Um den Widerspruch unter einen Hut zu bringen, die Natur einerseits als ein “Reservoir abgegrenzter Dinge” zu betrachten, das man nach Belieben ausbeuten kann, und andererseits zu erkennen, dass die Natur ein hochkomplexes vernetztes System ist, dem rechtlich ein Eigenwert zukommt, ist man auf die elegante Lösung gekommen, neben den gewerblich genutzten Räumen Naturschutzgebiete einzurichten:
Damit tritt gleichsam neben die praktisch-technische Welt der werktäglichen Arbeit im Gebrauch der Natur die moralisch-ästhetische Welt der sonntäglichen Erbauung an der erhabenen Natur.
(Sämtliche Auszüge aus Alexander von Pechmann, Die Eigentumsfrage im 21. Jahrhundert)
Doch von Pechmann macht klar, dass diese “elegante Lösung” keine ist, denn
sowie es — zumindest nach Heraklit — nur eine Welt gibt, so gibt es auch nicht zwei verschiedene und getrennte Naturen. einmal der Nutzung, einmal des Schutzes, sondern nur die umfassende und ungetrennte Natur.
Wie lässt sich also der Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie wirklich aufheben? Die Antwort von Pechmann’s ist radikal:
Grundsätzlich lässt sich diese Antinomie nur dann lösen, wenn der Mensch … sich nicht mehr, wie bisher, als eigenständiges Subjekt versteht, das der Natur frei gegenübertritt, um sie für seine eigenen jeweiligen Zwecke und Bedürfnisse zu gebrauchen. Denn unter dieser Voraussetzung lässt sich der Konflikt zwischen dem Gebrauch der Natur als Reservoir menschlicher Zwecke und dem Schutz und der Bewahrung der Natur als Ökosystem nicht auflösen. Zu seiner Lösung bedarf es … der “Zumutung”, dass der Mensch sich in seinen Zwecksetzungen selbst als integraler Bestandteil der Natur begreift. (…)
Dieses ökologisch erzwungene Selbstverständnis aber bedeutet, dass der Mensch sich in der Setzung seiner Zwecke nicht als frei und autonom verstehen kann — wie dies mehrheitlich von neuzeitlichen und modernen Philosoph:innen gelehrt wurde -, und dass er folglich die ihm zugehörige Sache auch nicht nach Belieben gebrauchen kann. Denn er nimmt in all seinen Handlungen je schon an den hochkomplexen stofflichen wie energetischen Kreislaufprozessen des Erdganzen teil, die er durch seine Handlungen beeinflusst. Diesen untrennbaren Zusammenhang von menschlichem Handeln und natürlicher Kausalität haben uns exemplarisch die Entstehung des Ozonlochs durch die Nutzung des Fluorchlorkohlenwasserstoffs, aber auch die vielfachen Verwendungen der Kohlenstoffverbindungen gezeigt.
Beispiel: Kunststoffe, Plastik. Schlagworte wie “Afrika versinkt im Plastikmüll” oder “Das kann kein Meer mehr schlucken: Unsere Ozeane versinken im Plastikmüll” tauchen regelmässig in den Medien auf.
Es gibt eine kleine Bevölkerungsgruppe auf dieser Erde, die kein ökologisches erzwungenes Selbstverständnis benötigt: die indigenen Völker. Sie wurden dezimiert, standen oft kurz vor dem definitiven Verschwinden. Aber sie haben die Konfrontation mit der westlichen Zivilisation überlebt — oft mit knapper Not — und erheben neu wieder ihre warnende Stimme. Das kürzlich erschienene Buch des Luzerner Historikers Aram Mattioli, “Zeiten der Auflehnung. Eine Geschichte des indigenen Widerstands in den USA” legt davon beredtes Zeugnis ab. Indigener Widerstand macht sich heute weltweit bemerkbar.
Aber auch die westliche Zivilisation war nie ein monolithischer Block: So herausragende Gestalten wie ein Franz von Assisi im 13. oder ein Thomas Berry im vergangenen Jahrhundert sind eindrückliche Beispiele dafür, dass es auch im Christentum Strömungen gab und gibt, die sich der Natur in tiefer Achtung und Dankbarkeit nähern.
Von Pechmann fordert: Die ökologische Dimension muss folglich zum konstitutiven Bestandteil eines künftigen Eigentumsrechts werden.
Doch wer soll diese Forderung durchsetzen?
Dazu mehr in der nächsten Folge am kommenden Freitag, den 27. April.
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Franz Büchler
Apr 25, 2023
Und dann noch für ganz religiöse: Genesis 1,28
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https://www.birsfaelder.li/wp/politik/genesis-128/