Alle wollen die Schweiz nach ihren Vorstel­lun­gen gestal­ten. Möglichst still und leise. Aber wenn es nicht anders geht, laut und schrill, mit Dro­hun­gen. Die Rede ist von den Wirtschaftsver­bän­den, den Bauern­ver­bän­den, den Patri­otin­nen und Patri­oten, von poli­tis­chen Grup­pierun­gen bis zu ges­tande­nen Parteien.
Ich wage hier einen Ver­such, diese Gefahren zu skizzieren.

Ein­stiegs­the­ma für die ersten Fol­gen: Wie Faschis­mus begin­nt.
Jason Stan­ley beschreibt in seinem Buch »Wie Faschis­mus funk­tion­iert« zehn Merk­male des Faschis­mus. So qua­si ein Merk­blatt, mit dem man Faschis­mus eruieren kön­nte. Ich gehe die einzel­nen Punk­te in den fol­gen­den Artikeln mit Beispie­len durch. Nicht jed­er dieser Punk­te führt zu Faschis­mus, aber all diese Punk­te »auf einem Haufen«, z.B. bei ein­er Bewe­gung oder Partei ist möglicher­weise der Beginn von Faschis­mus.

Punkt 1: Die mythis­che Ver­gan­gen­heit
Jede Nation hat ihre Mythen, ihre Verk­lärung ein­er schö­nen Ver­gan­gen­heit. Die faschis­tis­che Ver­sion eines nationalen Mythos aber braucht Grösse und Macht.

Einige Beispiele der Verk­lärung der Ver­gan­gen­heit:

Vertrei­bung der frem­den Her­ren, der Vögte
Der viel zitierte »Bur­gen­bruch« von Aegid­ius Tschudin im 16 Jh. auf Neu­jahr 1308 fest­gelegt, kon­nte his­torisch nie nachgewiesen wer­den …

Wir wollen frei sein, wie die Väter waren
Für den Rütlis­chwur gibt es keine zeit­genös­sis­chen Belege, keine Aufze­ich­nun­gen. Er hat aber einiges zur Entwick­lung der nationalen Iden­tität beige­tra­gen. Auch dank Friedrich Schiller! Und Gen­er­al Guisans Rap­port in ein­er Krisen­si­t­u­a­tion fand natür­lich auf dem Rütli statt.

Keine frem­den Richter und Gerichte
Wenn ein Land demokratisch bes­timmt sich in gewis­sen Fällen einem »frem­den« Recht und Gericht unter­stellt, z.B. der Europäis­chen Men­schen­Recht­sKon­ven­tion (EMRK), ist es kein fremdes, son­dern ein gewolltes Recht und Gericht.
Darum ist es auch nicht halt­bar, wie der Bun­desrat und das Par­la­ment auf das Urteil im Falle der Kli­maSe­nior­in­nen reagiert hat.
Und warum sind denn »fremde Gerichte« immer nur in der Diskus­sion, wenn es um Men­schen­rechte geht, aber nicht, wenn es um mehr oder weniger »pri­vate Han­dels­gerichte« geht?

Wil­helm Tell
Immer wieder beschworen in den Erstau­gus­tre­den: Der Frei­heit­skämpfer Wil­helm Tell. »Tell hat nie gelebt; die Erzäh­lung vom Apfelschuss und von der Besei­t­i­gung seines Wider­sach­ers ist nach ein­er lit­er­arischen Vor­lage aus Skan­di­navien gestal­tet.«1
Im birsfälder.li kön­nen Sie sich aus­führlich über die Geschichte des Wil­helm Tell informieren.

Der »Bun­des­brief«
ist eher ein Bünd­nis­brief: Die immer wieder erwäh­nte Urkunde (mit eigen­em Muse­um) ist nicht ein Bun­des­brief, keine Staats­grün­dung, son­dern ein­fach ein Bünd­nis zwis­chen den einzel­nen Part­nern Uri und Schwyz. Wie später Unter­walden dazu kam, ist nicht gek­lärt.

Schön kön­nen fast alle Mythen in der 1. August-Rede 2007 in Gruyères von Bun­desrat Christoph Blocher nachge­le­sen wer­den.

Die ewige Neu­tral­ität
Der Wiener Kongress 1815 anerkan­nte die Neu­tral­ität der Schweiz.
Mit Goethes Worten kön­nte man auch sagen: »Halb zog sie ihn, halb sank er hin.« Die Neu­tral­ität kam schliesslich allen gele­gen.
Heute wird die Neu­tral­ität vor allem dazu ver­wen­det, Verträge mit anderen Staat­en zu verun­möglichen, Sol­i­dar­ität mit ange­grif­f­e­nen Staat­en zu ver­hin­dern und Unrecht zu sank­tion­ieren.
Neu­tral­ität ist gut, wenn sie nützt, wenn sie der Wirtschaft, den Banken schadet, muss man auch ein­mal ein Auge zudrück­en …

Die Volksini­tia­tive »Wahrung der Schweiz­erischen Neu­tral­ität«
von Christoph Blocher ver­sucht diese Neu­tral­ität und ihre Anwen­dung »in Stein zu meis­seln«.

• Die Sou­veränität und Unab­hängigkeit der Schweiz ist ein weit­er­er Mythos der gepflegt wird.
Wenn wir uns allerd­ings den Zus­tand der mar­o­den Schweiz­er Armee anschauen, die sich laut Armeechef Süssli höch­stens ein paar Tage vertei­di­gen kann, muss man auch hier ein gross­es Frageze­ichen set­zen.

Hin­ter vie­len dieser geschichtlichen Stolper­steine ste­ht die Macht der Verord­nen­den. Entwed­er man glaubt und ist ein Patri­ot oder eine Patri­otin — oder man gehört nicht zur Gemein­schaft.

Ben­i­to Mus­soli­ni machte in ein­er Rede deut­lich, was ein Mythos für eine Nation bedeuten kann:
»Wir haben unseren Mythos geschaf­fen. Der Mythos ist ein Glaube, eine Lei­den­schaft. Er muss nicht unbe­d­ingt der Wirk­lichkeit entsprechen. Unser Mythos ist die Nation, unser Mythos ist die Grösse der Nation! Und diesem Mythos und sein­er Grossar­tigkeit — die wir in die totale Wirk­lichkeit umset­zen wollen — unter­w­er­fen wir alles andere.«

1 Wern­er Mey­er, Ange­lo Garovi in »Die Wahrheit hin­ter dem Mythos. Die Entste­hung der Schweiz«

150 Jahre! Was geschieht im ROXY?
Mattiello am Mittwoch 25/10

Deine Meinung