Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Hafengeschichte(n), die wir Ihnen vom 2. April 2020 bis zum 13. Oktober 2020 im Birsfälderpünggtli servierten. Schon fast eine endlose Geschichte.
Wir kamen darin zum Punkt, an dem wir sagten »Wir machen Nägel mit Köpfen!«. Das heisst, wir stellten drei Anträge an die Gemeindeversammlung, die den Gemeinderat mit verschiedenen Aufgaben betraute.
Wir nutzen die Sommerpause, um dem Gemeinderat die Möglichkeit zu geben bereits an seiner nächsten Sitzung (4. August) darauf zu reagieren …
Birsfelden, den 13. Juli 2020
Sehr geehrter Gemeinderat
Sehr geehrte Damen und Herren
Hiermit erlauben wir uns, z.H. der nächsten Gemeinderatssitzung, einen weiteren Antrag zu stellen.
Kraftwerk Birsfelden und Umgebung — Parzelle 1550
Zum Kraftwerk: Das Kraftwerk ist lediglich kommunal geschützt. Weder der kommunale Schutz, noch der Eintrag ins ISOS, noch ins Kulturgüterschutzinventar erzeugen einen Umgebungsschutz. Die Parzelle 1550 gehört dem Kraftwerk und liegt in der Spezialzone Kraftwerk und Erholungseinrichtungen. Das Reglement sagt dazu:
«1. In dieser Zone sind Bauten und Anlagen im Zusammenhang mit der öffentlichen Energiewirtschaft und dem Betrieb der Schifffahrtsanlagen sowie Erholungseinrichtungen zulässig.
2. Das bestehende Gebäude Nr. 60 beim Parkplatz kann mit Wohn- und/oder Büronutzung belegt werden, auch wenn kein weiterer Bedarf des Kraftwerks besteht. Ein Ersatzbau für eventuell später notwendig werdende Büronutzung ist nicht möglich. Geringfügige Erweiterungen am bestehenden Gebäude (zusätzlicher Erschliessungsbau mit Treppe und Lift, Gebäudeerhöhung um ca. 1.50 Meter, energetische Verbesserungen) sind zulässig. Als Autoabstellplatz ist ein freistehender Garagenbau für maximal 8 Personenwagen westlich des bestehenden Gebäudes möglich. Die Erschliessung erfolgt über den Parkplatz (Parzelle 1550).« Eine Wohnüberbauung würde u.E. eine Zonenplanrevision verlangen.
Das Areal am Stausee befindet sich an exklusiver Lage am Rhein an der Schnittstelle zwischen Rheinpark, Hafenareal und Sternenfeldquartier, in Gehdistanz zum Zentrum. An dieser Schnittstelle könnte gemäss einer Projektstudie (2019) von Losinger Marazzi und dem Architekturbüro SSA aus Basel eine neue Wohnqualität in Birsfelden entstehen:
Die Kraftwerk Birsfelden AG interessiert sich für die Entwicklung der Parzelle Nr. 1550 auf der Festlandseite der Schleuse im Flurgebiet «Am Stausee» in Birsfelden. Die Parzelle wird heute für Familiengärten, eine Tennisanlage mit Baurecht bis Ende 2033, ein Bürogebäude und einen Parkplatz genutzt. Sie ist mit öffentlichen Strassen und Wegen erschlossen, die aus dem Zentrum in das Naherholungsgebiet zur Insel, zu den Schleusen und zum Kraftwerk führen. Auf dem Areal befindet sich ein Naturbiotop, das von der Bevölkerung sehr geschätzt wird und in Zukunft an diesem oder anderem Standort auf dem Areal Bestand haben soll. Die Parzelle weist eine Fläche von 38’726 m2 auf und lässt, gemäss Projektbeschrieb eine Bebauung mit bis zu mehreren hundert Wohnungen zu.
Das Areal befindet sich gemäss dem Stadtentwicklungskonzept (STEK) Birsfelden im Entwicklungsgebiet Rheinufer. Das STEK sieht vor, dass hier architektonisch hochwertige Siedlungen mit dem attraktiven Freiraum zu verknüpfen und dadurch interessante Wohnraumangebote zu schaffen. Die Projekte sollen mit Rücksicht auf bestehende, wertvolle Naturräume entwickelt und im Dialog zwischen Grundeigentümern und Gemeinde diskutiert werden. Die Gemeinde erachteten den Rahmenplan als geeignetes planerisches Instrument. Dieser wird durch die Gemeindeversammlung beschlossen.
Losinger Marazzi regt an, den Dialog zwischen Behörden und Eigentümern mit einer Vision für das Kraftwerkareal zu starten.
Die Planung des Kraftwerkareals erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem Standort und seinen Qualitäten, die unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt. Deshalb wurden im Februar und März 2019 erste Ideenworkshops mit der Beteiligung von Losinger Marazzi, Yewo, Zimraum, SSA Architekten und Jermann Ingenieure + Geometer durchgeführt. Ziel war es, das Areal mit seinen Qualitäten in der Gemeinde zu positionieren, von anderen Projekten abzugrenzen und wichtige Anhaltspunkte für eine städtebauliche Entwicklung festzuhalten. Die Potentiale und Alleinstellungsmerkmale sollen als Anknüpfungspunkte für die künftige Entwicklung dienen.
Auf der Basis der gemeinsamen Zielvorstellung entscheidet sich die Kraftwerk Birsfelden AG für eine Projektentwicklungsvereinbarung mit Losinger Marazzi. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Konsolidierungsschritts können erste Ideen der Bevölkerung präsentiert werden.
Mit freundlichen Grüssen, Franz Büchler und Christoph Meury
Unser Antrag:
Der Gemeinderat beschliesst die Parzelle 1550 aus der Spezialzone Kraftwerk zu nehmen und die Zone als reine Erholungs- und Grünzone zu deklarieren. Die zukünftige Entwicklung der Parzelle 1550 soll im STEK präzisiert werden. Die Parzelle 1550 steht für Wohnnutzung zukünftig nicht mehr zur Verfügung. Die Gemeindeversammlung soll abschliessend darüber befinden.
Dieser Antrag kommt nun am 14. Dezember 2020 vor die Gemeindeversammlung. Zuvor wurden wir vom Gemeinderat zu einem Gespräch eingeladen. Später dann auch zu einer Sitzung der Gemeindekommission. Das hat allerdings nicht viel genützt. Der Gemeinderat beantragt nun der Gemeindeversammlung unseren Antrag als »nicht erheblich« zu erklären, und die Gemeindekommission folgt dem Antrag des Gemeinderates (mit einer Gegenstimme). Na ja, wie meistens …
Noch anzufügen wäre:
Zeitlich nach unserem Antrag wurde vom Gemeinderat das Leitbild Natur verabschiedet. Auch dieses Leitbild fordert eine Grünzone auf dem Areal 1550. Mit Ihrer Zustimmung könnten Sie diesen Widerspruch auflösen!
Und nun sind Sie dran, liebe Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Gemeinde Birsfelden.
Es würde die Initianten natürlich sehr freuen, wenn Sie uns zustimmen würden und damit ganz klar festlegen, dass auf dem Areal 1550 nicht wie im STEK vorgesehen hochwertiger Wohnraum geschaffen wird, sondern wie im Birsfelder Leitbild Natur gefordert eine Grünzone festgelegt wird.
Christoph Meury
Dez 8, 2020
Der Gemeinderat exerziert mit den StimmbürgerInnen zum wiederholten Male das Demokratiemodell ultralight durch. Im Klartext: Nicht-erheblich heisst diskussionslos. Damit degradiert er die Gemeindeversammlung zu einem Abnickergremium und die StimmbürgerInnen zu Statisten.
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Unser Antrag wollte Klarheit schaffen. Dem widersetzt sich sowohl der Gemeinderat, wie auch die Kommission. Die Widersprüche zwischen den Ausbauambitionen des STEK und dem Leitbild Natur bleiben bestehen. Es zeigt sich erstmalig auch deutlich: Das Leitbild Natur ist ein Schönwetterpapier. Es hat keine Wirkkraft. Wie wir dem Erläuterungstext des GR entnehmen können, reicht ein eingeschriebener Brief aus Bern, den wir aber als Fussvolk nicht zu Gesicht bekommen, um ein völlig unspezifisches Veto zu legitimieren. Fazit 1: Nicht die BirsfelderInnen haben das Sagen, sondern irgendeine Behörde in Bern. Fazit 2: Das Leitbild Natur hat den Elchtest nicht bestanden. Es ist ein zahnloser Tiger.
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Wir meinen, dass die StimmbürgerInnen opponieren sollten. Nur so könnte sorgfältig abgeklärt werden, was Sache ist und ob eine Grünzone auf Zusehen hin, das ist was wir wollen, oder ob wir uns weiterhin von «fremden Vögten« aus Bern oder Liestal vorschreiben lassen wollen, was in unserer Gemeinde geht und was nicht.
Hans-Peter Moser
Dez 8, 2020
Ja, das mit dem ultralighten Demokratieverständnis erinnert mich auch an die Zentrumsplanung und deren Mitwirkungsgeschichte.
Christoph Meury
Dez 8, 2020
Lieber HP Moser, wir spielen jetzt nicht den Trump!
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Bei der Zentrumsplanung lief alles mit rechten Dingen. Soviel Mitwirkungen, Echoräume, Korrekturen & Anpassungen waren wirklich selten. Zudem ist das modifizierte Projekt dem Souverän vorgelegt worden und der hat sich mit grossem Mehr für das vorliegende Projekt entschieden. Das darf man würdigen, auch wenn man mit den eigenen Ideen nicht reüssieren konnte.
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Wenn ich bei der beantragen Umzonung der Parzelle 1550 interveniere ist es der fehlende Prozess und der öffentliche Diskurs. Wenn der Souverän mit einer Umzonung nicht einverstanden ist, kann ich damit leben. Die Grünzone entlang des Rheins ist ein Generationenprojekt und es geht um den Erhalt auch für die nächste Generation.
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Insofern haben wir definitiv nicht das gleichen Demokratieverständnis.
Franz Büchler
Dez 9, 2020
Sehr geehrte Gemeinderatende
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Offenbar will der Gemeinderat die Gemeindeversammlung am 14. Dezember 2020 durchführen. Er scheint das im Hotspot Birsfelden verantworten zu können.
Leider kann ich das für mich nicht verantworten. Ich sehe keinen Unterschied zwischen kulturellen (verboten) und politischen (bewilligt) Veranstaltungen.
Im Frühling war ich noch eine hochgefährdete Person (aus verschiedenen Gründen). Nun soll das alles anders / besser sein?
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Obwohl ich sehr gerne teilgenommen hätte, auch weil einer unserer (Meury/Büchler) Anträge behandelt werden soll. (Siehe Artikel oben).
Ich kann die Verantwortung für mich, meine Partnerin und meine Familie nicht übernehmen, mich an einer derart unnötigen Veranstaltung zu infizieren. Eigentlich sollte auch der Gemeinderat bedenken, dass er mit diesem Beschluss viele andere Menschen von demokratischen Beschlüssen ausschliesst.
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Ich bitte Sie mich für diesen Anlass zu entschuldigen.
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Mit freundlichen Grüssen
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Franz Büchler
Hans-Jörg Beutter
Dez 9, 2020
eine gemeinde-ratlosen versammlung?
so viel respekt vor bürger-engagement und eigenverantwortung dürfte doch wohl sein – entweder sollte der traktandenpunkt (eingabe meury-büchler) auf einen insgesamt xünderen zeitpunkt verschoben werden (minmalvariante) – oder das ganze fragwürdige spektakel def abgesagt. man sollte sich ja wohl nicht sagen lassen: gemeindebelange hätten definitiv nix mit kultur am hut …
reicht ja wohl, wenn die bundesseitigen massnahmen zunehmend bizarrer werden – einerseits darf weiterhin getrost skizirkuliert werden … man darf sich in verkürzten öffnungszeiten von beizen/läden auf verdichtete kundenbegegnungen freuen … nur da wo’s nix kostet, (wo sich menschen völlig unökonomisch treffen, zum knuffel, wird schamlos gekürzt)
das ganze ist ein einziges kosten-reduktionskonzept (nur ja keine unterstützungen sprechen müssen … dabei ist in wenigen jahren zb die schneegrenze eh auf über 5000m entschmolzen – macht alles extrem viel sinn)
war da nicht mal was apropos »bedingungsloses grundeinkommen«?
wann würde sowas denn mehr sinn machen als grade jetzt?
alle existenzgesichert – alle erforderlichen umschulungen abgedeckt – stutz ist ja eh bis zum abwinken vorhanden – nur wandert der leider subito zur klientel des jeweiligen politikers.
meine eine meinung
(skiheil)
Christoph Meury
Dez 9, 2020
Die Gemeindeversammlung vom 14. Dezember wird der verantwortungsvolle Gemeinderat logischerweise absagen müssen. Damit ist das Problem aber nicht gelöst, sondern lediglich vertagt.
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Was wir im Grundsatz monieren: Wenn BürgerInnen von Birsfelden Anträge stellen, welche formell korrekt sind, diese Anträge aber vom GR als nicht-erheblich deklariert werden, kommt dies einer Diskussionsverweigerung gleich. Heisst: Ohne Not auf Anliegen nicht einzutreten behindert das demokratische, offene und transparente Agieren.
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Kommt verschärfend dazu, dass man uns beim Antrag betreffend der Unterschutzstellung des Kraftwerks verbietet Informationsmaterial vor oder nach einer Gemeindeversammlung zu verteilen. Der Perimeter rund um den Veranstaltungsort «Sporthalle«, wird als politikfreie Zone deklariert. Das stützt sich zwar auf keine schriftliche Verordnung, wird vom GR aber als Usanz deklariert.
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Wir fragen uns: Wo bitteschön soll die Meinungsbildung stattfinden? Stellt der GR einen Blog für den politischen Austausch zur Verfügung? Der Birsfelder Anzeiger, eigentlich das Amtsblatt der Gemeinde Birsfelden (immerhin mit rund 60’000.- Franken jährlich alimentiert), enthält sich souverän jeglicher politischer Debatten. Auf Leserbriefformat mit 1300 Zeichen domestiziert, darf man ab und an ein paar politische Splitter einstreuen. Komplexere Vorhaben sind mit solchen Vorgaben aber nicht kommunizierbar. Daher sind es ja auch nur die Parteien, welche hier ihre Parolen kundtun.
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Frage also an den Gemeinderat: Wo findet die Meinungsbildung statt? Was tut die Gemeinde dafür? Und was passiert mit der Meinungsbildung, wenn wir coronabedingt defacto eine Ausgangsperre auferlegt bekommen?
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Daher: Ob eine Gemeindeversammlung stattfindet ist eher ein marginales Problem. Wo können die Citoyens von Birsfelden sich ihre Meinung bilden, sich austauschen? Wo ist die Agora des freien Palavers?
ueli kaufmann
Dez 9, 2020
Heute teilte mir GR Regula Meschberger mündlich mit, die Gemeindeversammlung findet statt.
Christoph Meury
Dez 9, 2020
Fürwahr ein tapferer Entscheid. Vermutlich wird’s aber ein Sololauf des Gemeinderates. Stellt sich daher die Frage, ab welcher Beteiligung ist die GV entscheidungsfähig und ist eine solchermassen erzwungene Entscheidungsfindung auch legitim, sprich: verbindlich? Ein grosser Teil der Bevölkerung kann aus Sicherheitsgründen und weil sie sich als Risikopatienten schützen müssen an der GV nicht teilnehmen. Kann uns ein Jurist aufklären, was dies für die getroffenen Entscheide heisst?