Es ist ein langer Artikel geworden. Wenn man sich mit Ortsplanung beschäftigt, wird man immer auch wieder in die Vergangenheit zurückgeworfen. Ob das nun gut ist oder nicht, es passiert. Ich habe auf meinem Rundgang durch die Vergangenheit gesammelt, was mir in die Hände gekommen ist. Einiges fehlt. Am Auffälligsten ist wohl, dass die Hafenproblematik völlig ausgeklammert ist. Genau wie in STEK auch.
Am Ende des Artikels können Sie diese Sammlung als PDF-Datei herunterladen (unter 3 MB). Alle Links zu erwähnten PDF-Dateien oder Webseiten funktionieren auch in dieser PDF-Datei. Eine Arbeitserleichterung bei der Wanderung durch den Ortsplanungsdschungel.
1944 Dorfplatz des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Birsfelden
Am 20. Januar 1940 war im Birsfelder Anzeiger unter dem Titel »Auszug aus den Verhandlungen des Gemeinderats« folgendes zu lesen:
Es scheint so, dass schon damals die Gemeinde recht klamm war und die Gestaltung des Dorfplatzes keine Priorität hatte. Leider waren diese Pläne nicht mehr auffindbar, allerdings dafür die Protokolle zu den Sitzungen des Zentrumsplatz 1938–1940 Protokolle VVB. Dazu hatten wir schon im birsfälder.li vom 29. September 2013 berichtet.
Vor 1970
1966 muss es ein Zentrumsprojekt der Architekten Förderer, Otto und Zwimpfer gegeben haben. Ebenso einen Vorschlag von Architekt Ringger für einen Verbindungsweg Birs-Rhein. Dazu fehlen mir allerdings die Unterlagen.
Die Auflistung der Gemeinde Birsfelden zur Geschichte der Gestaltung des Zentrums setzt erst wieder 1970 ein.
1970 Projektwettbewerb Gemeindezentrum
22 eingereichte Projekte, Gewinner: Otto+Partner Liestal
Projekt: Gemeindeverwaltung mit Hochhaus, Kosten: 120‘000.—
1971 Vorprojekt
Die Gemeindeversammlung bewilligt für ein Vorprojekt 165‘000.—
1972 Bericht der Ortsplanungskommission
Der hat zwar nur bedingt mit der Zentrumsplanung zu tun, birgt aber auch kleine Leckerbissen:
In einem Punkt werden die voraussichtlichen Verkehrsverhältnisse bis 1990 prognostiziert. Eine Beurteilung, die heute wohl niemand mehr teilen würde …
1973 Hardstrasse 21
An der Hardstrasse 21 wird die ehemalige Druckerei der Firma Guhl + Scheibler erworben und zur heutigen Verwaltung umgebaut.
1973 Projekt von 1970 eingestellt
Das Projekt, für das 1971 165‘000. Franken bewilligt wurden, wurde 1973 aufgrund des Kaufs der Hardstrasse 21, heutige Gemeindeverwaltung, eingestellt und war nie vor der Gemeindeversammlung.
Irgendwie bekommt man da das Gefühl, man hatte ja jetzt eine Gemeindeverwaltung, den Rest kann man lassen?
Die Wettbewerbskosten von Fr. 120.000.— und die Vorprojektkosten von Fr. 165‘000.— wurden vom Einwohnerrat in den 1980er-Jahren abgeschrieben. Trotz der Spesen nichts gewesen …
1977 Hagnau-Hangüberbauung
Projektiert waren Terrassenhäuser am Hang zur Muttenzerstrasse. Als Reaktion darauf wurde 1978 die »Aktion Hagnau-Grün« gegründet. Eine Petition zu Handen des Einwohnerrates Birsfelden mit über 12’000 Unterschriften aus Basel und Birsfelden wurde nach einem Umzug von der Hagnau bis zur Gemeindeverwaltung übergeben. Rund 300 Personen waren dabei. Der Einwohnerrat lehnte die Petition im gleichen Jahr ab. Die »Aktion Hagnau-Grün« ergriff das Referendum gegen den Ortsplanungsbeschluss des Birsfelder Einwohnerrates. Die Ortsplanung wurde mit 1210 zu 862 Stimmen abgelehnt.
Mehr dazu im birsfälder.li vom 19. Juni 2014.
1985/86 Heutiger Zentrumsplatz
Der heutige Zentrumsplatz entstand nach Einwohnerrats-/Kommissions-Beratungen 1985/86 und einer Volksabstimmung vom 8. Juni 1986 mit geschätzten Kosten von CHF 642’000, zusammen mit der Vorlage betreffend Wohnstrasse “Hardstrasse”.
1997/2005 Wettbewerb Sanierung Alte Turnhalle und Überarbeitung
Projekt mit Anbau. Die alte Turnhalle soll in eine Mehrzweckhalle umgebaut werden. Das Projekt wird zweimal abgelehnt.
Im Juni 2005 wird die Finanzierung von der Gemeindeversammlung zum dritten Mal abgelehnt.
2001 Kraftwerk-Hochhaus
Das KW Birsfelden plante, neben dem Verwaltungsgebäude ein 18stöckiges, 74 m hohes, Hochhaus zu bauen. Also anstelle des Biotops. Dafür müsste die Parzelle 1550 umgezont werden.
Nach seitenweise Leserbriefen im Birsfelder Anzeiger dafür und dagegen, nach den Ja-Parolen von EVP, FDP, SVP, SP und Gewerbeverein, kam das Geschäft vor die Gemeindeversammlung. Nach einer recht turbulenten Versammlung wurde die Umzonung abgelehnt. Auch ein Rückkommensantrag an der Fortsetzungssitzung am nächsten Tag hatte keinen Erfolg.
Gegen diesen Beschluss wurden beim Regierungsrat BL vier Beschwerden erhoben. Die Beschwerden wurde gutgeheissen, die Abstimmung musste wiederholt werden. Dafür liess sich der Gemeinderat einige Zeit, bis 2003.
2003 Zweiter Anlauf Kraftwerk-Hochhaus
An dieser Wiederholung des Geschäfts ging es wieder hoch her. Das Resultat war am Schluss aber klar: 398 Ja, 462 Nein und 5 Enthaltungen.
2005 Neu Pläne für Parzelle 1550
Laut Birsfelder Anzeiger ist auf der Website des Basler Architekturbüros Blaser Architekten eine Studie aufgetaucht, die die gesamte Bebauung der Parzelle 1550 mit fünf Wohnblöcken zeigt.
2005 Gesamtkonzept Zentrum
Der Gemeinderat lässt verlauten, dass für das Kirchmattareal ein Gesamtkonzept erarbeitet wird.
2006 Tram ins Sternenfeld
Im Entwurf zum kantonalen Richtplan ist der Tramast der Linie 3 ins Sternenfeldquartier nicht mehr enthalten.
2006 Ausschreibung Potentialstudie
Um das Projekt einer Zentrumsbebauung anzugehen, muss in einer ersten Stufe das Potential von möglichen Nutzungen und deren Grössenordnung eruiert werden. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen genauer zu überprüfen. Daraus resultierte:
2007 Potentialstudie
Neues Dorfzentrum zur Steigerung der Attraktivität der Gemeinde. Die Gemeindeverwaltung soll neu ins Zentrum verlagert werden.
Mit einer Potentialstudie soll aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten vorhanden sind.
2008 — 2009 Testplanung
Nach dem vorliegen der Potentialstudie beschloss der Gemeinderat die Durchführung einer Testplanung. Aus dieser Testplanung sollte nachfolgend ein Bebauungsplan ausgearbeitet werden. Mit dieser Grundlage sollte für potentielle Investoren eine grösstmögliche Planungssicherheit erreicht werden. Der Plan war:
2008: Drei Planer denken sich Varianten einer Zentrumsüberbauung aus.
2009: Investorsuche mit einem Wettbewerb.
2011: Baubeginn.
2008 Ein Tunnel soll‘s bringen
Die gemeinderätliche Kommission Wirtschaftsförderung schlägt vor, den Durchgangsverkehr etwa ab der »Roxy-Kreuzung« unterirdisch zur Breite zu führen. Kosten etwa 100 Millionen Franken.
Na ja, wenn man Grellingen mit einem Tunnel umfahren kann, warum nicht auch Birsfelden? Aber die Sache versandete wie schon so vieles …
2009 Synopse der Entwicklung (Testplanung)
Das Projekt wurde aufgrund geänderter Rahmenbedingungen gestoppt (gesamtheitliche Betrachtungsweise, Standortstrategie Detailhändler, kantonale Schulreform) Die Nutzungen waren unklar. Parameter sollten überarbeitet werden.
Leider ist weder etwas über die »gesamtheitliche Betrachtungsweise« noch über die »Standortstrategie Detailhändler« irgendetwas genannt. Können Detailhändler eine Zentrumsplanung kippen?
2010 Workshop Öffentliches Eigentum
Erstmals wurden die gemeindeeigenen Liegenschaften und Grundstücke im Gesamten erfasst und in einem Plan dargestellt. Leider nicht in bester Qualität, so dass man ihn kaum vergrössern kann.
2011 Klausur Gemeinderat
Festlegen von strategischen Handlungsfeldern die im Eigentum der Gemeinde sind.
Vernetzung Immobilienstrategie – Masterplan.
Dafür wurden auch alle Immobilien der Gemeinde von eine Firma beurteilt.
Das traurige Resultat vieler Versäumnisse finden Sie hier.
2012 Detaillierung der strategischen Handlungsfelder
Die Handlungsfelder werden genauer untersucht und abgeklärt. Und zur Immobilienstrategie erklärt.
Im Herbst werden sie der Bevölkerung in verschiedenen Anlässen vorgestellt.
Eine Strategie sollte ja eigentlich aufzeigen, wie ein Zeil erreicht werden soll. In diesem Sinne ist das Papier des Gemeinderats keine Strategie sondern ein Gemisch aus Ziel- und Wunschkatalog.
2013 Klausur des Gemeinderates: Neuer Projektperimeter
Der Gemeinderat erarbeitet einen erweiterten Projektperimeter um eine flexiblere Lösung für ein neues Zentrum zu erreichen.
2013 Dialoganlass mit der Bevölkerung zur Zentrumsentwicklung
Ca. 70 Personen aus der Gemeinde nehmen an diesem Anlass teil. Jung und Alt diskutieren und legen ihre Wünsche und Vorstellungen dar.
Schulen und Kindergärten geben eine Vielzahl von Ideen in Form von Zeichnungen und Schriften ab.
2013 Ergebniskonferenz zur Zentrumsentwicklung
Der Gemeinderat stellt die aus dem Dialoganlass gewonnenen Erkenntnisse in Form von Kernaussagen vor. Diese werden noch einmal auf breiter Basis mit der Bevölkerung diskutiert und ergänzt. Diese Kernsätze sind ein Teil der Grundlage für eine weitere Zentrumsentwicklung.
2013 Ausschreibung für ein Grobkonzept betreffend eines Prozessablaufs zur Zentrumsentwicklung
Ende Juni werden fünf Raumplanungsbüros zur Erstellung eines Grobkonzeptes für einen Prozessablauf zur Zentrumsentwicklung eingeladen. Drei Büros ( Victor Holzemer, Planteam S AG und Metron AG) haben eine Offerte abgegeben und vorgestellt. Ein Begleitgremium bestehend aus Politik, Verwaltung und Baukommission beurteilte Anfang August die eingegangenen Offerten und empfahl dem Gemeinderat einstimmig die Firma Metron AG aufgrund ihrer Ressourcen, Know How, Fachwissen und Erfahrung.
2013 Gemeinderatsbeschluss zum Konzept für einen Prozessablauf zur Zentrumsentwicklung
Der Gemeindrat beschliesst, die Metron AG mit der Detailplanung für einen Prozessablauf zur Zentrumsentwicklung zu beauftragen. Erste Ergebnisse werden im Dezember der Gemeindeversammlung zur Genehmigung vorgelegt.
2013 Vorgehenskonzept Entwicklungsplanung
Die Planer von Metron machen ein Vorgehenskonzept.
2013 Informationsanlass »Projekte Geschichte Zentrumsentwicklung«
Dieser Link führt Sie zu einer Powerpoint-Präsentation. Dieser fehlen einfach noch die erklärenden Worte des Gemeindepräsidenten!
2013 Gemeindeversammlung bewilligt Kredit
An der Gemeindeversammlung hat der Souverän beschlossen, die Vorlage zur Erarbeitung eines Stadtentwicklungskonzeptes in der Höhe von CHF 250‘000.00, sowie die Einsetzung einer externen Projektleitung in der Höhe von CHF 100‘000.00 zu bewilligen.
2013 Versand der Offertunterlagen für externe Projektleitung
Die Offertunterlagen für eine externe Projektleitung zur Erarbeitung eines Stadtenwicklungskonzeptes wurden versandt.
2013 Offertunterlagen für externe Projektleitung
Die Offerunterlagen für eine externe Projektleitung zur Erarbeitung eines Stadtenwicklungskonzeptes wurden versandt.
2014 Ausstellung des STEK
Im Rahmen der Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzepts (STEK) hat der Gemeinderat vom 20. Sept. bis am 4. Okt. 2014 eine Ausstellung auf dem Zentrumsplatz organisiert. Im selben Zeitraum hatte die Bevölkerung die Möglichkeit an einer Umfrage teilzunehmen. Die Ergebnisse der Umfrage dienen der Überprüfung und Weiterentwicklung des Stadtentwicklungskonzepts Birsfelden.
Hier die Visualisierung einer Möglichkeit am Birsufer (im Bereich Bärengasse).
Ob die Bärengässler-Einfamilienhäuslerreihe darauf einsteigen wird?
2014 Auswertungsbericht zur Bevölkerungsumfrage
Drei Fragen wurden zur Person gestellt, eine Frage zur Analyse des Bearbeitungsteams, zwei Fragen zur Gesamtstrategie und zwei weitere zur Zentrumsentwicklung. Bei einigen Fragen hatten die Umfrageteilnehmer die Möglichkeit Bemerkungen anzubringen. Insgesamt sind 103 Umfragen eingegangen. Davon wurden 74 vollständig und 29 unvollständig retourniert. Die Umfrage bestand aus acht MultipleChoice-Fragen.
Dieser Bericht gibt eine Übersicht über die Resultate der Umfrage (Kapitel 2) und erläutert die Schlussfolgerungen des Gemeinderats (Kapitel 3).
2015 Schlussbericht Stadtentwicklungskonzept und Einladung zur Vernehmlassung
Leider ist der Bericht nicht am Stück zu haben, sondern nur aufgesplittet in 34 Einzeldateien.
Er enthält in vielen Anhängen interessante Varianten der Tramführung und eine sensationelle Ansicht der umgestalteten Hauptstrasse. Es ist wirklich sehenswert wie die Haupstrasse (zumindest optisch) verbreitert werden kann…
Zum Schluss noch ein Wort zu den Kosten
Folgende Beträge wurden für die oben aufgezeigten Projekte bewilligt und/oder ausgegeben. Dabei sind Kosten vor 1970 und in gewissen »Zwischenbereichen« nicht erfasst:
1970 Projektwettbewerb Gemeindezentrum 120‘000.—
1971 Vorprojekt 165‘000.—
1985/86 Heutiger Zentrumsplatz (Voranschlag) 642’000.—
2007 Potentialstudie 84‘000.—
2009 Verfahrensbegleitung Metron 71‘000.—
2009 Testplanung 147‘000.—
2010 Öffentliches Eigentum 28‘000.—
2011 Gebäudezustandsbericht 64‘600.—
2013 Stadtentwicklungskonzept STEK 250‘000.—
2013 Projektleitung STEK 100‘000.—
Macht Total 1‘671‘600.—
Und so stellt sich zum Schluss nur noch die Frage: Was haben wir dafür bis jetzt bekommen? Bleibt es bei einem Zentrumsparkplatz? Was werden wir noch bekommen?
Und nun los hinter den STEK-Bericht und nehmen Sie unbedingt an der Vernehmlassung teil! Tun Sie Ihre Meinung kund. So, dass nach der fortschreitenden Planung am Schluss nicht wieder ein Scherbenhaufen steht …
Und die Weisheit zum Artikel:
»Life is what‘s happening to you while you‘re busy making other plans.«
(John Lennon)
Eckhard Rothe
Mai 18, 2015
Für die Chronik vielen Dank, Franz. Die Orts- und Zentrumsplanung blieb bis heute unvollendet. Ideen gabs schon immer. Doch es haperte an der Umsetzung, an den fehlenden finanziellen Mitteln und am politischen Willen. Ist diese “Langsamkeit” der Preis der direkten Demokratie? Oder blockieren Einzelinteressen eine bauliche Weiterentwicklung? Deshalb sollte es in den anstehenden Diskussionen keine Tabu-Themen geben, müsste alles angesprochen werden können.
hasira
Mai 19, 2015
Heisst STEK eigentlich STEK weil bei diesen Planungen alles festSTEKt?