Mit der Fra­ge “Was aber mache ich, wenn sich sämt­li­che Apfel­bäu­me schon in ande­rem Besitz befin­den?” ende­te die letz­te Fol­ge. Ant­wort: Ich stel­le dem Apfel­baum­be­sit­zer mei­ne Arbeits­kraft zur Ver­fü­gung, indem ich beim Apfel­pflü­cken hel­fe, —  und erhal­te dafür einen Lohn.

Womit wir bei der kapi­ta­lis­tisch-bür­ger­li­chen Eigen­tums­ord­nung ange­langt wären. Sie ist dann kapitalistisch,
wenn neben der genann­ten Form (sie­he letz­te Fol­ge) eine zwei­te Form des pri­va­ten Eigen­tums exis­tiert, die nicht in Gestalt äus­se­rer Güter, son­dern in Gestalt inne­rer Fähig­kei­ten besteht. In ihr neh­men die­se Fähig­kei­ten recht­lich die Form einer Sache an, die dem Eigen­tü­mer als Per­son zuge­hört, die er aber nicht selbst gebraucht, son­dern die er, als Ware, gegen Ent­loh­nung zeit­wei­lig an ande­re ver­äus­sert. … Der Gebrauch die­ser Fähig­kei­ten, die Arbeit, wird öko­no­misch zur Lohn­ar­beit für ande­re. Die kapi­ta­lis­ti­sche Eigen­tums­ord­nung besteht dem­nach aus zwei ganz ver­schie­de­nen Klas­sen des pri­va­ten Eigen­tums: äus­se­re Güter als Wer­te und inne­re Fähig­kei­ten als “Diens­te”. (Sämt­li­che Aus­zü­ge aus Alex­an­der von Pech­mann, Die Eigen­tums­fra­ge im 21. Jahrhundert)
Oder um es mit Karl Marx zu sagen: “Statt Waren ver­kau­fen zu kön­nen, wor­in sich sei­ne (des Men­schen) Arbeit ver­ge­gen­ständ­licht hat, muss er viel­mehr sei­ne Arbeits­kraft selbst, die nur in sei­ner leben­di­gen Leib­lich­keit exis­tiert, als Ware feilbieten.”

Auf­grund die­ser zwei ver­schie­de­nen Eigen­tums­for­men exis­tiert die kapi­ta­lis­ti­sche Gesell­schaft not­wen­dig aus zwei Klas­sen von Eigen­tü­mern, den Lohnarbeiter:innen und den Kapitalist:innen. Denn die Lohnarbeiter:innen erhal­ten durch den Ver­kauf ihrer Fähig­kei­ten den­je­ni­gen Wert als Lohn, der es ihnen erlaubt, ihre Sache, ihre Fähig­kei­ten als Arbeits­kraft, wie­der­her­zu­stel­len, um sie erneut zu verkaufen.

Die Kapitalist:innen hin­ge­gen erhal­ten durch den Kauf die­ser Fähig­kei­ten das Recht, durch ihren Gebrauch in der Arbeits­zeit den Wert ihres pri­va­ten Eigen­tums zu ver­meh­ren bzw. als Kapi­tal zu ver­wer­ten. Infol­ge die­ser Tren­nung von Arbeit und Pri­vat­ei­gen­tum ist es daher so, dass die eine Klas­se der Eigen­tü­mer in öko­no­mi­scher Hin­sicht zwar durch ihre Arbeit in der Tat die Wer­te schafft, dass sie in recht­li­cher Hin­sicht jedoch von dem Wert­teil aus­ge­schlos­sen ist, dem Mehr­wert, den die ande­re Klas­se sich als Pro­fit aneignet. 

Wäh­rend daher die eine Klas­se der Eigen­tü­mer mit­tels des Ver­kaufs ihrer Sache, der Arbeits­kraft, deren Wert erhält, ver­mehrt die ande­re Klas­se mit­tels des Kaufs der Arbeits­kraft ihre Sache, den Wert. Dem­entspre­chend gibt es in der bür­ger­lich-kapi­ta­lis­ti­schen Eigen­tums­ord­nung zwei ver­schie­de­ne Ein­kom­mens­quel­len: den Lohn als Ent­gelt für die geleis­te­te Arbeit und den Pro­fit als “Frucht” des ein­ge­setz­ten Kapitals.

Ist damit die Defi­ni­ti­on von John Locke, dass es die Arbeit sei, durch die pri­va­tes Eigen­tum erwor­ben wer­de, hin­fäl­lig gewor­den? — Natür­lich nicht: Es ist ein­fach nicht die eige­ne Arbeit, son­dern die Arbeit anderer.

Mit einem klei­nen Trick kann ein Kapi­ta­list abends aber trotz­dem mit gutem Gewis­sen ins Bett stei­gen: Er defi­niert “Arbeit” ein­fach etwas gross­zü­gi­ger, z.B. als das Bereit­stel­len von Kapi­tal oder Boden oder die Trans­ak­tio­nen auf Akti­en- und Devisenmärkten.
Damit aber liegt in der kapi­ta­lis­ti­schen Eigen­tums­ord­nung die Ten­denz, dass sie nicht mehr bür­ger­lich, den “Arbeits­sa­men und Fleis­si­gen”, son­dern kapi­ta­lis­tisch, den Inter­es­sen der Spe­ku­lan­ten und Jon­gleu­ren der pri­va­ten Wert­ver­meh­rung, dient. 

Alex­an­der von Pech­mann fasst schliess­lich den Unter­schied zwi­schen dem römi­schen, dem christ­lich-mit­tel­al­ter­li­chen und dem bür­ger­li­chen Eigen­tums­recht noch ein­mal kon­zis zusammen:
Setzt man die Zuge­hö­rig­keit von Per­son und Sache, wie sie nach die­sen drei Rechts­tra­di­tio­nen bestimmt wird, ins Bild, so ist nach dem ers­ten Ver­ständ­nis der Patri­arch, als Haus­halts­vor­stand oder Unter­neh­mer, das Leit­bild, d.h. der Herr, der in sei­ner Domä­ne unein­ge­schränkt wal­tet. Für das zwei­te Ver­ständ­nis bie­tet sich der recht­schaf­fe­ne Sach­ver­wal­ter als Leit­bild an, dem das Recht auf pri­va­tes Eigen­tum zugleich ethisch-sozia­le Ver­pflich­tung ist. Nach dem drit­ten Ver­ständ­nis sind es die Fleis­si­gen oder Leis­tungs­be­rei­ten, die die Früch­te ihrer Arbeit mit Recht genies­sen und meh­ren wollen. 

Dass wir mit der heu­ti­gen neo­li­be­ra­len Wirt­schafts­ord­nung und dem Kasi­no-Kapi­ta­lis­mus vom letz­te­ren Ide­al­bild inzwi­schen mei­len­weit ent­fernt sind, braucht wohl nicht beson­ders betont zu werden.

Umso inter­es­san­ter ist, dass es neben dem Pri­vat­ei­gen­tum immer auch den Tra­di­ti­ons­strang des Gemein­ei­gen­tums gege­ben hat. Ihm wen­den wir uns in der nächs­ten Fol­ge zu, und dies wie immer in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 21. Oktober.

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