Zur Entstehung des Kraftwerks konnten Sie in den Hafengeschichte(n) schon einmal eine Wenigkeit lesen. Das soll nun erweitert werden.
Meine persönliche Beziehung zum Kraftwerk Birsfelden ist eine besondere. Da ich mit einem Lehrer an der Knabenrealschule KRS Wettstein eine sehr schlechte Beziehung hatte, beschloss ich eines Tages der Schule fern zu bleiben. Fast vier Tage schaffte ich das, bis meine kleine Freiheit aufflog.
Doch was tut man von morgens 8–12 und nachmittags 2–4 aussserhalb der Schule? Nun, man spaziert z.B. dem Rhein entlang bis … zur Baustelle des Kraftwerks Birsfelden. Und da gab es viele interessante Dinge zu sehen …
Nun, den Kraftwerkbau gibt es auch in einem 25minütigen Dokumentarfilm der Kern-Film Basel zu sehen. Die Bildqualität ist nicht gerade super, aber einige Film-Stills (Standbilder) möchte ich doch zeigen:
Beim ganzen Kraftwerkbau waren die Spundwände eine zentrale Sache, denn viele Arbeiten wie z.B. das Erstellen des Turbinenhauses wäre ohne sie nicht möglich gewesen.
Auch sehr wichtig war eine Hilfskonstruktion, die den ganzen Rhein überquerte.
Von da aus wurden die Beton-Caissons ins Wasser versenkt. Über das Bauen nach dem Caisson-Prinzip erfahren sie hier ein bisschen mehr.
In den Caissons wurden die Fundamente für die Pfeiler der Stauwehre gebohrt. Dann wurden diese Caissons mit Beton gefüllt und bildeten die ersten Pfeiler …
Der Aushub für alle Bauteile begann am 9. November 1950 und geschah mit Baggern, Pickeln und Schaufeln. Das ausgehobene Material wurde mit Lastwagen aus der Baugrube gefahren und dann …
… mit der Hafenbahn durch die Hard zum Auhafen geführt. Dort diente der Aushub dazu das Hafengelände zu vergrössern.
Bis vor einigen Jahren gab es noch eine Fussgängerbrücke über das Geleise der Birsfelder Hafenbahn, auf der die Schienen noch zu sehen waren. Aber sie wurde, fast könnte man sagen leider, renoviert.
Langsam aber sicher näherte sich der Aushub auch dem Birsfelder Hof (Klein Rheinfelden), der der Hofstrasse auch den Namen gegeben hat.
Bis auch der Hof dran glauben musste. Tut schon weh. Und böse Zungen meinen, dass mit etwas gutem Willen und anderer Planung der Hof hätte erhalten werden können.
In der ganzen Kraftwerkanlage wurden 4300 Tonnen Armierungseisen verlegt. VieleVerschalungen waren recht aufwändig, damit das Wasser später richtig zu den Turbinen geführt werden konnte.
Und dann der Schwarze Tag für die Grossbaustelle am 26. Juni 1953. Die Kraftwerk-Baustelle wurde durch ein ungewöhnlich starkes Hochwasser komplett überschwemmt. Einen Monat brauchten die eingesetzten Pumpen um die 700’000 m3 Wasser und Schlamm aus der Baustelle zu schaffen.
Bald konnten die vier grossen Kaplanturbinen eingesetzt werden.
Das erforderte grosse Präzision der Kranführer, die 300 Tonnen schweren Dinger mit einem Durchmesser von 7,5 Metern ins Loch zu setzen.
Daneben eine schematische Darstellung der Wasserführung zu der Turbine.
Dann wurden die Generatoren mit einem Durchmesser von rund 11 Metern aufgesetzt. Nur wenige Kraftwerke haben noch grössere.
Während der ganzen Bautätigkeit konnte die Schifffahrt aufrecht erhalten werden. Wahrscheinlich ein Bild, das nicht mehr so schnell zu sehen sein wird: Ein Schiff fährt durch das Stauwehr.
Dann wurden die Schützen des Stauwehrs langsam abgesenkt, der Rhein gestaut. Und die Stromproduktion konnte langsam hochgefahren werden. Ab 20. Januar 1955 war das Kraftwerk in vollem Betrieb. Und die Betreiber konnten endlich Geld verdienen.
Etwas, das jedem Walliser und Bündnerdorf mit Kraftwerk zu Gute kommt, blieb Birsfelden allerdings vorbehalten:
Für Birsfelden gab es keinen Wasserzins!
Noch heute ist das Kraftwerk Birsfelden ein Anziehungspunkt für Schaulustige und Architekturinteressierte: Das architektonische Wahrzeichen von Birsfelden
Doch dazu im nächsten Artikel.
Bilder: Titelbild Franz Büchler, übrige Bilder sind Filmstills aus einem Dokumentarfilm der Kern-Film AG Basel
Christoph Meury
Jun 26, 2020
Man wäre beim Bau des Kraftwerks gerne dabei gewesen und hätte den Aufbau dieses monumental Bauwerks live miterlebt. Die Bilder geben einen kleinen (verschwommenen) Eindruck in den Aufwand der betrieben werden musste, um mitten im Rhein ein solches Bauwerk zu errichten. Sie zeigen auch, wie umfangreich und gewaltig die Unterbauten für die Turbinen- und Wasserschächte sein mussten, um die gewaltigen Wassermassen bewältigen zu können. Bauten, die wir, da sie unter dem Wasserspiegel liegen, nur erahnen können. Die Genialität zeigt sich auch, wenn man bedenkt, dass die Konstruktion vorerst nur im Kopf des Architekten stattfinden konnte und dann Stück für Stück konstruiert werden musste, um im nächsten Schritt in Holz-Schalungen (quasi den Negativformen) umgesetzt zu werden. Erst danach war es möglich das Ganze in Beton zu giessen. Der Kraftwerksbau ist wegen seiner Grösse und Komplexität auch ein Hochamt der Logistik. Baupraxis: Wie kommt der Beton in der richtigen Konsistenz, zum richtigen Zeitpunkt und in der nötigen Menge zur Baustelle, respektive in die Gussform? Woher kommt der Zement, der Sand und wer verarbeitet diese Materialien im richtigen Mischverhältnis. Oder die Zimmermannsarbeiten: Wo bekommt man Zimmermannsleute her, welche fähig sind die komplexen Holzformen, auf der Grundlage der Architekturpläne, vor Ort zu konstruieren und adäquate Schalungen dafür zu zimmern? Woher kommt die gewaltige Menge an Holz? Als Enkel eines Baumeisters (und quasi in Baustellen aufgewachsen) hätte ich den Profis gerne über die Schulter geschaut. Wenn man das fertige Produkt sieht, kann man diese Bauleistungen kaum erahnen. Natürlich ist die Leistung des Chefchoreografen eines solchen Werkes, des Architekten Hans Hofmann, ausserordentlich. Es geht aber vergessen, dass ohne hochqualifizierte Handwerker ein solch monumentales Bauwerk nie hätte entstehen können. Es wäre daher nicht verkehrt, wenn man beim Jubilieren auch die vielen unbekannten Handwerkprofis miteinbeziehen würde. Warum wird das Werk nicht auch mit ihren Namen «signiert«?
ueli kaufmann
Jun 26, 2020
Und dazu wieder einmal Brecht, Fragen eines lesenden Arbeiters:
„Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? Und das mehrmals zerstörte Babylon – Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern des goldstahlenden Lima wohnten die Bauleute? Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war die Maurer? Das große Rom ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang die Ersaufenden nach ihren Sklaven. Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte untergegangen war. Weinte sonst niemand? Friedrich der Zweite siegte im siebenjährigen Krieg. Wer siegte außer ihm? Jede Seite ein Sieg. Wer kochte den Siegesschmaus? Alle zehn Jahre ein großer Mann. Wer bezahlte die Spesen?“ —
Franz Büchler
Jun 26, 2020
Vielleicht hat ja jemand, der stolz war auf seine Arbeit, irgendwo seinen Namen in den noch frischen Beton geritzt. Aber vielleich hat der mittelalterliche Handwerkerstolz auch nicht bis in die heutige Zeit durch gehalten?
Am Basler Münster sind hie und da Steinmetzzeichen zu sehen: https://www.baslermuenster.ch/files_m_f_k/Steinmetzzeichen.pdf
Und am Kiosk beim Eingang können Sie für 38 Franken das Zeichen in Kunstsandstein sogar als Andenken kaufen.