Heu­te hat das Wort “Kom­mu­nis­mus” ange­sichts der Kata­stro­phe eini­ger Jahr­zehn­te “real exis­tie­ren­der Sozia­lis­mus” einen üblen Nach­ge­schmack. Es genügt, ein paar weni­ge “High­lights” — Josef Sta­lin, Mao Tse Tung, Pol Pot — her­vor­zu­he­ben. Um die Wen­de vom 19. zum 20. Jahr­hun­dert war es zwar schon ein gewal­ti­ger Bür­ger­schreck, aber doch mit der Visi­on einer frei­en und sozi­al gerech­ten Gesell­schaft verbunden.

Aber wem ist bewusst, dass im Mit­tel­al­ter die Kir­che durch­aus kom­mu­nis­ti­sche Ideen ver­trat? Aller­dings nicht ganz nach dem Geschmack von Karl Marx:
Die christ­li­che Wil­lens­ge­mein­schaft, die chris­tia­ni­tas, die sich seit dem frü­hen Mit­tel­al­ter in Euro­pa aus­brei­te­te, erkann­te weder die civi­tas noch die ein­zel­nen Bür­ger, son­dern nur eine Per­son, den drei­ei­n­i­gen Gott, als den wah­ren Eigen­tü­mer von allem (princi­pa­le domi­ni­um omni­um rer­um) an. Die ihm zuge­hö­ri­ge Sache war die gan­ze Welt; und er hat­te, als guter Gott, durch sei­nen Wil­len die Erde mit allem, was sie ent­hält, den Men­schen zum gemein­schaft­li­chen Besitz gege­ben. Die noch in spät­rö­mi­scher Zeit wir­ken­den Kir­chen­vä­ter haben daher in der Pri­va­ti­sie­rung des Bodens eine eigen­mäch­ti­ge Ver­än­de­rung der gott­ge­woll­ten Güter­ord­nung durch den Men­schen gese­hen und das Pri­vat­ei­gen­tum ver­dammt, weil es zu Hab­gier und Armut sowie zur Unord­nung füh­re. ((Sämt­li­che Aus­zü­ge aus Alex­an­der von Pech­mann, Die Eigen­tums­fra­ge im 21. Jahrhundert)

Kai­ser und Köni­ge waren die irdi­schen Stell­ver­tre­ter des unsicht­ba­ren Got­tes, und dank des­sen Gna­de ein­fach die Ver­wal­ter des gemein­schaft­li­chen Guts. Ganz im Gegen­satz zum römi­schen “pater fami­li­as”, der unein­ge­schränk­tes Ver­fü­gungs­recht über sei­nen Besitz hat­te und nach Belie­ben mit ihm ver­fah­ren konn­te — z.B. ein paar Skla­ven töten — hat­ten sie die Pflicht, das ihnen anver­trau­te Gut zum Woh­le der Gemein­schaft zu pfle­gen und zu meh­ren. Aus die­ser Ver­pflich­tung ent­sprang des Lehens­recht (feu­dum), das in den Regeln der Über­tra­gung des Guts vom Kai­ser oder König auf sei­ne Vasal­len bestand. Die einen oder andern geneig­ten birsfaelder.li-LeserInnen haben viel­leicht noch aus dem Schul­un­ter­richt die berühmt-berüch­tig­te Lehens­py­ra­mi­de in Erinnerung.

Berüch­tigt des­halb, weil das heh­re Ide­al sich schon bald in eine gewal­ti­ge Unter­drü­ckungs­ma­schi­ne­rie ver­wan­del­te, bei der auch die Kir­che fröh­lich mit­wirk­te. Immer wie­der auf­bre­chen­de Bau­ern­auf­stän­de waren die Fol­ge. Sogar ein Mar­tin Luther, der sich zwar gegen die spi­ri­tu­el­le Knecht­schaft in der Kir­che auf­lehn­te und “den frei­en Chris­ten­men­schen” pre­dig­te, war nicht mehr fähig, sich ange­sichts der real exis­tie­ren­den aus­beu­te­ri­schen Feu­dal­ord­nung eine sozi­al gerech­te­re Gesell­schafts­ord­nung vor­zu­stel­len. Sei­ne Unter­stüt­zung der Fürs­ten im bru­ta­len Kampf gegen die Bau­ern wäh­rend des gros­sen deut­schen Bau­ern­kriegs bleibt für immer ein rie­si­ger Schand­fleck in sei­nem Leben.

1648 — nach dem 30-jäh­ri­gen Krieg, der Urka­ta­stro­phe auf deut­schem Boden — eta­blier­ten sich die Vasal­len defi­ni­tiv als selb­stän­di­ge Ter­ri­to­ri­al­fürs­ten und lies­sen den ursprüng­li­chen Reichs­ge­dan­ken zu einem Sche­men wer­den, dem Napo­le­on schliess­lich — zu Recht — den Todes­stoss gab.

Dank dem Auf­blü­hen der Städ­te, des Gewer­bes und des Han­dels setz­te schon im 12./13. Jahr­hun­dert eine Debat­te um das pri­va­te Eigen­tums­recht ein. Sie wur­de damals selbst­ver­ständ­lich im kirch­li­chen Rah­men geführt, — und da gab es durch­aus ver­schie­de­ne Ansichten:
Der Domi­ni­ka­ner Tho­mas von Aquin etwa argu­men­tier­te, dass die irdi­schen Güter den Men­schen zwar von Gott in der Tat gemein­sam gege­ben sei­en, dass es aber in con­cre­to durch­aus not­wen­dig sei, zwi­schen den Gütern zu unter­schei­den, deren Gebrauch allen mög­lich sein muss (usus com­mu­nis), und den Gütern, deren Ver­fü­gungs­recht dem Ein­zel­nen zusteht. Ein sol­ches Ver­fü­gungs­recht för­de­re als Recht der Vor­sor­ge und Ver­wal­tung … die Freih­heit des Ein­zel­nen und sei für die Exis­tenz der Fami­lie und damit der Gesell­schaft ins­ge­samt förderlich.
Aller­dings ord­ne­te Tho­mas die­ses pri­va­te Ver­fü­gungs­recht unmiss­ver­ständ­lich dem Gemein­be­sitz unter. (…) Die­ses Recht grün­de zum einen in der kor­rup­ten Natur des Men­schen nach dem Sün­den­fall, aus der sein Inter­es­se am eige­nen Wohl resul­tie­re; es gehe zum ande­ren jedoch aus der ver­nünf­ti­gen Über­le­gung und aus der Über­ein­kunft her­vor, dass es zweck­mäs­si­ger sei, die Vor­sor­gen und Ver­wal­tung gewis­ser Din­ge pri­vat zu orga­ni­sie­ren. Es fin­de jedoch sei­ne Gren­ze da, wo es mit dem natür­li­chen Recht des gemein­sa­men Wohls in Wider­spruch tritt.

Ganz ande­rer Mei­nung war hin­ge­gen der Fran­zis­ka­ner Duns Sco­tus.
Er insis­tier­te, dass die Inbe­sitz­nah­me natür­li­cher Din­ge nie­mals ein voll­stän­di­ges und exklu­si­ves Eigen­tums­recht gene­rie­ren kön­ne, son­dern dass sie stets nur zu einem vor­läu­fi­gen und zeit­lich befris­te­ten Recht zum Gebrauch der Din­ge füh­re, die für das Über­le­ben not­wen­dig sind .… Das pri­va­te Eigen­tum hin­ge­gen … sei nichts ande­res als eine Insti­tu­ti­on des von Fürs­ten erfun­de­nen und gesetz­ten Rechts (…)
Nach fran­zis­ka­ni­scher Inter­pre­ta­ti­on des Natur­rechts gab es dem­nach kein Ver­fü­gungs- und Nut­zungs­recht an den von Gott für alle Men­schen glei­cher­mas­sen geschaf­fe­nen Din­gen, das etwa das Recht zum Tausch und gewinn­brin­gen­den Han­del oder gar zu Miss­brauch und Zer­stö­rung einschlösse.

Was ist von die­sen Über­le­gun­gen in die heu­ti­ge Eigen­tums­de­fi­ni­ti­on eingeflossen?

In die gegen­wär­ti­ge Defi­ni­ti­on ist das mit­tel­al­ter­li­che Eigen­tums­ver­ständ­nis dort ein­ge­gan­gen, wo das pri­va­te Eigen­tum zwar als ein Recht des frei­en Gebrauchs der Din­ge ver­stan­den, die­ser Gebrauch aber zugleich an die sozia­le Ver­pflich­tung gebun­den wird. Die Zuge­hö­rig­keit der Sache zur Per­son wird hier nicht im Sin­ne einer exklu­si­ven und unbe­schränk­ten Ver­fü­gungs­macht, son­dern als eine ›ver­ant­wor­te­te Frei­heit‹ oder als ›Frei­heit in Ver­ant­wor­tung‹ im Gebrauch der Güter aus­ge­legt. Nach ihr ist das Recht der Ent­schei­dungs­frei­heit des Ein­zel­nen zugleich mit der Ver­ant­wor­tung der Per­son für die sozia­len Fol­gen des Gebrauchs ver­bun­den. In die­ser Rechts­tra­di­ti­on, die heu­te vor allem in der katho­li­schen Sozi­al­leh­re wirk­sam ist, gilt das pri­va­te Eigen­tum zum einen als ein Grund­recht, das der Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit dient, das zum ande­ren jedoch den Gebrauch der Din­ge an das All­ge­mein­wohl bin­det. Daher kann der Staat als Hüter des Gemein­wohls dem pri­va­ten Eigen­tü­mer aus Grün­den des Gemein­wohls das Eigen­tum ent­zie­hen und den Gebrauch der Din­ge durch Geset­ze beschränken.

Nach die­sem Exkurs ins Mit­tel­al­ter wid­met sich die nächs­te Fol­ge der bür­ger­lich-kapi­ta­lis­ti­schen Eigen­tums­ord­nung, und dies wie immer in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 7. Oktober

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