Dass die Produktion von Gütern sich seit Längerem in ein global vernetztes System der Massenproduktion verwandelt hat, ist heute eine Binsenwahrheit. Von Pechmann spricht von einem weltweit kollektiven und einheitlichen Gesamtwillen, der die arbeitsteilige Herstellung der Einzelteile zum Endprodukt anleitet und koordiniert. Ohne das Faktum eines solchen einheitlichen Willens fände keine Kooperation der Arbeit statt, die zweckgerichtet schliesslich in einem für die Konsumtion nützlichen Gut mündet. (…)
Jedenfalls vollzieht sich unter den gegenwärtigen Umständen einer massenhaften Güterproduktion die Herstellung nicht mehr — wenn je — als ein individueller Vorgang, sondern als ein kollektiver und globaler Prozess. Die Inbesitznahme der natürlichen Dinge und die gewaltsame Einwirkung auf sie zum Zwecke ihrer Umwandlung in nützliche Güter bilden heute eine Kette von zahlreichen Einwirkungen, die den ganzen Globus umspannen.
Von Pechmann folgert daraus,
dass im Bereich der Produktion unter den heutigen Bedingungen der Besitzer die Menschheit und das in Besitz Genommene die Erde bzw. deren Oberfläche ist. In historischer Perspektive haben die Menschen sich heute in der Tat die Erde untertan gemacht.
Um einem Missverständnis vorzubeugen: Hier kommt wieder der Unterschied zwischen Besitz und Eigentum ins Spiel. Als Ausbeuter der Bodenschätze z.B. haben wir die Erde als Menschheit “in Besitz genommen”. Wer die Eigentümer der Minen sind, seien es private Investoren oder ein Staat, steht hier (noch) nicht zur Diskussion.
Dem birsfaelder.li-Schreiberling — und vielleicht auch den geneigten Leserinnen und Lesern — drängen sich angesichts der Ausführungen von Pechmanns Fragen auf:
● Was ist unter diesem “kollektiven und einheitlichen Gesamtwillen” zu verstehen, der die arbeitsteilige Produktion von Gütern koordiniert? Ist das ein bewusster Wille oder einfach eine Programmierung, immer mehr möglichst effizient produzieren zu wollen / zu müssen? Inwiefern bin ich als Individuum automatisch Teil davon?
● “Macht euch die Erde untertan” (Genesis 1,28) lautet bekanntlich der Auftrag Gottes an die Menschen im Alten Testament. Helfen wir also mit der global vernetzten Massenproduktion mit, ihn zu erfüllen? Oder ist mit diesem Auftrag vielleicht etwas ganz anderes gemeint, als die Erde mittels Ausbeutung und Massenproduktion “in Besitz zu nehmen”?
Dieser Meinung scheint Papst Franziskus zu sein, wenn er in der Einleitung seiner Umwelt-Enzyklika Laudato si festhält,
»Laudato si’, mi’ Signore – Gelobt seist du, mein Herr«, sang der heilige Franziskus von Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnerte er uns daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt: »Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter«.
Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in dem Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und Herrscher seien, berechtigt, sie auszuplündern. Die Gewalt des von der Sünde verletzten menschlichen Herzens wird auch in den Krankheitssymptomen deutlich, die wir im Boden, im Wasser, in der Luft und in den Lebewesen bemerken. Darum befindet sich unter den am meisten verwahrlosten und misshandelten Armen diese unsere unterdrückte und verwüstete Erde, die »seufzt und in Geburtswehen liegt« (Röm 8,22). Wir vergessen, dass wir selber Erde sind (vgl. Gen 2,7). Unser eigener Körper ist aus den Elementen des Planeten gebildet; seine Luft ist es, die uns den Atem gibt, und sein Wasser belebt und erquickt uns.
Schauen wir doch einmal, was von Pechmann über die Gewinnung von Rohstoffen aus der Litosphäre (die Erdkruste und der oberste Teil des Erdmantels) zu erzählen weiss:
Am Beginn der Produktionsketten steht die Gewinnung von Rohstoffen. Sie bezeichnet die Inbesitznahme des Bodens und die Abtrennung der Stoffe aus dem Erdganzen, … So werden aus der Litosphäre durch Raffination die mineralischen, metallischen und fossilen Rohstoffe wie Zement oder Sand, Gold, Eisen oder seltene Erden, Kohle oder Öl gewonnen. (…)
Zu dieser Rohstoffgewinnung werden ständig bislang unberührte Teile des Erdreichs in Besitz genommen. Jedes Jahr werden weit über zwei Milliarden Tonnen Eisen, über 15 Millionen Tonnen Kupfer, 32 Millionen Tonnen Aluminium gefördert. Insgesamt beträgt der globale Verbrauch an metallischen und mineralischen Rohstoffen derzeit jährlich über 60 Milliarden Tonnen. Da nun aber der Litosphäre für die Erzeugung von einem Kilogramm Stahl durchschnittlich acht Kilogramm Gestein, von einem Kilogramm Kupfer 384 Kilogramm und von einem Kilogramm Aluminium 37 Kilogramm Gestein entnommen werden, werden zur Gewinnung dieser Rohstoffe Jahr für Jahr schätzungsweise über eine Billion (1 000 000 000 000) Tonnen Erdmaterial durchwühlt, werden Wälder gerodet, bestehende Landschaften vernichtet und verseucht sowie Dörfer und Städte umgesiedelt. Für das Jahr 2040 wird prognostiziert, dass der globale Rohstoffbedarf auf ca. 100 Milliarden Tonnen steigen wird.
In der nächsten Folge am Freitag, den 9. Dezember schauen wir und die nächsten Produktionsschritte an.
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