Dass Pfarrer und Pfarrerinnen mit dem Jesus-Stempel von der Kanzel verkünden, welche politische Haltung richtig oder falsch ist, kommt nicht überall gut an, schreibt Karl Kälin von der »Schweiz am Wochenende«. Dabei bezieht er sich vor allem auf die mehr als 500 Kirchgemeinden, die sich bis jetzt zur Konzernverantwortungsinitiative geäussert haben.
«Ich finde es sehr problematisch, wenn die Kirche Gottesdienste zu politischen Propagandaveranstaltungen umfunktioniert», sagt Parteipräsident CVP Gerhard Pfister.
Im vorliegenden Fall hält Pfister die Haltung der Kirchen für umso zynischer, als die Konzernverantwortungsinitiative Arbeitsplätze in der Schweiz vernichte. Je mehr sich die Kirche ins tagespolitische Getümmel stürze, desto bedeutungsloser werde sie, weil sie sich damit auf die gleiche Ebene wie Nichtregierungsorganisationen begebe.
Was Herr Pfister, immerhin noch Präsident mit einem C, hier erzählt, sind schlicht »Alternative Fakten«. In der Schweiz geht kein Arbeitsplatz verloren, weil kein Unternehmen wegen der Initiative ins Ausland abwandern muss — wenn sie sich an Anstand, Respekt und Fairness hält!
Und offenbar sind für Pfister die 120 NGO (Nicht-Regierungs-Organisationen), die Trägerschaft der Konzernverantwortungsinitiative, so ziemlich unterste Schublade. Da werden sich Public Eye, Fastenopfer, terre des hommes, HEKS, usw. freundlich bedanken.
Herr Pfister CVP gibt auch zu bedenken, dass durch solche Aktionen die Unterstützung für die Trennung von Kirche und Staat wachse, sprich: dass die Bereitschaft sinke, Kirchensteuern zu entrichten, wenn das Geld in politische Kampagnen fliesse.
Aha. Also lieber mehr Kirchensteuern und weniger Anstand, Respekt und Fairness gegenüber afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Staaten.
Marianne Binder, ebenfalls CVP, sagt: «Die Frage, ob es christlich ist, dass unbescholtene Schweizer Firmen überall und jederzeit angeklagt werden und unter Umkehr der Beweislast in langwierige und geschäftsschädigende Verfahren verwickelt werden können, wird gar nicht gestellt.»
Wenn die Verfahren unbegründet sind, werden es keine geschäftsschädigende Verfahren sein. Die Gegner der Initiative sagen es ja selbst, dass es nur wenige schwarze Schafe sind. Alle andern haben nichts zu befürchten!
Mit von der Partie ist auch Ulrich Knoepfel, Kirchenratspräsident der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Glarus. Er scheint auch ein tragendes Element der »Ethik-Kommission« zu sein. Gegenüber «Kath.ch» sagte er, Kirchenmitglieder, die anders denken, würden durch Stellungnahmen wie der von »Kirche für Konzernverantwortung« brüskiert.
Oh je. Es macht gar nichts, wenn einige superfromme Kirchenmitglieder brüskiert werden. Vielleicht ist ja gerade das der Anstoss dazu, sich selbst einige Gedanken zu machen. Schadet nicht — oder?
Dass sich Herr Knoepfel bei der Ethik-Kommission engagiert ist OK. Nur darf er dann aus dem Anti-KVI-Grüppchen nicht mehr sagen, dass das nicht Aufgabe der Kirchen sei!
Und die Weisheit zur Sache:
Es handelt sich um Anstand.
Das ist eine Idee, über die man lachen kann,
aber die einzige Art, gegen die Pest anzukämpfen,
ist der Anstand.
(Albert Camus)
Anton Roth
Okt. 16, 2020
Sind die Kirchen nicht auch NGOs? Einziger Unterschied, der Staat stellt seine eigene Inkasso-Infrastruktur zum Eintreiben der Mitgliedsbeiträge zur Verfügung.