Sehr geehrter exBundesrat, lieber Herr Blocher
Dass Sie meine politischen Auffassungen nicht teilen und umgekehrt, geschenkt, — Sie sind nicht der einzige, und ich auch nicht. Das gehört zu unserer demokratischen Gesellschaft und ist vorerst noch auszuhalten. Nicht schon seit 1292, wie Ihresgleichen bei jeder Gelegenheit unterstreichen, sondern erst seit 1848 mit einer von den US-Amerikanern abgeschriebenen Verfassung. (Damit das klar ist, nicht die Amerikaner haben abgekupfert, sondern die Eidgenossen) Sei’s drum; wohin das führen kann, sehen wir täglich in den TV-Nachrichten und die wenigen, die noch Papier in die Hand nehmen, lesen es gedruckt.
Als Sie dereinst vorzeitig und gegen Ihren Willen in Rente geschickt und durch eine jüngere Mitarbeiterin innerbetrieblich und parteiintern ersetzt wurden (Ein Schicksal, das Sie mit tausenden Schweizer Arbeitnehmern teilen durften), verzichteten sie öffentlich, lautstark und werbewirksam auf Ihre legitimen Pensionsansprüche.
„Hut ab!“ dachte ich, der Mann ist konsequent.
Heute wissen wir, erstens kommt es anders und zweitens als posaunt. Ihre politischen Gegner haben es zwar schon immer gewusst, das Volk nicht und ist empört und was die Mitglieder Ihrer Wahlvereine hinter der vorgehaltenen Hand sagen, weiss man nicht so genau.
Sie haben als alter Fuchs das bedrohliche Donnergrollen weit hinter dem Horizont auch vernommen und sich nun zu einer Lösung „soft“ entschieden. Sie werden das Geld annehmen und spenden. Auch die folgenden Beträge, die nun jährlich aus Bern überwiesen werden, davon gehe ich aus.
Da Sie nun wohl kaum die grosszügige Spende der „Weltwoche“ in den Anus stecken können, oder umgekehrt, der erneute Aufschrei der Lügenpresse wäre programmiert, erlauben wir uns, Ihnen einen Vorschlag zu machen:
Es wird erzählt, Sie wären ein grosser Kunstliebhaber. Ihre Leidenschaft sei derart gross, dass Sie einmal sogar eine Bundesratssitzung kurzfristig verlassen hätten, um sich im Internet an der Versteigerung eines Anker-Bildes zu beteiligen. Ein anderes Mal haben Sie die ganze Auflage der Schweizer Kulturzeitshrift „Du“ gekauft um sich neben Anker und Hodler aufs Podest zu stellen. Sie sammeln Werke von Anker und Hodler, waren selbst aber nie im Atelier von Albert oder Ferdinand. Klar, war aus Generationsgründen nicht möglich. Darum ist das kein Vorwurf. Der Vorwurf aber lautet ganz klar: Herr Blocher, Sie sind kein Kunstsammler, sie sind ein Geldanleger und Investor. Schuster bleib bei deinen Leisten. Wären Sie Kunstsammler, würden wir zwei uns regelmässig an Vernissagen oder in Ateliers zeitgenössischer Künstler treffen.
Zwei oder dreimal haben wir zwei beide uns aber tatsächlich getroffen, nicht in einem Atelier, nicht an einer Vernissage. Falls ich mich richtig erinnere jeweils in der Aeschenvorstadt in Basel, im ersten Stock des Restaurant Drachen, jeweils am Fasnachtsdienstag. Sie als Magristatsperson, meine Kollegen und ich als singende Hofnarren.
Ankers und Hodlers Gemälde zu sammeln, freut Auktionshäuser. Mit Kunstfreund, Kunstliebhaber und Kunstversteher hat das gar nichts zu tun. Da gibt s keine Künstler mehr, die am Geldsegen partizipieren. Sie sind der Sammler, nicht der Jäger. Darum: Gehen Sie hin zu den zeitgenössischen Künstlern in deren Ateliers, bezahlen Sie deren Ateliermiete für ein oder mehrere Jahre, unabhängig davon, ob Ihnen die Arbeiten gefallen. So überleben Talente in einer schwierigen Zeit, und (win win), das Geld kommt letztlich wieder Ihrer Klientel zu Gute, den Immobilienbesitzern und Miethaien.
Und Falls Sie keine Ahnung haben, wo und wie die Ankers und Hodlers von morgen arbeiten, wie sie finden?, fragen Sie doch nach bei der GSAMBA oder PRO LITTERIS, die und viele andere Organisationen können sicher weiterhelfen.
Mit den besten Wünschen zu selbstlosen Entscheidungen.
Ueli Kaufmann
PS. Die angehängte Montage unseres Haus-Grafikers liegt schon längere Zeit vor.
Jetzt hat das Bild seinen Platz gefunden. Christoph Blocher liess den Hodler tiefer hängen.
© Keystone / © officinae francesco
Christoph Meury
Jul 20, 2020
Sehr geehrter Herr Kaufmann
Wie Sie in all den Jahren meines Wirkens gemerkt haben dürften, leben ich von und mit Provokationen. Das ist mein Spezialgebiet. Da bin ich auch richtig gut. Übrigens die ganze Familie Blocher, damit stellen wir Öffentlichkeit her und setzen Themen. Als Spielwiese habe dafür vor Jahren die SVP auserwählt und zu Relevanz finanziert. Unsere Gegner sind da eher etwas lasch, haben Beisshemmungen. Sie wollen ihr Image als Gutmenschen nicht mit Kapriolen verspielen. Mir fällt es leicht den Batman zu spielen. Mein ambivalenter Charakter ist Programm. Man behauptet von mir, analog zu Batman: «Batman sei ohnehin nicht immer sonderlich liebenswert auftretend, manchmal aber ein außerordentliches Arschloch…«. Damit kann ich leben. Dies auch, weil ich es mir leisten kann. Als erfolgreicher Unternehmer kann ich meine Gegner auch mit Kampagnen vernichtend schlagen. Rohe Gewalt ist meine Sache nicht. Daher zielt auch ihre Bildcollage an meiner, im Grunde friedfertigen Haltung vorbei und entspringt eher ihrer ungezügelten & groben Phantasie. Natürlich sind meine Moralvorstellungen nicht diejenigen meiner Gegner, welche regelmässig aus dem sicheren Gebüsch und mit erhobener Faust die Maulhelden markieren. Ich sehe das locker und in diesem Sinne gilt auch für mich, wie übrigens für alle Politiker/Politikerinnen, was kümmert mich, was ich gestern gesagt und versprochen habe. Daher habe ich mir auch erlaubt nachträglich meine Bundesratsrente einzufordern. Logisch brauche ich das Geld nicht, aber es war eine gelungene PR-Aktion und eine Belebung der schagzeilenarmen Coronazeit. Erwartungsgemäss regen sich ein paar müde Geister auf. Die 2,7 Milliönchen sind ein Klacks. Aber der Neid läuft ihnen aus den Ohren. Und prompt reagieren die Raffgierigen hellwach und orten neue Alimentationsfelder. Sie wollen meine Gelder, meine Rente, den kirchenmausarmen Künstlern zuhalten, sprechen mir aber gleichzeitig jeglichen Kunstverstand ab. Nicht, dass ich mich rechtfertigen muss, aber ich gebe zu bedenken, dass es natürlich auch noch den Kunstconnaiseur gibt, der es vorzieht im Stillen Kunst zu sammeln. Als Hodler- und Ankerkenner muss ich nicht zwingend an jeder Kunstvernissage Bier oder Prosecco trinkend herumhängen, um mein Kunstverständnis vorzuführen. Ich schmökere die Auktions- und Kunstkataloge durch und suche mir die Bilder meiner Kunstbegierde. Ohne hochkarätiges Kunststudium wäre ich eh aufgeschmissen und könnte auf dem freien Kunstfeld die Spreu nicht vom Weizen trennen. Ergo würde ich mein Geld zum Fenster rausschmeissen und vielleicht nur wertlosen Kunstschrott kaufen. Daher funktioniere ich nach der Devise: Schuster bleibe bei deinen Leisten und kaufe Kunst als Wertanlage. Das ist für mich ein Doppelvergnügen. Einerseits als wertvermehrende Kunstinvestition, andererseits genügen die Hodler-& Anker-Werke meinem konservativen Kunstverständnis. Ich bin da genügsam. Zudem sei in Erinnerung gerufen: Ich bin Unternehmer & Politiker. Als Kunst- und Kulturförderer möchte ich mich in meinem hohen Alter nicht mehr ins Rampenlicht stellen. Vielleicht leiste ich mir dereinst noch eine Skulptur von einem zeitgenössischen Steinmetz, um mich, quasi als steingewordenes Selfie, zu verewigen. Als ewige Provokation in die Schweizer Geschichte einzugehen, wäre super. Mein Lieblingsplatz wäre adäquaterweise die Rütliwiese, oder man könnte mein Konterfeis in ein Felsmassiv meisseln. Aber noch wandle ich als Stein des Anstosses und als lebende Legende durch die Schweizer Lande und erfreue mich des Lebens.
Mit best Grüssen, Christoph Blocher
Christoph Blocher
Jul 21, 2020
Sehr arrogant Herr Meury!
Christoph Meury
Jul 21, 2020
Einer Theaterfigur kann man sich nur mit Empathie nähern. Dazu muss man sich in die Figur reinversetzen können. Nur so kann man erfahren, wie die Figur denkt und handelt. Insofern scheint mir dies gut geglückt zu sein. Das Prädikat «arrogant« ist diesbezüglich eine Auszeichnung und spiegelt die Figur des B. offensichtlich vorzüglich. Danke!