gen Lehen­sträger erst­ma­lig als sou­veräne Per­so­n­en eige­nen Rechts anerkan­nt:
Es ver­schwand jene mit­te­lal­ter­liche Wil­lens­ge­mein­schaft der “chris­tian­i­tas” und mit ihr die bindende Kraft des göt­tlichen “Natur­rechts” … An dessen Stelle trat die säku­lare Idee des sou­verä­nen Einzel­staates, der nach innen Frieden stiftet und nach aussen Verträge schliesst bzw. Kriege führt. 

Daraus entwick­elte sich dank der bürg­er­lichen Rev­o­lu­tio­nen des 18. und 19. Jahrhun­derts ein Nation­al­staat mit ein­er Ver­fas­sung, der die bürg­er­lich-kap­i­tal­is­tis­che Eigen­tum­sor­d­nung garantierte und förderte, und der nach aussen die nationalen Inter­essen ver­trat, — sei es diplo­ma­tisch durch Verträge, sei es mil­itärisch durch Kriege.

Die im Völk­er­recht ver­ankerte Idee staatlich­er Sou­veränität wird … von ganz unter­schiedlichen Inter­essen getra­gen: Der sou­veräne Staat ist dem nationalen Kap­i­tal Stütze im glob­alen Konkur­ren­zkampf; … und er dient den mil­itärisch, poli­tisch und ökonomisch schwächeren Natio­nen als Mit­tel der Selb­st­be­haup­tung im Konkur­ren­zkampf der Natio­nen. … Der sou­veräne Nation­al- und Ter­ri­to­ri­al­staat ist daher heute in der Tat die “dominierende und deter­minierende Organ­i­sa­tions­form staatlich­er Herrschaft.”

Und dann legt von Pech­mann natür­lich den Fin­ger auf den wun­den Punkt:
Was sich im Hin­blick auf die Ver­gan­gen­heit zweifel­los als eine Errun­gen­schaft erwiesen hat, zeigt sich jedoch im Hin­blick auf die Zukun­ft als das entschei­dende poli­tis­che Hin­der­nis. Denn auf der einen Seite existieren die Vere­in­ten Natio­nen als supra­na­tionale Rechtsper­son, deren Sache das Wohl der Men­schheit ist, weil sie von allen Natio­nen als solche anerkan­nt ist; auf der anderen Seite jedoch behar­ren die einzel­nen Nation­al­staat­en weit­er­hin auf ihrer Sou­veränität und ver­wehren dadurch den Vere­in­ten Natio­nen, von ihrer Sache einen wirk­samen Gebrauch zu machen. … Dieses his­torisch gewor­dene völk­er­rechtliche Mod­ell drängt nach sein­er Über­win­dung

Nur: die Angele­gen­heit wird noch etwas kom­plex­er durch die Tat­sache, dass wir nicht nur zwei, son­dern drei Arten von Eigen­tümern haben:
Inner­halb des sou­verä­nen Staates hat die Klasse der pri­vat­en Eigen­tümer das Recht, über den pro­duzierten Reich­tum als Kap­i­tal frei zu ver­fü­gen und alle anderen vom Gebrauch auszuschliessen.
Der Nation­al­staat besitzt das nach aussen anerkan­nte Recht der Sou­veränität, alle anderen Staat­en von der Ein­mis­chung in ihre Angele­gen­heit­en auszuschliessen.
Auf der supra­na­tionalen Ebene find­en wir die Vere­in­ten Natio­nen, die von den Nation­al­staat­en zwar als Eigen­tümer der Erde anerkan­nt, aber macht­los sind.
Die Vere­in­ten gle­ichen so einem gewählten Kaiser — ohne Macht. 

In diesem ein- wie auss­chliessenden Ver­hält­nis nehmen die Nation­al­staat­en in der Mitte offen­bar eine Dop­pel­rolle ein: sie repräsen­tieren nach innen gegenüber dem par­tiku­laren Eigen­willen der Kap­i­taleigen­tümer den all­ge­meinen Willen, stellen nach aussen jedoch den Vere­in­ten Natio­nen gegenüber den sou­verä­nen Eigen­willen dar. 

Das Ganze scheint immer mehr einem gordis­chen Knoten zu gle­ichen. Die Frage ist, ob es wie ehe­dem für dessen Lösung einen mod­er­nen Alexan­der braucht …

Dazu mehr in der näch­sten Folge am Fre­itag, den 2. Juni.

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