Wer die Absicht hat, die Verteilung von Arm und Reich auf der Welt etwas näher unter die Lupe zu nehmen, stellt bald einmal fest, dass Untersuchungen dazu relativ dünn gesät sind.
Eine Analyse der Welt der Reichen hat es schwer, sowohl aus Gründen des ungenügenden Datenmaterials aus auch deshalb, weil in dieser Welt Diskretion herrscht und den Reichen eine Analyse durch Nicht-Reiche missfällt. (von Pechmann)
Hans Jürgen Krymanski, Autor des Buches “0,1%. Das Imperium der Milliardäre” schreibt: Wie diese Personen (der Geldadel) zusammenwirken, ist weitgehend unerforscht. Die sozialempirische Annäherung an die Geldelite ist schwierig.
Klarer sind die Auswirkungen dieses Reichtums:
Milliardäre bestimmen — mittels eines Geflechts von Stiftungen und Organisationen und durch die Informationsindustrie — das Bildungswesen ganzer Länder; ihnen gehören Privatuniversitäten, grosse Teile des Gesundheitswesens, die wichtigsten Zeitungs‑, Fernseh- und Filmkonzerne. Sie verfügen über Privatarmeen. Wissenschaftliche Berater, Kunst- und Kulturstrategen, Politiker werden ohne grosse Umstände “eingekauft”.
Schon allein gewisse Zahlen sind eindrücklich:
Derzeit (2020) verfügt das reichste zehn Prozent der Weltbevölkerung über 80% des globalen Gesamtvermögens von ca. 350 Billionen (350’000.000.000.000) $, die arme Hälfte etwa 1,5%.
Ein Prozent der Weltbevölkerung verfügt über etwa die Hälfte des Weltvermögens, 0,1% über fast 20%, 0,01% — die Super-Mega-Reichen — über ca. 10%, d.h. 35’000’000’000’000 $.
Mithin kontrolliert ein Zehntausendstel der Weltbevölkerung als private Eigentümer ein Zehntel des global geschaffenen Reichtums. (…)
Das Vermögen, über das die Reichen verfügen, ist nach Schätzungen nur zu ca. 30–40% aus eigenen unternehmerischen “Leistungen” erworben, zu 60–70% hingegen durch Erbschaft übertragen worden. Hinsichtlich des Erwerbs des privaten Eigentums verbindet sich offensichtlich das bürgerliche Recht auf Eigentum durch eigene Leistung mit dem vorbürgerlich ständischen Recht der Vererbung durch die Familie. Der private Reichtum, so die Schätzungen, wird zunehmend weniger erworben als ererbt. (von Pechmann)
Und diese Vermögen vermehren sich umso rascher, je grösser sie sind. So ist gemäss Thomas Piketty das Durchschnittsvermögen weltweit zwischen 1987 und 2013 um 2,1% gestiegen, das Vermögen der 200 Reichsten hingegen im gleichen Zeitraum um 6.4% jährlich.
Die aus der Vergangenheit stammenden Reichtümer vermehren sich ohne Arbeit schneller als die Reichtümer, die durch Arbeit geschaffen und angespart werden (Piketty)
Die Sache der Kapitaleigentümer ist somit kein festes und bleibendes “Ding” wie etwa das Haus, eine Fabrik oder eine Summe Geldes; sie ist weder immobil noch mobil, sondern quasi automobil … Das Gesamtvermögen der Miiiardär:innen vermehrt sich derzeit um 2,5 Milliarden — pro Tag. (von Pechmann)
Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt die Tatsache, dass mindestens zehn Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts auf verschiedenen Wegen vor der Öffentlichkeit versteckt wird. 5800 Milliarden € pro Jahr gehen dank dieser Mauscheleien verloren. Allein in der EU sind es 825 Milliarden.
Panama Papers, Swiss Leaks und Pandora Papers lassen grüssen …
Abgesehen von wenigen löblichen Ausnahmen verwenden die Reichen ihren Reichtum … in einer der bürgerlich-kapitalistischen Eigentumsordnung gemässen Weise: Sie tragen Sorge, ihr privates Vermögen erstens zu erhalten, zweitens es zu vermehren und drittens es zu vererben. Sie machen mithin einen Gebrauch ihres Eigentums, der ihnen durch die Willensgemeinschaft ausdrücklich zuerkannt und zudem durch staatliche Gewalt gesichert und gewährleistet wird.
Unter diesem Eigentumsrecht ist daher in den letzten Jahrzehnten eine gigantische “Wertvermehrungsindustrie” entstanden, deren Ziel und Aufgabe es ist, den Reichtum der Reichen zu mehren. (von Pechmann)
Wie diese “Industrie” funktioniert, ist das Thema der nächsten Folge am Freitag, den 3. März!
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Elisabeth Hischier
Feb. 24, 2023
Es ist ja unglaublich, was da innerhalb dieser “Mehrwertindustrie” abgeht! Eigentlich weiss/ahnt man es ja. Doch wenn Max Feurer diese Zahlen wieder einmal benennt und den Mechanismus kurz und vorständlich darstellt, ist das hilfreich und heilsam. Bravo Max!
Ich bin gespannt auf die weitere Folge.
Franz Büchler
Feb. 24, 2023
Dass sich die Situation zwischen Arm und Reich immer weiter zuspitzt, hatte sogar schon Frau Christine Lagarde, die einst geschäftsführende Direktorin des IWF (der wahrlich keine linke, soziale Institution ist) festgestellt: Es sei notwendig, mehr für die Arbeitnehmenden mit mittleren und unteren Einkommen zu tun!
(Gelesen im http://www.birsfälder.li)