In ihrem Buch “Sis­ters in Spir­it” schildert die His­torik­erin Sal­ly R. Wag­n­er, wie sie beim Erforschen der Lebensläufe der ersten Fem­i­nistin­nen auf amerikanis­chem Boden vor einem Rät­sel stand:
Zwanzig Jahre lang hat­te ich mich in die Schriften der frühen amerikanis­chen Frauen­recht­lerin­nen Matil­da Joslyn Gage (1826–1898) und Eliz­a­beth Cady Stan­ton (1815–1902) ver­tieft, aber ich kon­nte nicht begreifen, wie sie es wagten, ihren rev­o­lu­tionären Traum zu träu­men. Diese Frauen lebten unter der ide­ol­o­gis­chen Hege­monie der Vere­inigten Staat­en des 19. Jahrhun­derts und hat­ten wed­er in der Regierung noch in der Reli­gion, der Wirtschaft oder dem gesellschaftlichen Leben etwas zu sagen. Was ließ sie glauben, dass men­schliche Har­monie, Respekt vor dem Leben der Frauen und gle­iche Rechte für Frauen erre­ich­bar wären? Sicher­lich haben diese weißen Frauen, die unter Bedin­gun­gen lebten, die sie mit der Sklaverei ver­glichen, ihre Vision nicht in einem Vaku­um entwickelt.

Zwar gab es unter den “Grün­dervätern” mit Thomas Paine einen Mann, der wahrschein­lich das erste Plä­doy­er für Gle­ich­berech­ti­gung zwis­chen den Geschlechtern veröf­fentlichte. Er war offen­sichtlich von der britis­chen Ver­fech­terin der Frauen­rechte, Mary Woll­stonecraft, bee­in­flusst und behauptete in seinem 1775 im Penn­syl­va­nia Jour­nal erschiene­nen Auf­satz, der Mann sei der Unter­drück­er der Frau.
Doch die Forderun­gen nach Frauen­recht­en während der Rev­o­lu­tion wur­den ignori­ert. Sobald die Rev­o­lu­tionäre ihre Macht gefes­tigt hat­ten, bracht­en sie die Frauen in eine poli­tis­che Unterord­nung, die sog­ar noch strenger war als die der Kolonialzeit.

Es war der Kon­takt mit den iroke­sis­chen Frauen, welch­er die Dinge ins Rollen brachte.
Sal­ly Wagner:
Die europäis­che Inva­sion in Ameri­ka führte zu einem Völk­er­mord. Das ist die wichtig­ste Geschichte des Kontakts.
Aber sie ist nicht die einzige. Während sich die Europäer darauf konzen­tri­erten, die Indi­an­er zu chris­tian­isieren und zu “zivil­isieren”, sie umzusiedeln und abzuschlacht­en, schlossen sie auch Verträge ab, lebten mit ihnen zusam­men und lern­ten von ihnen. Regelmäßiger Han­del, kul­tureller Aus­tausch und sog­ar Fre­und­schaft zwis­chen amerikanis­chen Ure­in­wohn­ern und Euroamerikan­ern verän­derten die Ein­wan­der­er. Nir­gend­wo wurde diese soziale Inter­ak­tion vielle­icht deut­lich­er als in den Städten und Dör­fern im Hin­ter­land von New York, wo Matil­da Joslyn Gage lebte, Eliz­a­beth Cady Stan­ton aufwuchs und Lucre­tia Mott zu Besuch war. Alle drei führen­den Suf­fraget­ten kan­nten Hau­denosaunee-Frauen, Bürg­erin­nen der Sechs-Natio­nen-Kon­föder­a­tion, die lange vor der Ankun­ft von Kolum­bus in dieser “alten” Welt Frieden untere­inan­der geschlossen hatten.

So saß Stan­ton bei ihren häu­fi­gen Besuchen bei ihrem Cousin, dem radikalen Sozialak­tivis­ten Ger­rit Smith, in Peter­boro, New York, manch­mal den Onei­da-Frauen am Esstisch gegenüber. Smiths Tochter (die eben­falls Eliz­a­beth hieß) gehörte zu den ersten, die sich der zwanzig Pfund schw­eren Klei­dungsstücke entledigten, die nach der Mode an der Taille jed­er modis­chen Frau hän­gen soll­ten und die in der Regel durch das Korsett gefährlich deformiert waren. Das Reformkostüm, das Eliz­a­beth Smith annahm (nach dem Zeitungsredak­teur, der es pop­ulär gemacht hat­te, “Bloomer” genan­nt), ver­sprach die Gesund­heit und den Kom­fort der lock­er sitzen­den Tuni­ka und der Leg­gings, die von den indi­an­is­chen Fre­un­den der bei­den Eliz­a­beths getra­gen wurden.

Eliz­a­beth Cady Stan­tons Cou­sine wurde nach einem Onei­da-Häuptling benan­nt, und ihr eng­ster Nach­bar in Seneca Falls war ein adop­tiert­er Onondaga.

Eliz­a­beth Cady Stan­tons Cousin, Peter Ske­nan­doah Smith, wurde nach einem Onei­da-Fre­und der Fam­i­lie, Häuptling Ske­nan­doah, benan­nt. Auch ihr näch­ster Nach­bar in Seneca Falls, Oren Tyler, stammte aus dem Ononda­ga-Volk, mit dem er fre­und­schaftlichen Umgang pflegte und von dem er adop­tiert wurde. Er sprach ihre Sprache fließend, und Grup­pen von Ononda­gas, die durch Seneca Falls zogen, um ihre Per­lenar­beit­en und Körbe zu verkaufen, “sucht­en ihren ‘Brud­er auf”, wie sie Kapitän Tyler nan­nten, der sich immer mehr mit ihnen anfreundete.

Im Wikipedia-Artikel zu Stan­ton:  kein Wort dazu.

Im Som­mer 1848 besucht­en Lucre­tia Mott und ihr Mann die Seneca Nation,
wo sie miter­lebten, wie Frauen gle­ich­berechtigt an Diskus­sio­nen und Entschei­dung­sprozessen teil­nah­men, während die Seneca-Nation ihre Regierungsstruk­tur änderte. Lucre­tia beobachtete, wie die Frauen der Einge­bore­nen die Erd­beerz­er­e­monie planten, eine ganz und gar nicht christliche Tra­di­tion der spir­ituellen Führung durch Frauen. Mit ihrer fem­i­nis­tis­chen Vision, beflügelt durch ihre Erfahrun­gen aus erster Hand mit der poli­tis­chen, spir­ituellen, sozialen und wirtschaftlichen Autorität der Frauen, reiste Mott von der Seneca-Nation in das nahe gele­gene Seneca Falls, wo sie und Stan­ton im Juli den ersten Frauen­recht­skongress der Welt einberiefen.

Matil­da Joslyn Gage ihrer­seits wurde in den Wolf-Clan der Mohawk Nation adop­tiert. Ich erhielt den Namen Ka-ron-ien-ha-wi, oder ‘Sky Car­ri­er’, oder  “Die, die den Him­mel hält”, schrieb sie. “Es ist ein Clan­name der Wölfe.
Sie wurde in den Iroke­sen­rat der “Matro­nen” aufgenommen.

Das alles sind überzeu­gende Hin­weise darauf, dass die “Hau­denosaunee Con­fed­er­a­cy” nicht nur bei der Entste­hung der amerikanis­chen Ver­fas­sung mithalf, son­dern auch entschei­dend wichtige Impulse für die Frauen­rechts­be­we­gung setzte.

Die näch­ste Folge wie immer am kom­menden Don­ner­stag, den 26. Juli

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Mattiello am Mittwoch 23/16
Die Reichsidee 83

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