In der poli­tis­chen Sphäre kämpften nicht nur Arthur Schlesinger gegen die Erken­nt­nis des indi­ge­nen Ein­flusses auf die Amerikanis­che Ver­fas­sung, son­dern auch kon­ser­v­a­tive Poli­tik­er wie Pat Buchanan oder pop­ulis­tis­che Dem­a­gogen wie Rush Lim­baugh.
So wet­terte Buchanan:
Wenn man die Idi­otie sieht, dass die amerikanis­che Ver­fas­sung irgend­wie ein direk­ter Nachkomme der Doku­mente der Iroke­sen-Kon­föder­a­tion ist — das ist alles Schund und Unsinn. Es geht darum, kün­ftige Amerikan­er zu Men­schen zu machen, die ihre eigene Geschichte und Herkun­ft verachten …
Rep­lik von Johansen: 
Wie kann Buchanan behaupten, dass jed­er, der glaubt, die Iroke­sen hät­ten zu unser­er poli­tis­chen Kul­tur beige­tra­gen, seine eigene Geschichte und Kul­tur ver­achtet? Hat Buchanan eine ver­steck­te ras­sis­tis­che Agen­da? Warum soll die Anerken­nung der Iroke­sen andere Quellen unseres Erbes, ein­schließlich der­er aus Europa verunglimpfen?

In seinem Buch “The Way Things Ought to Be” klagte Lim­baugh sein­er­seits an:
Mul­ti­kul­tur­al­is­mus wird als Mit­tel ange­priesen, um die Amerikan­er für die unter­schiedlichen kul­turellen Hin­ter­gründe der Men­schen in diesem Land zu sen­si­bil­isieren. Es ist an der Zeit, das zu hin­ter­fra­gen. Was unter dem Deck­man­tel des Mul­ti­kul­tur­al­is­mus gelehrt wird, ist schlim­mer als Geschicht­sre­vi­sion­is­mus. Es ist mehr als eine Ver­drehung von Tat­sachen. Es ist die Eli­m­inierung von Fak­ten. In eini­gen Schulen wird Kindern beige­bracht, dass die Ideen der Ver­fas­sung von den Iroke­sen-Indi­an­ern entlehnt wur­den und dass Afrikan­er Ameri­ka ent­deckt haben.

Einen absoluten Tief­punkt erre­ichte die Diskus­sion mit dem Beitrag des Kolum­nis­ten Richard Gre­nier in der Wash­ing­ton Times. Er schrieb u.a. fol­gen­des:
Der Staat New York ehrt jet­zt in sein­er offiziellen Bil­dungspoli­tik die Iroke­sen-Nation als einen der wichtig­sten kul­turellen Ein­flüsse auf die amerikanis­che Zivil­i­sa­tion.… Warum sieht die US-Ver­fas­sung, auf die die Iroke­sen nun einen starken Ein­fluss haben sollen, nicht solche gut etablierten früheren Iroke­sen-Tra­di­tio­nen wie das Plün­dern und Ermor­den von rival­isieren­den Stamme­sange­höri­gen, alten Men­schen und Kindern, die zu klein sind, um nüt­zlich zu sein? Warum garantiert es nicht das Recht auf Vergewaltigung … 
Wenn die Iroke­sen behaupten kön­nen, die Ver­fas­sung bee­in­flusst zu haben, dann haben Men­schen mon­golis­ch­er Abstam­mung das Recht, darauf zu beste­hen, dass Dschingis Khan einen wesentlichen Ein­fluss auf die Ver­fas­sung der Vere­inigten Staat­en hatte.

Wir sind hier meilen­weit ent­fer­nt von ein­er fundierten und ser­iösen Auseinan­der­set­zung mit den Forschun­gen von Johansen und Grinde. Wer unter dem Ein­fluss von unver­rück­baren Scheuk­lap­pen polemisiert, kann auch mit den besten Argu­menten nicht umges­timmt werden.

Eine inter­es­sante Par­al­lele zur Ver­fas­sungs­diskus­sion zeigt sich in der Erforschung der Suf­fraget­ten-Bewe­gung in den Vere­inigten Staat­en des 19. Jhdts, in welch­er deren Vertreterin­nen sowohl für gle­iche poli­tis­che Rechte wie die Män­ner als auch für eine neue Beziehungskul­tur zwis­chen Mann und Frau auf der Basis absoluter Gle­ich­berech­ti­gung kämpften. Denn die Lage der Frauen war aus heutiger Sicht in der frühen amerikanis­chen Gesellschaft katas­trophal, wie die His­torik­erin Sal­ly Roesch Wag­n­er ein­drück­lich schildert:
Es war nicht nur so, dass euro-amerikanis­che Frauen keine Rechte hat­ten; sobald sie heirateten, hat­ten sie keine rechtliche Exis­tenz. “Die zwei sollen eins wer­den und der eine ist der Mann”, predigte das Chris­ten­tum. Dieses kanon­is­che (kirch­liche) Recht war in Gewohn­heit­srecht umge­wan­delt wor­den, wonach ver­heiratete Frauen rechtlich tot waren; daher kon­nten ver­heiratete Frauen wed­er das Sorg­erecht für ihre Kinder noch Rechte an ihrem eige­nen Eigen­tum oder Einkom­men haben, Verträge unterze­ich­nen, kla­gen oder verk­lagt wer­den oder wählen.
Bis Frauen­recht­lerin­nen in der let­zten Hälfte des neun­zehn­ten Jahrhun­derts began­nen, die Schei­dungs­ge­set­ze zu ändern, war die Schei­dung wed­er von der Kirche noch vom Staat erlaubt. Frauen, die vor einem gewalt­täti­gen Ehe­mann flo­hen, kon­nten von der Polizei zu ihm zurück­ge­bracht wer­den, so wie ent­laufene Sklaven zu ihrem Her­rn zurück­ge­bracht wur­den. Ehemän­ner kon­nten ein unge­borenes Kind weggeben, und das Baby wurde sein­er Mut­ter weggenom­men und seinem “recht­mäßi­gen Besitzer” übergeben. Und bis die “Mar­ried Women’s Prop­er­ty Acts” im Laufe des neun­zehn­ten Jahrhun­derts langsam von Staat zu Staat in Kraft geset­zt wur­den, gehörte alles Geld, das eine Frau ver­di­ente oder erbte, uneingeschränkt ihrem Mann.

Eine ver­heiratete Frau war “namen­los, mit­tel­los und kinder­los”.…, auch wenn sie “eine Frau, Erbin und Mut­ter” war. Als sie ein Ende dieser Ungerechtigkeit forderten, wur­den die frühen Suf­fraget­ten als hoff­nungslose Träumerin­nen abgestem­pelt, weil sie sich eine Welt vorstell­ten, die so ein­deutig gegen die Natur ver­stieß, und, schlim­mer noch, als Ket­zerin­nen, weil sie es wagten, Gottes göt­tlichen Plan in Frage zu stellen.

Zu diesen “hoff­nungslosen Träumerin­nen” gehörten Eliz­a­beth Cady Stan­ton, Matil­da Joslyn Gage und Lucre­tia Mott. Stan­ton und Gage ver­bre­it­eten u.a. mit “The Woman’s Bible” und “Woman, Church and State” für die dama­lige Zeit abso­lut rev­o­lu­tionäres Gedankengut. Woher nah­men diese Frauen den Mut, sich gegen die tief ver­ankerten gesellschaftlichen Struk­turen in der Geschlechter­beziehung aufzulehnen?

Wahrschein­lich ahnen es die geneigten birsfälder.li-Leserinnen und — Leser schon: Auch hier kom­men die Iroke­sen, oder bess­er: die Irokesin­nen ins Spiel.

Dazu mehr in der näch­sten Folge am kom­menden Don­ner­stag, den 14. April!

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Mattiello am Mittwoch 23/14
Die Reichsidee 81

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