Vielleicht sind Sie erstaunt, dass nach dem Artikel 11 der Hafengeschichte(n) nun schon der Artikel 18 folgt. Das hat den Grund, dass uns die »bz Schweiz am Wochenende« ein bisschen überholt hat. Aber nicht ganz. Schon am 12. November 2019 war ganz versteckt in einem Artikel zu lesen: »… oder doch wieder mit einem Hochhaus, das allen Bewohnern ‘Am Stausee’ die Aussicht auf Rhein und Hörnlifelsen verdeckt? — Das würden diese sicher mit einem Kraftwort beantworten!«. Den versprochenen Artikel 13 (Im nächsten Artikel versuchen wir in den 23 Seiten »Gesamtsynthese Hafenstudien« die wesentlichen Neuerungen zu finden. Und haben Mühe sie zu finden. Wir geben ihnen zu diesem Studium einige Links und vielleicht können Sie uns dann helfen) werden Sie am Dienstag an gewohnter Stelle finden.
Zu »Wohnen am Wasser« kommt mir sofort Kopenhagen in den Sinn. Auf einer Städtereise wohnten wir im Nyhafen. Da können Sie sich Bilder googeln.
Und auch in Birsfelden tauchten immer wieder Ideen auf, Bilder vom Wohnen am Wasser.
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Die älteste Version
aus den 1970er-Jahren hat mir Peter Meschberger erzählt:
Schon ab etwa Mitte der 1970-er Jahre habe ich als Mitglied und späterer Präsident der ländratlichen Finanzkommission immer wieder festgestellt und bemängelt, dass auf dem Areal des Birsfelder Rheinhafens soviele Parzellen schlecht genutzt waren. Es bestanden vielfach langfristige und »günstige« Baurechtsverträge mit verschiedenen Firmen. Zudem bestand ein Abgabewesen mit Hafen- und Bahnbeiträgen. Und zahlreiche Firmen hatten ihren (Steuer-) Sitz ausserhalb von Birsfelden.
So kam es auch, dass durch die Baurechtszinsen und die genannten Beiträge auch die Steuerbeträge an Kanton und Gemeinden gering ausfielen. Da ist es verständlich, dass Birsfelden trotz dieses doch grossen wirtschaftlich nutzbaren Areals relativ wenig Steuern eingenommen hat (auch heute noch). Und folgerichtig hat Birsfelden jeweils den höchsten Finanzausgleichsbetrag vom Kanton erhalten.
Mir wurde das dann von Birsfelder Bürgerlichen und anderen Landräten aus allen Parteien vorgeworfen, dem Sinne nach, dass wir nichts für die Wirtschtaft usw. tun würden. Aber wir hatten schön damals nicht die geringste Chance, da etwas zu bewirken. Sinngemäss mit Sprüchen (“dasch euses Fürli…”) wurden wir immer wieder übergangen. Und trotzdem wollte der Kanton etwas verändern.
Da gab es eine von der damaligen Firma Planconsult AG in den Jahren 1985/1986 erarbeitete Studie, welche etwas grob gesagt vorschlug, den Umschlag von Mineralölprdukten von Birsfelden weg in den Auhafen und in Teile der Basler Rheinhäfen zu verlegen. Was anstelle dieser Anlagen dann in den Birsfelder Hafen kommen sollte, war unklar, vermutlich hatte der Kanton keine passende Ideen. Diese Studie wurde dann auch bald wieder in irgendeiner Schublade versenkt.
Zu jener Zeit lernte ich den Inhaber eines Planungsbüros »Universal Projekt AG Birsfelden«, Joe Ruggle aus Reinach, kennen. Relativ kurze Zeit später, gegen Ende der 80-er Jahre, hat dann die Firma Geldner ihre riesengrosse Ölumschlagsanlage aufgehoben und schleifen lassen. Bald entstand dort ein grosses Areal zwischen Hardwald und Rhein. Toll, dachte ich, da könnte man doch mindestens einen Teil dieses Hafens zu einer Art Birsfelderischem “Port Grimaud” um zu funktionieren.
Port Grimaud wurde in den Sechzigerjahren, in der Nähe des südfranzösischen St. Tropez, am Meer als antikes Wohnstädchen mit schiffbarem Wasserzugang zu jedem der bis 3‑Stöckigen Häuser gebaut und ist sehr beliebt.
Mit der neu gebauten Schiffanlegestelle für private Kleinboote vis à vis auf deutscher Seite, hätte doch hier ein toller Ortsteil nicht nur mit Wasserzugang entstehen können. Ideal, gar mit Bahnzugang und nahe dem Autobahnanschluss. Und ruhig wäre das Gebiet auch gewesen. Joe Ruggle und ich schmiedeten dort Pläne voller Illusionen. Gleichzeitig liegt der Rhein ja in der Oberrheinischen Tiefebene. Bei gutem Willen und etwas Kapital hätte man doch dort auch mit Sicherheit Thermalwasser gefunden, ähnlich, wie in mehreren Orten am Rhein (Zurzach, Rheinfelden, Bad Bellingen, u.am). Hihi, flugs hätte hier ein Badeort entstehen können… Und die Steuern aus dem Birsfelder Provence-Dörfli Hardwaldbad oder so wären wohl geflossen.
Selbstverständlich wurden wir Birsfelder Stänkeri nie gefragt, sondern nur ausgelacht. Bald wurde dieses schöne Areal dann von der sicher auch nützlichen, aber wenig lukrativen Containerumschlags- und Lageranlage in Beschlag genommen.
Daraus wurde bis heute — nichts.
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Die nächste Version
ist nicht so alt. Doch lassen wir die Ausführenden sprechen:
Machbarkeitsstudie für den Birsfelder Hafen der Architekten VOLPATOHATZ AG, Birsfelden und Raumplan Wirz GmbH, Basel (2013)
Nicole Hatz von Volpatohatz und Nicole Wirz von Raumplan Wirz GmbH wurden beauftragt, die zukünftigen Möglichkeiten des Hafens von Birsfelden zu untersuchen.
Die Studie war erfolgreich, als sie den Planern der Kantone, den Stakeholdern, den Hafenmietern und den Menschen der Wirtschaftsoffensive Baselland vorgestellt wurde.
Dazu gab es einen Vorschlag in zwei Etappen. Die erste Etappe 2030 betraf das Gelände westlich der Sternenfeldstrasse und das Rheinufergebiet mit JOWA und DELICA, wobei das Gebiet Jowa freigeräumt wurde, Delica aber durch einen Wohnbau »überdacht« wurde. Diese Gebiete waren für die erste Etappe prädestiniert, weil diese Baurechte in absehbarar Zeit ablaufen.
Die zweite Etappe 2050 betraf das Gebiet der massierten Öltanks, die soweit noch notwendig in den Auhafen verlegt werden sollen, und ein weiterer Teil der Uferzone bis zur Birsterminal AG.
Zusammenfassend: Delica, Birsterminal und Containerhafen bleiben erhalten.
Daraus wurde bis heute — nichts.
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stammt von Sven Frey aus dem Jahre 2014.
Es ist eine radikale Variante. Den Hafen Birsfelden nur noch in einer Schrumpfversion. Das ganze Gebiet wird zum Wohngebiet mit Flüsslein, Seelein und Tramverbindung.
1 15 Wohneinheiten, 15 Stockwerke, je 30 Wohnungen à 200 m² und 15 Wohnungen à 150 m²
2 Konferenzen, Restaurants, Hotel
3 Tramendstation, Parkhaus für Externe, Zentrale Energieversorgung
4 Parkhaus für Bewohner, Versammlungsräume, Seniorenresidenz, Schulhaus, Kultur
5 Einkaufen, Zentrale Energieversorgung, Verwaltung, etc.
6 Naturschutzpark
7 Bootshafen
8 Rheinschlaufe
9 und 10 Strassenzufahrt und Geleiseanschluss Hafen
Sven Frei sagt dazu:
»Sowohl in Stockholm, Kopenhagen und Bristol sind die Stadtentwicklungen vergleichbar.
Wollte noch vor 50 Jahren niemand am Wasser wohnen (minderwertige Quartiere) schlug das Pendel radikal um. Heute sind die früheren Häfen die begehrtesten (und teuersten) Wohnquartiere. Was in den erwähnten Städten möglich war, liesse sich — sofern der Wille vorhanden — auch in Birsfelden (in kleinerem Massstab) realisieren.
Der Birsfelder Hafen liesse sich problemlos rheinaufwärts verschieben — oder noch besser, was mir der Direktor des Hafens von Strasbourg anvertraut hat:
»Wir haben die erforderlichen Kapazitäten und die Infrastruktur schon heute !«
»Die für die Schweiz bestimmten Produkte liessen sich dort problemlos direkt vom Schiff auf die Bahn verladen !«
Meine Folgerung:
Der neue Birsfelder Hafen könnte (z.B. für Gefahrengüter) viel kleiner sein — mit einem joint venture wäre allen gedient: Kostengünstige Variante durch stille Beteiligung«
Daraus wurde bis heute — nichts.
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Die nächste Version
stammt 2017 vom Reinacher Arealentwickler Hans-Jörg Fankhauser.
Dazu ein kleiner Abschnitt aus bz vom31.10.2017:
»Nun wird’s konkret: Der Reinacher Arealentwickler Hans-Jörg Fankhauser legt seine Ideen vor, wie er den Birsfelder Hafen entwickeln will. Bei der Gemeinde reagiert man entzückt, der Kanton signalisiert Zustimmung und das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron ist fachlicher Mitarbeit nicht abgeneigt.
Es sind radikale Pläne. ‘Einen Stadtteil für Menschen und nicht für Reserve-Kerosin für Zürcher Flugzeuge’, will der Reinacher Architekt und Arealentwickler Hans-Jörg Fankhauser bauen. Dafür plant er, die nördliche Hälfte des Hafens Birsfelden abzutrennen. ‘Halb Europa entwickelt die Hafengelände, nur wir nicht.’
Er legt eine Architekturzeitschrift auf den Tisch, die solche Projekte beschreibt: Köln, Düsseldorf, Bremen, Hamburg, Münster, Amsterdam. Gerade vom Amsterdamer Projekt will Fankhauser lernen: «Entscheidend ist ein Wohnungs-Mix für alle Schichten, nicht nur die Reichen.» Der schönste Bereich müsse als Park für alle da sein. Ein Kulturzentrum mit Bibliothek und Konzertsaal gehöre ebenso dazu wie eine Zone für gemeinnützige Institutionen oder Büros für Arbeitsplätze. Neu angelegte Kanäle und ein Kleinboothafen sollen das Wohnen am Wasser direkt erlebbar machen.«
Der nördliche Teil des Hafenperimeters wird zum Wohngebiet, der südliche Teil kann gewerbe- und hafenaffin bleiben. Das könnte dann ungefähr so aussehen:
Laut dem Bericht seien auch die Reaktionen auf Fankhausers Pläne durchmischt. Der Birsfelder FDP-Gemeindepräsident Christof Hiltmann unterstütze die Idee, das Potential sei gewaltig, das Projekt keine «mission impossible.» Ein Gespräch mit Herzog & de Meuron sei derart ermutigend verlaufen, so dass das renommierte Basler Architektenbüro vielleicht mit ins Boot geholt werden könnte. Auch der kantonale Standortförderer Thomas Kübler wolle »mit allen Beteiligten gemeinsam nachdenken.«
Daraus wurde bis heute — nichts.
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Die nächste Version
Wer erinnert sich nicht an die sehr hochgehenden Wogen mit dem Hochhaus auf dem Areal 1550? In turbulenten Gemeindeversammlungen wurde das Projekt (1980?) gebodigt.
Das vorderhand letzte Projekt am Wasser von 2019 betrifft zwar nicht speziell den Hafen, könnte aber für jedes bis jetzt gezeigte Projekt die »logische« Fortsetzung in Richtung Birsfelden/Stadt Basel sein.
Es kam in einer Projektstudie von Losinger Marazzi daher und findet am Ufer gegenüber der Kraftwerkinsel statt. Hier möchte das Kraftwerk Birsfelden seine Parzelle 1550 weiterentwickeln. Dabei sollen die Projekte mit Rücksicht auf bestehende, wertvolle Naturräume entwickelt werden.
Da zu eine recht konventionelle Möglichkeit …
… und ein eher unkonventioneller Grossbau als Brücke über die Schleuse.
Und weil alle das Wohnen am Wasser so toll finden, heisst das Projekt in der Studie »Kraftort am Rhein«.
Es ist nicht die erste Projektstudie, die vom Kraftwerk her kommt. Schon viel früher, ich konnte das Jahr nicht mehr ausfindig machen, haben die Blaser Architekten schon eine Skizze geliefert:
Daraus wurde bis heute — nichts …
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Hier wäre noch die Variante Sternenfeldstrasse aus dem STEK anzufügen. Das werden wir zu einem späteren Zeitpunkt noch nachholen.
Ausser zum Teil viel Lob für die speziellen Projekte passierte aber leider nichts. Man könnte fast sagen, alles ist bis jetzt der Prokrastination zum Opfer gefallen.
Prokrastination nach Max Goldt: Ein nicht zeitmangelbedingtes, aber um so qualvolleres Aufschieben dringlicher Arbeiten in Verbindung mit manischer Selbstablenkung, und zwar unter Inkaufnahme absehbarer und gewichtiger Nachteile.
Bilder: Ausser Port Grimaud (gekennzeichnet auf dem Bild stammen alle Bilder von den jeweiligen Architekten. Foto Titelbild und Modell Frey: F. Büchler
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Christoph Meury
Mai 16, 2020
Zugegeben, eine derart grosse, zusammenhängende Fläche in Stadtnähe und erst noch direkt am Rhein, ladet zum Träumen ein. Daher ist der Birsfelder Hafen auch eine ideale Projektionsfläche für Nutzungsfantasien aller Art. Das ist grundsätzlich gut so! So funktioniert Demokratie. Aber, am Anfang sämtlicher Überlegungen stehen wirtschaftliche und politische Entscheidungen. Simpel: Braucht die Region auf Schweizerseite drei Hafenareale? Die Basler haben die Frage für sich beantwortet und den Klybeckhafen reduziert und grosse Teile zum Wohnen ausgeschieden. Entlang der Uferstrasse wird in Basel ein neues Wohnquartier (bis hin zur Dreirosenbrücke, ehemaliges Novartisareal) entstehen.
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Die Baselbieter Regierung ist diesbezüglich im Gegensatz zu den Baslern äusserst träge unterwegs. Sie hat jetzt vorerst einmal den Status Quo zementiert und weigert sich ein Moratorium für die kontinuierliche Verlängerung der Baurechte im Birsfelder Hafen auszusprechen. Der grossen Mehrheit der Baselbieter Gemeinden ist es zudem egal, was in Birsfelden & Muttenz passiert und damit sind auch die gesammelten Landräten mit dem Ist-Zustand zufrieden.
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Die Frage warum das Baselbiet zwei riesige Hafenareale (Muttenz & Birsfelden) braucht ist nie schlüssig beantwortet worden. Der Kanton bietet Lagerkapazitäten für Mineralöle und Dünger für die halbe Schweiz und verschenkt dadurch wertvolles Entwicklungsgebiet. Immer mal wieder wird der Hafen als Arbeitsgebiet von kantonaler Bedeutung moniert. Diese Chiffre wird aber nie verifiziert. Tatsächlich gibt es im Hafengewerbe Arbeitsplätze nur in homöopathischer Dosis. Zudem arbeiten hier grossmehrheitlich Menschen aus dem nahen Elsass, oder südbadischen Raum. Das Hafenareal wird in grossem Stil als Lager (Eisenlager, Recycling-Lager, Sand- und Kieslager, Kohlenhalden, Mineralöllager, etc.) genutzt. Das stellt sich doch die Frage nach Sinn & Zweck und der zukünftigen Verwendung eines derart wertvollen Industrieareals?
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Warum muss in Stadtnähe und auf Birsfelder Boden für die halbe Schweiz ein Depot für Verbrauchsgüter aller Art zur Verfügung gestellt werden? Dazu hat sich die Baselbieter Regierung noch nie politisch geäussert.
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Wenn sich die Regierung äussert argumentiert sie nur entlang der Wünsche der SRH und der domizilierte Firmen, welche ihre Eigeninteressen in den Vordergrund stellen und auf den billigen Boden nicht verzichten wollen. Die Politik agiert am Gängelband der Wirtschaft, notabene der Hafenwirtschaft. Eine eigene Wirtschaftspolitik ist der Baselbieter Politik fremd. Die Tatsache, dass auf den 420’000 m² des Birsfelder Hafens eine höhere Inwertsetzung und eine gemischte Nutzung als Gewerbe- und Wohngebiet erreicht werden könnte, wird ignoriert und es gibt keine vom Kanton BL in Auftrag gegebene Studie, welche diesbezüglich verschiedenen Szenarien durchspielt und mit Rechnungsbeispielen hinterlegt. Man hat das Heft abgegeben und lässt die SRH weiterwursteln. Das ist eigentlich skandalös.
Hans-Jörg Beutter
Mai 16, 2020
Als Fremder Fötzel hab ich logischerweise nur sehr begrenzten Einblick in Gemeindebelange – und keinerlei persönliche Interessen/Verbandelungen.
Was mir aufgefallen ist: Da setzt sich also ein einzelner Bürger namens Cato (entnommen vermutlich dem berühmten märchen »der gestiefelte cato«) sehr vehement dafür ein, dass die Schweizer Rheinhäfen keinen der Gemeinderäte stellen mögen.
Ich möchte die Frage mal umgekehrt stellen
(cetermor dio – salopp: »zetermordio«):
Warum sollte – angesichts der mässig befriedigenden gemeindeseitigen Berücksichtigung – nach Ansicht der Autoren denn SRH ihren Einsitz beanspruchen dürfen/müssen?
à fonds perdu?
(Prokrastination auf französisch ;-))
CATO
Mai 16, 2020
Ceterum Censeo: Übrigens bin ich der Meinung, dass ein Vertreter der Rheinhäfen nichts im Gemeinderat zu suchen hat.
max feurer
Mai 16, 2020
Wow, ich wusste gar nicht, was da alles seit den 70-er vorgeschlagen und diskutiert worden ist! Auf die Variante von Sven Frey müssen wir wohl warten, bis sich ein neues “Europa der Regionen” verwirklicht hat …