Dass die Wie­der­ver­ei­ni­gungs-Pro­jek­te zwi­schen Basel­stadt und dem Basel­biet in den letz­ten Jahr­zehn­ten in schö­ner Regel­mäs­sig­keit geschei­tert sind — zuletzt 2014 — ist all­seits bekannt. Zwar fand die Idee damals bei den Stadt­bas­lern eine klei­ne Mehr­heit, aber sämt­li­che Basel­bie­ter Gemein­den hat­ten kein Musik­ge­hör, allen vor­an jene im Ober­ba­sel­biet, wo die Geg­ner oft mit 80 bis 90% Nein­stim­men dominierten.

Rein ratio­nal betrach­tet hät­te die Fusi­on der bei­den Halb­kan­to­ne auf ver­schie­de­nen Ebe­nen Vor­tei­le gebracht. Aber die Ratio ist nicht alles. Es scheint ganz so, dass ein­mal mehr die geschicht­li­chen Hin­ter­grün­de — wenn auch meist unbe­wusst — den Aus­schlag für das kla­re Nein auf Sei­ten des Basel­biets gege­ben haben.

Wer etwas mehr über die­se Hin­ter­grün­de erfah­ren möch­te, dem sei der Roman “Die Revo­luz­zer” des Bas­ler Autors Wer­ner Ryser wärms­tens emp­foh­len. Ryser hat sich schon mit frü­he­ren his­to­ri­schen Fres­ken (u.a. Das Ket­zer­weib, Wal­li­ser Toten­tanz) einen Namen gemacht, und er ent­täuscht auch dies­mal nicht. Far­big und leben­dig ent­fal­tet er dar­in einen Rei­gen ein­drück­li­cher Per­sön­lich­kei­ten, — allen vor­an Mathis Jacob, Päch­ter eines Bau­ern­hofs am Obe­ren Hau­en­stein, und Doro­thea Sta­e­he­lin, die aris­to­kra­ti­sche Besit­ze­rin aus der Stadt.

Am Sonn­tag, den 16. Juli 1775, woll­te Mathis Jacob, des­sen Vater Päch­ter auf dem Senn­hof Sankt Wen­de­lin am Obe­ren Hau­en­stein war, mit der acht­zehn­jäh­ri­gen Bar­ba­ra Strub vor den Trau­al­tar tre­ten. Die Zeit dräng­te, denn die Braut war bereits im vier­ten Monat schwan­ger, und ihr Zustand wür­de sich nicht mehr lan­ge ver­ber­gen las­sen. Was noch fehl­te, war der Ehe­schein, der in der Kanz­lei des Schlos­ses aus­ge­stellt wur­de und für den eine Gebühr von zwei Pfund zu ent­rich­ten war. Gleich­zei­tig wur­den Uni­form und Waf­fen inspi­ziert, wel­che sich die Wehr­män­ner der Land­mi­liz, der Mathis wie jeder Basel­bie­ter ange­hör­te, auf eige­ne Kos­ten anschaf­fen muss­ten. Mathis hat­te sein Stein­schloss­ge­wehr und das Bajo­nett gerei­nigt, und jetzt, vier Tage vor der Hoch­zeit, war er in der blau­ro­ten Mon­tur, die sei­ne Mut­ter am Vor­abend aus­ge­bürs­tet hat­te, unter­wegs Rich­tung Schlossberg.

So beginnt die Erzäh­lung, und sie führt die Lese­rin und den Leser über fast 400 Sei­ten durch die tur­bu­len­ten Ereig­nis­se vor und nach der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on, und über das Napo­leo­ni­sche Inter­mez­zo bis zur höchst unhar­mo­ni­schen und defi­ni­ti­ven Tren­nung von Stadt und ehe­ma­li­gem Unter­ta­nen­ge­biet 1832/33. Sub­til leuch­tet Ryser das Innen­le­ben und die Lie­bes­wir­ren der Roman­fi­gu­ren aus und lässt sie so höchst authen­tisch wir­ken. Das gilt ins­be­son­de­re auch für die Schil­de­rung des dama­li­gen Bas­ler “Daig”, an wel­cher der aktu­el­le “Daig” wahr­schein­lich kei­ne all­zu gros­se Freu­de haben dürfte …

Der span­nen­de Mix von den prä­zi­se recher­chier­ten Ereig­nis­sen in Stadt und Land mit den von Ryser teil­wei­se erfun­de­nen his­to­ri­schen Prot­ago­nis­tin­nen und Prot­ago­nis­ten macht den Roman zu einem wah­ren Lese­ver­gnü­gen, — und man ver­steht die Bas­ler und die Basel­bie­ter nach gehab­ter Lek­tü­re erst noch etwas besser.

Fazit: Per­fekt für die kom­men­den lan­gen Winterabende 🙂

Wer­ner Ryser. Die Revo­luz­zer. Cos­mos Ver­lag 2017. Der Preis schwankt je nach Anbie­ter zwi­schen 30 und 40 Fr.

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