Am 5. Juni 2016 stimmen wir im Kanton Basel-Landschaft über zwei Initiativen ab die eine Veränderung im Schulwesen verhindern sollen. Beide (Parlamentarischen)Initiativen stammen aus der Küche »Starke Schule Baselland«–Grüne Unabhängige–Jürg Wiedemann:
• Änderung vom 24. September 2015 des Bildungsgesetzes (Parlamentarische Initiative vom 30. Januar 2014, «Einführung Lehrplan 21»)
• Änderung vom 24. September 2015 des Bildungsgesetzes (Parlamentarische Initiative vom 8. Mai 2014, «Verzicht auf kostentreibende Sammelfächer»)
Um sich mit diesen Initiativen beschäftigen zu können, sind einige Vorkenntnisse notwendig. Denn beide Initiativen ergeben sich aus einer Kette von Volksentscheiden:
Bildungsartikel – Harmos – Bildungsraum Nordwestschweiz – Lehrplan 21. Der Lehrplan 21 unterstand wie alle Lehrpläne bis heute keinem Volksentscheid, die Kompetenz Lehrpläne zu erlassen liegt beim Bildungsrat. Ob Volksentscheide und Parlamentsentscheide in Sachen Lehrpläne sinnvoller sind, steht hier noch nicht zur Diskussion.
Der Bildungsartikel
Am 21. Mai 2006 sagte das Schweizer Volk Ja zu einem neuen Bildungsartikel in der Bundesverfassung, eigentlich mehrere Teile innerhalb der Verfassung. Und das mit 85,6% Ja zu 14,4% Nein. In sechs Kantonen gab es gar über 90% Ja, in zwei Kantonen unter 60% Ja. Das Resultat zeigt, es war ein grosses Anliegen der Bevölkerung, etwas in Richtung einer »Schule Schweiz« zu tun.
Die neue Bildungsverfassung wollte das bisherige Nebeneinander der kantonalen Bildungssysteme in einen einheitlichen »Bildungsraum Schweiz« umwandeln. Übergeordnetes Ziel war es, die Qualität zu sichern und die Mobilität der Bevölkerung durch einheitliche Eckwerte zu erleichtern.
Konkret erhielten Bund und Kantone in einem neuen Verfassungsartikel die Aufgabe, gemeinsam für eine hohe Qualität und eine hohe Durchlässigkeit des Bildungsraums zu sorgen. Angestrebt wurden diese Ziele unter anderem durch gemeinsame Eckwerte beim Schuleintrittsalter, der Dauer der obligatorischen Schule, den Zielen der verschiedenen Bildungsstufen sowie bei der Anerkennung der Abschlüsse.
Die Kantone, welche weiterhin über die Schulhoheit verfügen, sollten diese Punkte vereinheitlichen. Falls sie sich nicht einigen können, kann der Bund einschreiten und die notwendigen Vorschriften erlassen.
Das Harmos Konkordat
Die Kantone taten sich mit dieser Aufgabe recht schwer. Der berühmte Kantönligeist grassierte weiterhin. Doch mit den Jahren brachten die Kantone das »Harmos-Konkordat« zustande. Der Inhalt zusammengefasst:
• Verlängerung der obligatorischen Schulzeit auf elf Jahre mit Einführung einer Vorschule oder Eingangsstufe anstelle des bisherigen Kindergartens,
• Benennung der übergeordneten Ziele der obligatorischen Schule für die ganze Schweiz. d.h. ein gemeinsamer Lehrplan, um der erhöhten Mobilität und der Chancengleichheit gerecht zu werden,
• Bezeichnung von Instrumenten der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung auf nationaler Ebene, um die Anforderungen anzugleichen,
• Bestimmung von Instrumenten verbindlicher Bildungsstandards. Hiermit ist gemeint, dass vermehrt Lernmethoden und Recherchefertigkeiten gelernt werden anstatt vor allem Faktenwissen. Dies, um die Schülerinnen und Schüler auf eine sich schnell verändernde Welt vorzubereiten,
• Anpassungen an nationale und internationale Portfolios.
Im Kanton Basel-Landschaft wurde der Beitritt zu Harmos in einer Volksabstimmung mit 56% Ja beschlossen. Der Kanton Basel-Landschaft war einer der letzten Beitrittswilligen.
7 Kantone haben den Beitritt abgelehnt. Vor allem ein (auch der SVP nahestehendes) Komitee kämpfte gegen den früheren obligatorischen Kindergartenbesuch …
In der gleichen Abstimmung ging es auch um den Bildungsraum Nordwestschweiz. Dieses Abkommen wurde mit 68% Ja angenommen. Dabei ging es vor allem um die verbesserte Koordination in der Nordwestschweiz. Speziell wurde die Gymnasialzeit einheitlich auf 4 Jahre festgelegt.
Ein grosses Minus für diese Konkordate ist, dass sich die Kantone für die Primarschule nicht auf eine einheitliche Fremdsprache und auf einen einheitlichen Fremdsprachenbeginn einigen konnten. Dies nehmen die Gegner der gesamten Harmonisierung zum Anlass das ganze »Harmos« inklusive Lehrplan 21 sterben zu lassen.
Und so steht uns irgendwann die nächste Initiative der Starken Schule Baselland ins Haus, nämlich die Initiative »Ja zum Austritt aus dem überteuerten und gescheiterten Harmos-Konkordat«. Dass man dieses Konkordat mit der Zeit verbessern könnte, scheint den Initianten nicht möglich zu sein. Inwiefern die Starke Schule Baselland von den Grünen Unabhängigen da beeinflusst wird oder umgekehrt, ist eigentlich nicht relevant, teilen doch die beiden Organisationen in Birsfelden Postfach und Sekretärin.
Der Lehrplan 21 (LP21)
Die ersten Schritte auf dem Weg zu einem sprachregionalen Lehrplan wurden im Jahr 2004 gemacht. Als alle Kantone positiv reagierten, wurde das Projekt Lehrplan 21 lanciert. Es wurde in zwei Teile aufgeteilt: In einer ersten Phase wurden die Grundlagen des Lehrplans erarbeitet (2006 — 2010). In einer zweiten Phase wurde der Lehrplan erarbeitet (2010 — 2014). Im Jahr 2014 wurde der Lehrplan den Kantonen zur Einführung übergeben. Einen ziemlich genauen Plan des Ablaufs der Erarbeitung des LP21 finden Sie hier.
In den kommenden Abstimmungen stehen die Inhalte des LP21 nicht zur Diskussion, es geht nur darum, wer die Kompetenz (Zwinkersmiley) haben soll, diesen LP21 einzuführen oder abzuschiessen! Damit Sie nicht nur die Argumente der Gegner hören, was bis jetzt hauptsächlich derFall war, können Sie alle Kritikpunkte und die Stellungnahme der LP21-Erarbeitenden hier nachlesen.
Uff, das war harte Kost. Lassen Sie sich Zeit, schauen Sie auch die Links an. Wenn man zu komplexen Sachgeschäften Stellung nehmen muss – und sei es nur mit JA oder NEIN – erfordert dies ein bisschen Kenntnisse, wenn man nicht einfach den am lautesten Schwatzenden nachrennen will.
Titelbild aus dem Buch »Mattiello, cartoons polit-strips« 1974, Lenos Presse Basel
Und die Weisheit zur Sache von Kurt Marti:
wo chiemte mer hi
wenn alli seite
wo chiemte mer hi
und niemer giengti
für einisch z’luege
wohi dass me chiem
we me gieng