Um die Jahr­tau­send­wen­de beschwor Kofi Ann­an, der dama­li­ge UNO-Gene­ral­se­kre­tär, die Welt­ge­mein­schaft mit der For­de­rung: We must do more than talk about our future … We must start to crea­te it, now!

Alex­an­der von Pech­mann aner­kennt, dass seit­her zwar gewis­se Anstren­gun­gen unter­nom­men wur­den, aber
den­noch ist die »com­mon visi­on«, die Kofi Ann­an in sei­ner Rede beschwor, ein weit­ge­hend uner­füll­ter Wunsch geblie­ben. Trotz aller umwelt­po­li­ti­scher Beschlüs­se und tech­ni­scher Maß­nah­men geht der Raub­bau an der Natur wei­ter, hat sich der Aus­stoß der Treib­haus­ga­se in den letz­ten 30 Jah­ren nahe­zu ver­dop­pelt, neh­men Wet­ter­ex­tre­me wei­ter zu und wird in wei­ten Tei­len der Erde das Trink­was­ser knapp. Unge­ach­tet aller finanz- und wirt­schafts­po­li­ti­schen Bemü­hun­gen der inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen fin­det, ver­stärkt durch die natio­na­len und inter­na­tio­na­len Kri­sen, wei­ter­hin die Umver­tei­lung des Reich­tums von unten nach oben statt, und alle ernst­zu­neh­men­den Ana­ly­sen der Welt­wirt­schaft pro­gnos­ti­zie­ren, dass sich die­se Trends in Zukunft fort­set­zen wer­den. Klimaforscher:innen gehen von der Erwär­mung des Kli­mas um bis zu 4°Celsius aus und Ökonom:innen sehen, bei gleich­blei­ben­den Umstän­den, eine wei­te­re Kon­zen­tra­ti­on des welt­wei­ten Ver­mö­gens in den Hän­den weni­ger voraus.

Pech­mann erklärt sich die­se Lethar­gie aus dem grund­le­gen­den Wider­streit zwi­schen dem guten Wil­len der Welt­ge­mein­schaft und den wirt­schaft­li­chen  Struk­tu­ren, wel­che die Kri­sen, die über­wun­den wer­den sol­len, ver­ur­sacht. Es ist der Wider­streit zwi­schen einem “Sol­len”, das unser Han­deln nach ein­sich­ti­gen und guten Grün­den bestimmt, und einem Sein, das durch objek­ti­ve Kau­sa­li­tä­ten deter­mi­niert ist: Es soll nach Vor­schrif­ten und Regeln gehan­delt wer­den, nach denen die Mensch­heits­pro­ble­me zu lösen wären, die sich mit den Grund­be­grif­fen der öko­lo­gi­schen Nach­hal­tig­keit sowie der sozia­len Gerech­tig­keit fas­sen las­sen; aber es exis­tie­ren Struk­tu­ren und Mus­ter der öko­no­mi­schen Repro­duk­ti­on, durch die die zu lösen­den Pro­ble­me her­vor­ge­bracht wer­den. Der Gegen­satz zwi­schen dem, was sein soll, und dem, was erwart­bar sein wird, erscheint daher so, als wür­de ein Han­deln, wel­ches das Gute will, sich als ohn­mäch­tig gegen­über der vor­han­de­nen Rea­li­tät erwei­sen, die das erwart­bar Schlech­te, den Ver­lust intak­ter Lebens­for­men, pro­du­ziert. Die bestehen­den Insti­tu­tio­nen sind offen­bar nicht dar­auf aus­ge­rich­tet, eine sol­che glo­ba­le und inter­ge­nera­tio­nel­le Her­aus­for­de­rung bear­bei­ten und meis­tern zu können.

Wie her­aus­kom­men aus die­ser Blo­cka­de, die letzt­lich das Über­le­ben der Mensch­heit aufs Spiel setzt?

Von Pech­mann stellt drei Stra­te­gien vor, die heu­te als Lösung des Pro­blems vor­ge­schla­gen werden:
Wir müs­sen mehr Ver­trau­en fas­sen in die Lös­bar­keit der glo­ba­len Pro­ble­me, die mehr­heit­lich tech­ni­scher Natur sind. So erscheint die Lösung des Umwelt­pro­blems als eine Auf­ga­be des »öko­lo­gi­schen Umbaus« der welt­wei­ten Pro­duk­ti­ons­struk­tur, wie er in den letz­ten Jahr­zehn­ten im Begriff der »Green Eco­no­my« oder der »sus­tainab­le pro­duc­tion« zusam­men­ge­fasst wur­de.  Auch die Lösung der sozia­len Fra­ge kann dank einer Len­kung der welt­wei­ten Finanz­strö­me aus dem rei­chen Nor­den in den armen Süden ins­be­son­de­re durch inter­na­tio­na­le Insti­tu­te wie die Welt­bank, durch die Ent­wick­lungs­hil­fe der rei­chen Natio­nen oder durch pri­va­te Stif­tun­gen der Ver­mö­gen­den gelöst werden.
Bill Gates: Wir müs­sen vor­wärts­mar­schie­ren und über neue Erfin­dun­gen nach­den­ken, mit denen wir das Pro­blem und letzt­lich die kom­pli­zier­te Erde in den Griff krie­gen. ((Der Spie­gel 9/2015, 67))
Inves­tor Frank The­len: Ich bin total posi­tiv, weil ich glau­be, dass die Mensch­heit ihre gros­sen Pro­ble­me durch Tech­no­lo­gie lösen wird. Und ich freue mich auf die Zukunft. Ich mei­ne, wie geil ist das, wenn ich ein­fach in ein Flug­ta­xi ein­stei­gen kann? Oder, wenn ich weiss, ich esse ein super lecke­res Steak, das die­sen Pla­ne­ten über­haupt nicht nega­tiv beein­flusst, weil es aus dem Labor stammt?” ((Der Spie­gel 36/2020, 64))
Das Ein­zi­ge, was not tut, ist also Wage­mut und Tatkraft.

● Es ist das man­geln­de Wis­sen über die künf­ti­ge Situa­ti­on der Mensch­heit, wenn wir so wei­ter machen wie bis­her, das für die Sta­gna­ti­on ver­ant­wort­lich ist. Das Haupt­pro­blem ist also kogni­ti­ver Art: Es braucht mehr Infor­ma­ti­on, mehr Sta­tis­ti­ken, mehr Model­le zukünf­ti­ger Ent­wick­lun­gen (und Kata­stro­phen). Wir machen wei­ter auf unse­rem selbst­zer­stö­re­ri­schen Pfad, weil wir uns der zukünf­ti­gen Fol­gen unse­res jet­zi­gen Han­dels ganz ein­fach nicht bewusst sind.
Al Gore (ehe­ma­li­ger Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat in den USA, von Geor­ge Bush jr. lei­der dank eines bil­li­gen Tricks um sei­nen Sieg gebracht):
Die gröss­te Gefahr für unse­re Umwelt besteht nicht in der glo­ba­len Bedro­hung selbst, son­dern in unse­rer Wahr­neh­mung die­ser Bedro­hung, denn die meis­ten Men­schen wol­len den Ernst der Lage nicht wahrhaben.

● Weder die psy­chi­sche Ver­fasst­heit noch das feh­len­de Wis­sen sind die wah­ren Hemm­schu­he für unser Han­deln, son­dern unser Anthro­po­zen­tris­mus — unse­re “Nabel­schau” sozu­sa­gen -, ver­bun­den mit Ego­is­mus und Herrsch­sucht sowohl über die Natur als auch über ande­re Men­schen. Es gilt des­halb, end­lich unse­re Gleich­gül­tig­keit ange­sichts des Arten­ster­bens und der Zer­stö­rung der letz­ten “grü­nen Lun­gen” die­ser Erde abzu­le­gen. Es gilt, auf­zu­ste­hen gegen das sozia­le Unrecht, unter dem Aber­mil­lio­nen lei­den. Nötig ist ein grund­le­gen­der Wan­del in unse­rer ethi­schen Gesin­nung und unse­rem Verhalten.
Papst Fran­zis­kus: Vie­le Din­ge müs­sen ihren Lauf neu ori­en­tie­ren, vor allem aber muss die Mensch­heit sich ändern. Es fehlt das Bewusst­sein des gemein­sa­men Ursprungs, einer wech­sel­sei­ti­gen Zuge­hö­rig­keit und einer von allen geteil­ten Zukunft. Die­ses Grund­be­wusst­sein wür­de die Ent­wick­lung neu­er Über­zeu­gun­gen, Ver­hal­tens­wei­sen und Lebens­for­men erlauben.

Von Pech­mann: Auch wenn es zwi­schen die­sen drei hier sche­ma­tisch benann­ten Typen zwei­fel­los Ver­bin­dun­gen und Über­schnei­dun­gen gibt, so sind sie doch gemein­sam dadurch geprägt,dass sie die Ursachen,welche die bestehen­de Kluft zwi­schen Tun und Las­sen erklä­ren, in die sub­jek­ti­ve Struk­tur des Men­schen set­zen, in des­sen psy­chi­sche Dis­po­si­ti­on, in den Wis­sens­stand sei­nes Bewusst­seins oder in die Beschaf­fen­heit sei­ner ethi­schen Gesin­nung. Alle­mal ist es der Mensch, sind ›wir‹ es, die die erfor­der­li­che Trans­for­ma­ti­on vom gegen­wär­ti­gen Seins- in den erfor­der­li­chen Sol­lens­zu­stand ermög­li­chen bzw. verhindern.

Und er meint, dass alle drei Stra­te­gien nicht in der Lage sind, eine grund­le­gen­de Trend­um­kehr in die Wege zu leiten.

Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am Frei­tag, den 26. August.

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