Der gröss­te inne­re Wider­spruch des heu­ti­gen Kapi­ta­lis­mus ist der zwi­schen der Mög­lich­keit eines uner­schöpf­li­chen Ange­bots an kos­ten­lo­sen Gütern und einem Sys­tem von Mono­po­len, Ban­ken und Staa­ten, die alles tun, damit die Güter knapp, kom­mer­zi­ell nutz­bar und in Pri­vat­be­sitz bleiben.
(Paul Mason, Post­ka­pi­ta­lis­mus — Grund­ris­se einer kom­men­den Öko­no­mie, Ber­lin 2018. Zitat aus von Pechmann)

Die mög­li­chen Kon­se­quen­zen für die lang­fris­ti­ge Dyna­mik der Ver­tei­lung von Reich­tum sind furcht­erre­gend, voll­ends dann, wenn die­ser Pro­zess durch eine Ungleich­heit der Ren­di­te ver­stärkt wird, die vom Umfang des Aus­gangs­ka­pi­tals abhän­gig ist, und wenn die Kluft zwi­schen den Ver­mö­gen im glo­ba­len Mass­stab wächst. 
(Tho­mas Piket­ty. Das Kapi­tal im 21. Jahr­hun­dert, Mün­chen 2014. Zitat aus von Pechmann)

Wer sich durch die birsfälder.li-Reihe mit den bald 40 Fol­gen zum The­ma “Eigen­tum”** durch­ge­kämpft hat, den hat viel­leicht das Gefühl beschli­chen, dass die heu­ti­ge Gesell­schafts­ord­nung ziem­lich wurm­sti­chig gewor­den ist. Es sieht ganz so aus, wie wenn wir uns in einer ähn­li­chen Situa­ti­on wie vor dem Ers­ten Welt­krieg befin­den wür­den, als die Welt, wie sie Ste­fan Zweig in “Die Welt von ges­tern” beschrieb, sich inner­halb von weni­gen Jah­ren radi­kal wan­del­te. Oder ist viel­leicht der Ver­gleich mit der vor­re­vo­lu­tio­nä­ren Zeit des Anci­en Régime oder der Wei­ma­rer Repu­blik sinnvoller?

Wie dem auch sei: Die sozia­le, macht­po­li­ti­sche, öko­no­mi­sche und kul­tu­rel­le Situa­ti­on heu­te treibt unauf­hör­lich auf einen mas­si­ven Wan­del zu. Die Fra­ge ist höchs­tens, ob zum Guten oder zum (noch) Schlech­te­ren. Schau­en wir uns mit von Pech­mann noch­mals die aktu­el­le Lage aus wirt­schaft­li­cher Sicht an:
Weit über eine Mil­li­ar­de Men­schen kämp­fen um ihr nack­tes Überleben.
● Die weit­aus gröss­te sozia­le Grup­pe sind die Lohnarbeiter:innen.
Sie sind in ihrem Han­deln auf ihre “employa­bi­li­ty”, auf den Erhalt und Ver­kauf ihrer Arbeits­kraft, kon­zen­triert, um ihre Exis­tenz zu sichern und nicht mar­gi­na­li­siert zu werden.
Ca. 10% der Welt­be­völ­ke­rung gehö­ren zur “Mit­tel­schicht” und ver­fü­gen über ein Mehr, als sie zum Leben benö­ti­gen. Sie setzt ihr Ver­mö­gen in Bil­dung und höhe­ren Genuss, Frei­zeit, Kunst und Wis­sen­schaft, sozia­le und poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on um.
Es bleibt die win­zi­ge und dis­kre­te Grup­pe der kapi­ta­lis­ti­schen Eigen­tü­mer, die ihren Reich­tum ver­wen­det, um rei­cher zu wer­den, je mehr, des­to mehr. (…) Ihr Stre­ben nach Pro­fit bil­det den ein­heit­li­chen Wil­len, der die glo­ba­le und arbeits­tei­li­ge Inbe­sitz­nah­me der Erde koor­di­niert und am Lau­fen hält. 

Die­se Auf­tei­lung ist holz­schnitt­ar­tig und könn­te nuan­cier­ter auf­ge­schlüs­selt wer­den. Aber wenn von Pech­mann Sinn und Zweck des Han­delns der vier Grup­pen skiz­ziert, liegt er ohne Zwei­fel richtig:
Wäh­rend sich im Fall der mar­gi­na­li­sier­ten Arbeits­lo­sen die Sor­ge auf die täg­li­che Erhal­tung ihres Lebens unter den wid­rigs­ten Ver­hält­nis­sen rich­tet, kon­zen­triert sich die Sor­ge im Fall der Lohn­ar­bei­ter auf die Repro­duk­ti­on ihrer Arbeits­kraft als Quel­le des Güter­er­werbs; und wäh­rend die wohl­ha­ben­de Mit­tel­schicht nach der >all­sei­ti­gen Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit< strebt, sehen die Reichs­ten offen­bar in der Reich­tums­ver­meh­rung die Quel­le ihres Glücks. Was jeweils zählt, ist in den Frak­tio­nen der Welt­ge­sell­schaft ganz ver­schie­den; sie kon­sti­tu­ie­ren dis­pa­ra­te Lebenswelten. 

Wel­che Kon­se­quenz ist aus die­ser Ana­ly­se zu zie­hen? Von Pech­mann fragt sich zu Recht, wie unter den Bedin­gun­gen der domi­nie­ren­den bür­ger­lich-kapi­ta­lis­ti­schen Eigen­tums­ord­nung die Welt­ge­sell­schaft irgend gerecht gestal­tet wer­den kön­nen soll­te. Die nahe­lie­gen­de Vor­stel­lung vom Zugang aller zu den gemein­schaft­lich erar­bei­te­ten Gütern nach dem Prin­zip der sozia­len Ver­träg­lich­keit wider­spricht nicht nur schlicht dem Bild der gegen­wär­ti­gen Welt­ge­sell­schaft; sie ent­hält auch den sozia­len Spreng­stoff, den die For­mel aus­drückt: no jus­ti­ce, no peace. Die logi­sche Kon­se­quenz ist auch in die­sem Fall die Suche nach einer ande­ren Eigen­tums­ord­nung als der bestehenden. 

Und genau das tut Alex­an­der von Pech­mann im Teil III sei­nes Buches: Die künf­ti­ge Eigentumsordnung.

Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 7. April.

** Die Serie beginnt mit Reichs­idee 47 und kann “durch­ge­klickt” werden.

An ande­ren Seri­en interessiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hei­ner Koech­lin / Simo­ne Weil / Gus­tav Mey­rink / Nar­ren­ge­schich­ten / Bede Grif­fiths / Graf Cagli­os­tro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­wo­che und Donald Trump / Die Welt­wo­che und der Kli­ma­wan­del / Die Welt­wo­che und der lie­be Gott /Leben­di­ge Birs / Aus mei­ner Foto­kü­che / Die Schweiz in Euro­pa /Die Reichs­idee /Voge­sen Aus mei­ner Bücher­kis­te / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­ba­cher  / A Basic Call to Con­scious­ness / Leon­hard Ragaz

Samstag ist Banntag
Leonhard Ragaz - Kämpfer für das Reich Gottes 20

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.