Die Gemeinde hat Ende August über die «Gesamtentwicklung» in einem Infoanlass die Birsfelder*innen auf den neusten Stand gebracht. In einer losen Serie kommentieren wir in den nächsten Wochen, was uns so aufgefallen ist.
Heute: Neue Ideen für alte Lasten
Fast so gekonnt wie Steve Jobs damals bei Apple hatte unser Gemeindepräsident bei der Gesamtschau der aktuellen Entwicklungsareale grösstenteils Bekanntes, Erwartetes oder durch halbwegs glaubwürdige Quellen bereits Verratenes präsentiert. Für einen wahrhaftigen «one more thing»-Moment hat schliesslich das Auftauchen des Sportplatz-Areals als mögliche Wohnbaufläche gesorgt. Das kam unerwartet.
Zwar ist dieses Projekt erst im Status einer «Idee», aber es sind schon ein paar Vorarbeiten im Gang oder gar erledigt. Die Firma BPM-Sports, bekannt als Ausarbeiterin der Schwimmhallen-Verpacht-Ausschreibung, wurde zu Beginn des Jahres mit der Erarbeitung eines Masterplans Sportanlagen beauftragt. Das Ergebnis dieses Masterplans wurde uns leider noch nicht freigegeben. Wir werden aber sicher noch genauer darüber berichten, sofern wir etwas in Erfahrung bringen können. Sicher ist bis jetzt, dass die in die Jahre gekommene Birsfelder Sportanlage Sternenfeld (Baujahr 1965) und die Roche-Sportstätte nebenan einen gewissen Sanierungsbedarf haben. Auch die Sporthalle, gebaut anno 2002, kann von Baustil und Preis her nicht für die Ewigkeit konzipiert worden sein. Darum überlegt man sich im Gemeinderat nun, ob das Sportliche nicht etwas kondensiert und mit Wohnungsbau auf der freigewordenen Fläche eine Neuerstellung quersubventioniert werden könnte.
Der Plan scheint schon in diesem Station Stadium ausgegorener zu sein, als die Seghers’sche Immobilienstrategie damals, bei welcher der Sportplatz auch irgend eine Rolle gespielt hätte (die Feuerwehr sollte in die umgebaute Roche-Halle oder so). Jedenfalls sind aber schon damals Bedenken über die Eignung des Areals aufgetaucht, da sich an dieser Stelle früher eine Deponie befunden hat. Ein Luftbild aus dem Jahr 1953 zeigt die Ausmasse dieser Grube. Wir haben dies mit der heutigen Nutzung und dem Bodenbelastungskataster abgeglichen. Durch Schieben der Regler inder folgenden Grafik wird die Situation hoffentlich für alle verständlich:
Quelle der Bilder:
Zonenplan und Bodenbelastungskataster: geoview.bl.ch
Luftbild: Bundesamt für Landestopografie swisstopo (map.geo.admin.ch)
Die gelbe Schraffierung bedeutet, dass der Boden als belasteter Ablagerungsstandort (also als Deponie) genutzt wurde. Es seien aber im Gegensatz zur blauen Fläche “keine schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erwarten”. Wir erinnern uns aber gerne, dass die letzte Bodensanierung an der Rüthihardstrasse (Alterswohnungen) die Gemeinde einige Hunderttausend Franken kostete. Und es brauchte damals einen Nachtragskredit, denn auch Altlasten wissen zu überraschen, wie die damaligen Erläuterungen zum Kredit beweisen:
Der angenommene Perimeter gemäss historischem Altlastenkataster für die Rüttihardstrasse 4 zeigte sich grösser und durch die vorgefundenen Altlasten (Betonfässer) auch weitaus aufwändiger in der Sanierung.
Nun, die Altlasten sollen das Denken nicht verbieten. Aber sie sollen sicher nicht vergessen gehen bei den neuen Ideen.
Christoph Meury
Okt 14, 2020
Altlasten werden vorerst immer schöngeredet, es ist aber richtig, dass man das Erbe unserer Vorväter ernst nimmt und vorgängig seriös abklärt, was die Herren dort verbuddelt haben. Das klassische Entsorgungsmodell «Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn« funktioniert leider nicht mehr. Heute heisst dies Recycling, oder noch besser Kreislaufwirtschaft und meint, dass unser Güsel aufbereitet und wiederverwertet wird. Aber die Entsorgung von Altlasten kostet und jemand muss diese Bescherung bezahlen. Das ist richtig und daher ist der Fingerzeig von Florian Dettwiler richtig und es wäre angezeigt seriöse Abklärungen zu treffen bevor man in die Planung einsteigt.
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Das betrifft daher auch unseren Antrag betreffend Erwerb der Parzellen im Gebiet «Sternenfeld West« durch die Gemeinde Birsfelden. Nachwievor finden wir es richtig, dass sich die Gemeinde um die entsprechenden Parzellen im Geviert «Sternenfeld West« bemüht. Nur so haben wir die Kontrolle, was dort passiert und nur als Besitzerin ist die Gemeinde legitimiert eine Planung nach ihrem Gusto zu lancieren. Siehe «Wir machen Nägel mit Köpfen« https://www.birsfaelder.li/wp/politik/wir-machen-naegel-mit-koepfen‑1/
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Antrag: Erwerb der Parzellen im Gebiet «Sternenfeld West«
durch die Gemeinde BirsfeldenDer Lenkungsausschuss «Hafen Birsfelden 2040+« geht in seinem sogenannten Strategiepapier davon aus, dass der Hafenperimeter vorläufig nicht angetastet wird. Hingegen sollen die Gebiete außerhalb dieses Perimeters durchaus einer Weiterentwicklung zugeführt werden. Einerseits gibt es Pläne für die ehemalige Staatsgrube, andererseits auch für das Gebiet «Sternenfeld West«, entlang der Sternenfeldstrasse.
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Auf der einschlägigen Website wird die mögliche Entwicklung folgendermaßen skizziert:
«Westlich der Sternenfeldstrasse befinden sich zahlreiche Gewerbebetriebe, dahinter liegen die Sportplätze. Die ca. 2,5ha große Parzelle verfügt über bedeutendes Verdichtungs- und Aufwertungspotential. Der Kanton Basel-Landschaft als Eigentümer und die Gemeinde Birsfelden streben eine Transformation zu dichteren Dienstleistungsnutzungen an. Auch ein eventueller Wohnanteil zu den Sportplätzen hin ist denkbar. Ziel ist es, dem Gewerbegebiet ein neues Gesicht zu geben. So wird Südport interessanter für Firmen, welche nebst dem industriellen Umfeld auch eine attraktive Adresse für Empfangs- und Büroräumlichkeiten suchen.
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Beeinflusst wird die Entwicklung der Parzelle auch durch den geplanten Bau des Rheintunnels. Letzterer ist eines der zentralen Ausbauprojekte der Region Basel zur Erhöhung der Verkehrskapazität und Reduktion der Stauzeiten. Die Parzelle westlich der Sternenfeldstrasse wird während der Bauzeit voraussichtlich für den Tagebau und den Baustelleninstallationsplatz benötigt. Gemäß heutiger Planung kann der Baustart 2029 erfolgen. Das Bundesamt für Straßen ASTRA rechnet mit einer Bauzeit von acht Jahren. Die Abhängigkeiten zwischen den Entwicklungsabsichten und dem Tunnelbau werden zurzeit zwischen dem ASTRA, der Gemeinde und dem Kanton Basel-Landschaft genauer untersucht, um eine Entwicklung der Parzelle nach dem Bau des Tunnels zu ermöglichen.« http://www.südport-birsfelden.ch/de/home/
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Im ersten Moment scheint es zweckmäßig, dass die Gemeinde sich an der Transformation von «Sternenfeld West« beteiligt. Da das Land aber vollumfänglich dem Kanton Basel-Landschaft gehört, ist wenig sinnvoll ein Gebiet durch eine Transformation einem höheren Mehrwert zuzuführen, wenn der Profit, dann wiederum beim Kanton BL hängenbleibt. Man sollte nicht die gleichen Fehler endlos wiederholen. Bereits jetzt erhalten die beiden Kantone die von der SRH erwirtschaften Hafengewinne vollumfänglich. Baselland erhält dabei 60%, d.h. rund 4.5 Mio. Franken (2019). Die Gemeinde Birsfelden erhält dabei keinen Anteil.
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Wie wir verschiedentlich gesehen haben werden die Areale im Hafenperimeter (ebenfalls im Besitz des Kantons BL) zu extrem tiefen Baurechtszinsen vergeben. D.h. die Landbewertung sind historisch tief. Die Landpreise liegen bei Baurechtszinsen von unter 10.- CHF/p.a. D.h. weit unter marküblichen Zinsen. Normalerweise werden solche Areale zu marktüblichen Preisen, heißt: über 22.-CHF/p.a. vergeben. Kapitalisiert man die Baurechtszinsen mit 3%, würde eine Parzelle von 10’000 m² rund 3.4 Mio. CHF kosten. Daher erachten wir es als sinnvoll, wenn die Gemeinde bemüht wäre, das ganze «Sternenfeld West« käuflich zu erwerben. Dafür müsste sich die Gemeinde natürlich verschulden. Dies stellt aber eine lohnende Investition in die Zukunft der Gemeinde dar. Damit erwirbt Birsfelden das Recht die ganze Zone eigenständig zu entwickeln und später den erwirtschaften Mehrwert zurück in die Gemeindekasse fließen zu lassen. Aber nicht nur der Mehrwert würde in unsere Kasse fließen, sondern auch die entsprechenden Baurechtszinsen und wenn die Gemeinde nach dem Kriterium eines verpflichtenden Steuer- und Geschäftssitzes in Birsfelden die Firmen auswählt, auch steuerlich ein lohnendes und nachhaltiges Geschäft.
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Birsfelden, 8. Juli 2020 / Franz Büchler und Christoph Meury
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PS.: Tolle visuelle Dokumentation! Danke an Florian.