Hier fol­gt der let­zte Teil der Rede Deska­hehs kurz vor seinem Tod. Der erste Teil find­et sich hier, der zweite hier.

 Also, Jungs und Mädels, wenn Ihr erwach­sen werdet und das Recht ein­fordert, zusam­men zu leben und euch selb­st zu regieren — und das soll­tet ihr auch — und wenn ihr das gle­iche Recht anderen Völk­ern nicht zugeste­ht — und ihr werdet stark genug sein, euren eige­nen Weg zu gehen — dann werdet ihr Tyran­nen sein, nicht wahr? Wenn Euch dieses Wort nicht gefällt, ver­wen­det ein besseres, wenn Ihr eines find­en kön­nen, aber lasst Euch durch das Wort nicht, täuschen das Ihr dann verwendet.

Jungs, Ihr respek­tiert eure Väter, weil sie Mit­glieder eines freien Volkes sind und ein Mit­spracherecht in der Regierung haben, die über ihnen ste­ht, und weil sie geholfen haben, sie zu schaf­fen und sie für sich selb­st geschaf­fen haben und sie an euch weit­ergeben wer­den. Wenn ihr wüsstet, dass eure Väter nichts mit der Regierung zu tun haben, der sie unter­ste­hen, son­dern nur Unter­ta­nen des Wil­lens ander­er Men­schen sind, kön­ntet ihr nicht zu ihnen auf­schauen und sie kön­nten Euch nicht ins Gesicht sehen. Sie wären dann keine echt­en Män­ner. Das wären wir auch nicht.

Die Väter in unserem Volk waren echte Män­ner. Sie schreien jet­zt auf gegen die Ungerechtigkeit, als etwas anderes behan­delt und als Unfähige beze­ich­net zu wer­den, die von einem anderen Volk regiert wer­den müssen — das heißt von den Men­schen, die so über sie denken.

Jungs — denkt darüber nach. Tut es, bevor Euer Ver­stand die Kraft ver­liert, die Idee zu begreifen, dass es neben Eurem eige­nen Volk noch andere Völk­er auf dieser Welt gibt, die ein gle­ich­es Recht haben, hier zu sein. Ihr seht, dass ein so starkes Volk wie das Eure eine große Gefahr für andere Völk­er in eur­er Nähe darstellt. Schon jet­zt ist Euer Wille fast Gesetz in dieser Welt, in der Euch nie­mand aus­peitschen kann. Denkt daran, was es bedeutet, wenn Ihr mit dem Willen aufwachst, anderen Völk­ern gegenüber ungerecht zu sein, zu glauben, dass alles, was Eure Regierung anderen Völk­ern antut, kein Ver­brechen ist, wie böse es auch sein mag. Ich hoffe, dass die irischen Amerikan­er das hören und darüber nach­denken wer­den — das haben sie immer getan, wenn ihnen der Schuh am Fuß drückte.

Dies ist die Geschichte der Mohawks, die Geschichte der Onei­das, der Cayu­gas — ich bin ein Cayu­ga -, der Ononda­gas, der Senecas und der Tus­caro­ras. Sie sind die Iroke­sen. Erzählt es denen, die nicht zuge­hört haben. Vielle­icht wird man mich daran hin­dern, es zu sagen. Aber wenn ich daran gehin­dert werde, sie weit­erzuerzählen, was ich hoffe, wird die Geschichte nicht ver­loren gehen. Ich habe sie bere­its Tausenden von Zuhör­ern in Europa erzählt — sie ist in die Akten einge­gan­gen, wo Eure Kinder sie find­en kön­nen, wenn ich vielle­icht tot bin oder im Gefäng­nis sitze, weil ich es gewagt habe, die Wahrheit zu sagen. Ich habe diese Geschichte in der Schweiz erzählt — in der kleinen Schweiz herrscht Rede­frei­heit. Man kann dort öffentlich die Wahrheit sagen, auch wenn es für einige große Leute unbe­quem ist.

Diese Geschichte kommt direkt von Deska­heh, einem der Häuptlinge der Cayu­gas. Ich bin der Sprech­er des Rates der Sechs Natio­nen, des ältesten heute noch beste­hen­den Völker­bun­des. Er wurde von Hiawatha gegrün­det. Es ist ein Bund, der immer noch am Leben ist und der die Rechte der Iroke­sen so gut wie möglich vertei­di­gen will, unter ihren eige­nen Geset­zen in ihren eige­nen kleinen Län­dern zu leben, die ihnen jet­zt noch verbleiben, ihren Großen Geist auf ihre eigene Weise zu verehren und die Rechte zu genießen, die so sich­er die ihren sind, wie die Rechte des weißen Mannes die seinen sind.

Wenn Ihr der Mei­n­ung seid, dass den Iroke­sen Unrecht getan wird, schreibt Briefe aus Kana­da an Eure Par­la­mentsmin­is­ter und aus den Vere­inigten Staat­en an Eure Kon­gress­ab­ge­ord­neten und teilt ihnen ihnen dies mit. Sie wer­den euch zuhören, denn ihr wählt sie. Wenn sie gegen uns sind, fragt sie, wann und wie sie das Recht bekom­men haben, über Men­schen zu regieren, die nicht an eur­er Regierung beteiligt sind und nicht in eurem Land, son­dern in ihrem eige­nen Land leben. Das kön­nen sie euch nicht sagen.

Ein Wort mehr, damit Ihr unsere Leute nicht vergesst. Wenn sie nicht gewe­sen wären, wärt Ihr nicht hier. Hät­ten unsere Krieger vor ein­hun­dert­sech­sund­sechzig Win­tern den Briten in Que­bec nicht geholfen, wäre Que­bec nicht an die Briten gefall­en. Die Fran­zosen hät­ten dann eure englis­chsprachi­gen Vor­fahren mit Sack und Pack aus diesem Land ver­trieben. Dann wäre heute ein franzö­sis­chsprachiges Volk hier, nicht Ihr. Dieser Teil eur­er Geschichte kann nicht durch den Dieb­stahl unser­er Wampumgür­tel aus­gelöscht wer­den, in denen das fest­ge­hal­ten ist.

Ich kön­nte Euch noch viel mehr über unser Volk erzählen, und das werde ich vielle­icht ein anderes Mal tun, wenn Ihr es wünscht.

——

Eine nach der anderen zählte Deska­heh die Vere­in­barun­gen auf, die feier­lich und auf Treu und Glauben von jed­er der bei­den großen Regierun­gen getrof­fen wor­den waren und die den Indi­an­ern ihr eigenes Land, eine gerechte Behand­lung und Unab­hängigkeit garantiert hatten.

Krank, fiebernd und verzweifelt erhob Deska­heh seine Stimme, um seine let­zte stolze Botschaft zu sprechen.

Am näch­sten Mor­gen lag Deska­heh in einem Kranken­haus in Rochester. Acht Wochen später wusste er, dass er im Ster­ben lag, und bat darum, zu Clin­ton Rickards Haus im Tus­caro­ra-Reser­vat zurück­ge­bracht zu werden.

Während er sich auf seine Reise ent­lang der Milch­straße in die Geis­ter­welt vor­bere­it­ete, ver­sucht­en sein Brud­er, seine Frau und seine Kinder, die Gren­ze bei den Nia­garafällen zu über­queren, um bei ihm zu sein, was ihnen jedoch ver­wehrt wurde.

Am 27. Juni 1925 starb er, allein und mit Blick auf das Land der Sechs Natio­nen, dem er zu dienen ver­sucht hatte.

Weiße Amerikan­er und weiße Kanadier haben wenig getan, um die Geschichte von Deska­heh lebendig zu hal­ten. Nur wenige haben den kleinen Stein gese­hen, der sein Grab in den Grab­stät­ten des Cayu­ga-Lang­haus­es markiert. Noch weniger wollen sich an seine Worte erin­nern. Sie bere­it­en dem weißen Mann Unbe­ha­gen, weil sie sich so nach­drück­lich auf das zeit­genös­sis­che Denken über die Einge­bore­nen beziehen, auf die Geset­zesvorschläge in den geset­zgeben­den Kör­per­schaften der Staat­en und der Natio­nen, die trotz ihrer Vere­in­barun­gen, (in Deska­hehs Worten) “kleine Völk­er zu schützen und die Ein­hal­tung von Verträ­gen zu erzwin­gen”, die Indi­an­er immer noch als inkom­pe­tent betra­cht­en, die zu ihrem eige­nen Wohl von weis­eren Nach­barn regiert wer­den sollten.

Aber die Iroke­sen erin­nern sich. Und wenn sie von Deska­heh sprechen, wer­den die weißen Män­ner, die seine Geschichte ken­nen, unruhig und fra­gen sich, ob sie und ihre Regierun­gen durch einen unwahrschein­lichen Zufall einem großen Mann Unrecht getan haben könnten.

Das englis­che Orig­i­nal dieses Textes find­et sich hier

Am näch­sten Don­ner­stag, den 1. Dezem­ber wer­fen wir einen Blick in das span­nende Buch des deutschen Kul­tur­sozi­olo­gen Thomas Wag­n­er: “Iroke­sen und Demokratie

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Mattiello am Mittwoch 22/47
Die Reichsidee 64

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