Am 9. Februar 2020 werden wir über die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm abstimmen. Ich werde Ihnen dazu in den nächsten Wochen immer wieder einmal einen Text von Carolin Emcke vorlegen. Einen Text, der im engeren Sinne oder im weiteren Sinne mit dieser Strafnorm zu tun hat.
Carolin Emcke (* 18. August 1967 in Mülheim an der Ruhr) ist eine deutsche Autorin und Publizistin. Im Jahr 2016 wurde sie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Carolin Emcke lebt in Berlin und ist mit Silvia Fehrmann liiert.
Der Text zum Thema:
»Es ist eine ausgesprochen merkwürdige Erfahrung, dass etwas so Persönliches für andere so wichtig sein soll, dass sie für sich beanspruchen, in unsere Leben einzugreifen und uns Rechte oder Würde absprechen wollen. Als sei die Art wie wir lieben für andere bedeutungsvoller als für uns selbst, als gehörten unsere Liebe und unsere Körper nicht uns, sondern denen, die sie ablehnen oder pathologisieren. Das birgt eine gewisse Ironie: Als definierte unsere Sexualität weniger unsere Zugehörigkeit als ihre. Manchmal scheint mir das bei der Beschäftigung der Islamfeinde mit dem Kopftuch ganz ähnlich. Als bedeutete ihnen das Kopftuch mehr als denen, die es tatsächlich selbstbestimmt und selbstverständlich tragen.«*
Die Rassismus-Strafnorm beinhaltete bis jetzt die Diskriminierung von Rasse, Ethnie und Religion. Neu dazu kommt nun auch die sexuelle Orientierung. Den Text der Rassismus-Strafnorm bekommen Sie hier.
Wie es zur Rassismus-Strafnorm kam, können Sie hier nachlesen.
Gegen diese Erweiterung um die sexuelle Orientierung haben die EDU und die SVP das Referendum ergriffen, sie sprechen von einem Zensurgesetz.
Dazu Altständerat Claude Janiak:
Die Meinungsäusserungsfreiheit werde mit dieser Änderung der Strafnorm nicht eingeschränkt, betonte Claude Janiak: »Der Stammtisch ist nicht in Gefahr. Sie dürfen weiterhin, wenn Sie es wollen, gute Witze erzählen, auch über Schwule. Es gebe gute Witze, über die man lachen könne«, so Janiak. »Aber man darf nicht Hass säen. Aufrufe zu Hass und Herabwürdigung bestimmter Bevölkerungsgruppen haben mit Meinungsäusserung nichts zu tun.«
Da die gleichen Äusserungen zur eingeschränkten Meinungsäusserungsfreiheit immer wieder vorgebracht wurden, sah sich die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus verpflichtet zu umschreiben, was man noch sagen darf: Nämlich fast alles!
*Der Text von Carolin Emcke stammt aus ihrer Rede anlässlich der Übergabe des »Friedenspreis des Deutschen Buchhandels«. Die vollständige Rede finden Sie hier.
Sollten Sie sich über Gegenargumente kundig machen wollen, können Sie die Meinung der Initianten unter den Links EDU und SVP weiter oben anklicken. Oder Sie können das Elaborat von Bischof Marian Eleganti anklicken.
Alle Artikel zur Erweiterung der Rassismus-Strafnorm finden Sie hier.
Und das Schlusswort von Lisa Herzog:
Wem es mit dem Ideal des freien Menschen ernst ist,
der muss den Einzelnen dabei unterstützen,
frei sein zu können.
Christoph Meury
Jan 7, 2020
Am 9. Februar 2020 werden wir über die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm abstimmen. Die Rassismus-Strafnorm beinhaltete bis jetzt die Diskriminierung von Rasse, Ethnie und Religion. Neu dazu kommt nun auch die sexuelle Orientierung. Das ist gut so.
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Interessant, dass die katholische Kirche sich wiedereinmal mehr oder weniger diskret in die Abstimmung einmischt. Weihbischof Marian Eleganti befürchtet, dass ein Verbot der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung dazu missbraucht würde, politische Gegner mundtot zu machen.Er warnt vor «Meinungsterror und Intoleranz».
https://www.bzbasel.ch/schweiz/churer-weihbischof-warnt-vor-meinungsterror-und-intoleranz-und-macht-stimmung-gegen-das-antirassismusgesetz-136186232?utm_source=shared-email&utm_medium=shared&utm_campaign=Social%20Media
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Der katholische Chefheuchler ist mit Sicherheit prädestiniert sich über Sexualität, über sexuelle Orientierung und über entsprechendes Normverhalten zu äussern. Seine Adlaten haben sich bis anhin eher im Bereich sexuelle Übergriffe und Pädophili qualifiziert. Da die Kirche ihre amoklaufenden Pfaffen immer noch nicht im Griff hat und die Thematik schwer tabuisiert ist, sollten sie ihr moralisches Tummelfeld eingrenzen und zuerst mit sich und ihrem kriminellen Handeln ins Reine kommen.
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Zudem ist es heuchlerisch sich vor «Meinungsterror und Intoleranz» zu fürchten. Da müsste der oberschlaue Churer Hirte zuerst seine Schafherde domestizieren und seinen Untertanen endlich im Grundsatz erklären, was Toleranz heisst und wie man Toleranz praktiziert. Die katholische Kirche ist für mich persönlich der Inbegriff für ein Höchstmass an Intoleranz und Meinungsterror. Und dies seit Jahrhunderten. Die Inquisition und die Hexenverbrennungen lassen grüssen… Da wird der aktuelle PR-Papst auch nichts daran ändern…
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Man würde dem Churer Bischof doch einfach gerne ein schlichtes «Klappe halten!« zurufen.
Alex Gasser
Jan 7, 2020
Auf in den Kampf, lieber Christoph, gegen die Minderheit von Chur. und schon bist du im gleichen Boot: Die Minderheit ist für dich Meinungsbildung für alle Katholiken. Willst du einen Religionskrieg heraufbeschwöre? Die Ordonanzsackmesser meines Vater hätte ich noch!
Christoph Meury
Jan 7, 2020
Danke für’s Angebot. Als friedfertiger Mensch kam ich leider nie in den Genuss einer entsprechenden militärischen Ausbildung und könnte das schwere Gerät eines Ordonanzmessers vermutlich gar nicht adäquat bedienen.
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Vielleicht das einzig positive am Zölibat und dem entsprechenden Keuschheitsgelübde, die Herren vermehren sich nicht, wie die Karnickel. Und in der Statistik zeigt die Kurve der Mitgliederzahlen der Katholen steil nach unten, d.h. wir können uns getrost zurücklehnen, die Rasselbande schafft sich selber ab.
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Aber! Es nervt mich, wenn die Presse diesem Religionskrieger jedesmal das Mikrophon hinhält und unkommentiert und ohne jegliche Gegendarstellung alles abdruckt, was dem Herrn aus Chur grad so privat einfällt. Die Presse ist auf dem katholischen Auge des öftern ziemlich blind und agiert unbedarft.
Monika Zech
Jan 7, 2020
Also von mir aus, und damit bin ich wahrscheinlich in umfangreicher Gesellschaft, können Menschen vögeln mit wem sie wollen. Sofern wirklich beide wollen. Ich weiss noch nicht, ob es eine Verschärfung der Rassismusstrafnorm braucht, um diese Haltung zu manifestieren. Ich bin mitten im Meinungsbildungsprozess;-). Was ich aber journalistisch absolut daneben finde, zu dieser Abstimmung einzig Carolin-Emke-Häppchen zu publizieren. Wenn man nur deren Definition von Diskriminierung als Richtschnur nimmt, verhalten wir uns fast alle irgendwie irgendwem diskriminierend gegenüber. Ihre Verharmlosung, respektive das Schönreden des Kopftuchtragens («selbstbestimmt», haha), ist ein Faustschlag für Frauen, die seit Jahrzehnten gegen jegliche moralische und uns Frauen diskriminierende Verhaltensregel, aufgestellt von irgendwelchen Relionsheinis kämpfen. Ich bitte deswegen darum, diese Vorlage aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu kommentieren. Sonst lässt man es lieber ganz sein.
Franz Büchler
Jan 7, 2020
Es ist ja das Schöne an dieser Art des Schreibens, dass alle die Möglichkeit haben, ihre Meinung dazu zu sagen. Ich muss und will nicht unbedingt auf alle Seiten Wasser tragen. Darum heisst es in unserer Kopfzeile auch »parteiungebunden aber tendenziös«. Ich, mit meinen Zitaten von Carolin Emcke, Sie mit Ihrer Meinung zum Kopftuchtragen. Im Satz der endet »… mehr als denen, die es tatsächlich selbstbestimmt und selbstverständlich tragen.«, verharmlost Carolin Emcke nichts. Sie macht einen Vergleich.
Christoph Meury
Jan 7, 2020
Wie ich die Sache verstanden habe regelt die Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm nicht die sexuellen Gepflogenheiten.
Das Schweizer Stimmvolk wird darüber entscheiden, ob Aufrufe zu Hass und Diskriminierung gegen homosexuelle Personen strafbar werden. «Die Erweiterung der Strafnorm gewährleistet ein sicheres Leben für Lesben, Bisexuelle und Schwule» (LOS-Geschäftsleiterin Anna Rosenwasser).
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Als Solist kann Franz nicht die ganze Meinungs- und Argumentationsvielfalt abdecken. Es liegt an den aufmerksamen LeserInnen die Beiträge mit ihren Ergänzungen, Erweiterungen, oder kritischen Anmerkungen zu komplettieren. Die Kommentare sind gewollt und vervollständigen den Impulsbeitrag von Franz: Sharing-Reporting!
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Also: Go on, Moni! Als Journalistin und engagierte Feministin bist du prädestiniert den alten weissen Männern mal zu zeigen, wo Bartli in Sachen Diskriminierung und Schwulenhetze den Most holt. Ich bin gespannt.
Alex Gasser
Jan 7, 2020
Meine kirche ist in birsfelden und wir haben keinen pfarrer, aber frauen und männer, die sich engagieren
dr Schtefan vom Schtausee
Jan 7, 2020
Ich finde die Rassismus-Strafnorm sollte noch etwas erweitert werden und auch FCB Fans schützen.
FCB Anhänger werden beschimpft, mit hasserfüllten Sprechgesängen verhöhnt oder gar tätlich angegriffen.
Ich wünsche allen einen friedlichen Abend.
Franz Büchler
Jan 7, 2020
Lieber Stefan,
von den Diskussionen über die Konzernverantwortungsinitiative kenne ich dich irgendwie differenzierter und ernsthafter.
Oder irre ich mich?
dr Schtefan vom Schtausee
Jan 7, 2020
Lieber Franz
Muss den zwingend jeder Kommentar ernsthaft und differenziert sein? Ich frage mich allerdings grundsätzlich, was genau die sexuelle Orientierung mit einer Antirassismus Strafnorm zu tun hat.
Mit gutem Recht darf doch nun jede Minderheit verlangen,
mittels Antirassismus Gesetz geschützt zu werden.
Also z.B. FCB Fans, Veganer, Bienenzüchter, etc.
Sind nun gewisse Minderheiten schützenswerter als andere? Gegen gar keine Minderheit soll gehetzt werden und niemand soll diskriminiert werden!
Es gibt ein LGBT Komitee, dass diese Initiative bekämpft. Ich weiss nicht wer in diesem Komitee dabei ist. Jedoch sind mir folgende Aussagen dieses Gremiums sehr sympathisch: “Wir wollen gleichwertig akzeptiert und nicht als schwache Minderheit behandelt werden”, sowie: “Wir wollen Gleichstellung und keine Sonderrechte”.
Franz Büchler
Jan 8, 2020
Lieber Stefan,
Eigentlich ist es nicht gut den geläufigen Titel »Antirassismus Gesetz / Strafnorm« zu verwenden, da hast du recht. Strafgesetzbuch Artikel 261bis hat eigentlich den Titel »Diskriminierung und Aufruf zu Hass«.
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Nein, nicht jeder Kommentar muss ernsthaft und differenziert sein. Da hast du schon recht. Auch Ironie und Witz dürfen durchaus ihren Platz haben.
Und ja alle Minderheiten sollen vor Hass und Hetze geschützt sein, das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Das Zitat des LGBT-Nein-Komitee hat durchaus etwas Richtiges. Nur haben halt nicht alle Menschen die gleiche Stärke, das gleiche Selbstbewusstsein.
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Der Vergleich mit den FCB-Fans, Veganern, Bienenzüchter, könnte noch viel weiter gefasst werden, mit Rieblikultivierern, Facebookern, Nasebohrern, etc. Der Effekt: Damit wird das ernsthafte Anliegen des Gesetzes — zumindest nach meiner Sicht — einfach lächerlich gemacht.
Das will ich nicht.
Christoph Meury
Jan 8, 2020
Manchmal scheint es mir wichtig, dass man die Betroffenen selber zu Worte kommen lassen sollte. Daher hier kurz die Stellungnahme des Pro-Komitees:
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Pro-Komitee informierte über den Schutz vor Hass am 9. Februar 2020
Eine breite Allianz aus lesbischwulen Organisationen, politischen Parteien und der Zivilgesellschaft setzt sich für ein Ja zum Schutz von Lesben, Schwulen und Bisexuellen vor Hassrede und Diskriminierung ein. Das Pro-Komitee informierte an der heutigen Medienkonferenz über die Vorlage und legte ihre Argumente dar.
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Medienmitteilung vom 28. November 2019
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In den letzten Jahren ist die Akzeptanz gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen in der Schweizer Gesellschaft stetig gewachsen und die Einwohner*innen der Schweiz begegnen der lesbischwulen Community mehrheitlich mit Offenheit. Trotzdem sind viele Menschen in der Schweiz wegen ihrer sexuellen Orientierung nach wie vor Hass, Hetze und Diskriminierung vor allem aus extremistischen Kreisen ausgesetzt. Viele solcher Fälle waren in den letzten Jahren in den Medien präsent. In der Schweiz gibt es heute noch keine gesetzliche Grundlage, um rechtlich gegen Fälle von Hass und Diskriminierung gegen Lesben, Schwule und Bisexuelle vorzugehen.
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Für Matthias Erhardt, Co-Präsident vom Komitee«Ja zum Schutz vor Hass» besteht dringender Handlungsbedarf: «Diskriminierung und Hassrede haben nicht nur direkten Einfluss auf das Leben von Lesben, Schwulen und Bisexuellen – Hetze und Verleumdung gegenüber einzelnen Bevölkerungsgruppen schüren auch Verunsicherung, spalten die Gesellschaft und schaden dem sozialen Zusammenhalt in der Schweiz.»
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Parlament und Bundesrat haben deswegen im Dezember 2018 die Erweiterung der Anti-Rassismusstrafnorm um die sexuelle Orientierung beschlossen. Lesben, Schwule und Bisexuelle sollen den gleichen Schutz erhalten, wie ihn bspw. jüdische Menschen erhalten. Allerdings wurde gegen diese Gesetzeserweiterung das Referendum ergriffen. Die Schweizer Stimmbevölkerung stimmt am 9. Februar 2020 über den Schutz vor Hass ab.
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Eine breite Allianz aus lesbischwulen Organisationen, Menschenrechts-NGOs, Kirchen und Parteien hat sich deshalb zusammengefunden, um sich für das Ja am nächsten Urnengang einzusetzen. Das Ja zum Schutz vor Hass wäre ein klares Zeichen gegen die Homophobie und würde eine gesetzliche Grundlage schaffen, die den Anforderungen einer modernen Gesellschaft gerecht würden. Michel Müller, Kirchenratspräsident der reformierten Kirche Kanton Zürich,betont beispielsweise: «Gerade im Hinblick auf die Geschichte der Kirche, will und muss sie sich in der Gegenwart für den strafrechtlichen Schutz einsetzen, dort wo Menschen diffamiert, diskriminiert oder gar bedroht werden.»
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Das Komitee «Ja zum Schutz vor Hass» geht zudem auf die Behauptung der Gegner*innen ein: So hat die Erweiterung der bewährten Anti-Rassismusstrafnorm keine negative Auswirkung auf die Meinungsfreiheit. Strafbar werden soll gemäss Abstimmungsvorlage der öffentliche Aufruf zu Hass und Diskriminierung bzw. die systematische Herabsetzung und Verleumdung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen. Was ein Mensch denkt oder auch einmal in seinem Freundeskreis oder am Stammtisch äussert, fällt nicht unter die erweiterte Strafnorm. Allgemein gehaltene kritische Äusserungen über bestimmte sexuelle Orientierungen genügen nicht für eine Strafverfolgung oder Verurteilung. Es wird weiterhin möglich sein, auch kontroverse Meinungen zu äussern und Diskussionen zu führen.
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Salome Zimmermann, Co-Präsidentin der Lesbenorganisation LOS und ehemalige Bundesverwaltungsrichterinführt aus: «Meinungsfreiheit hört da auf, wo die Menschenwürde verletzt wird. Es ist ganz klar: Hass ist keine Meinung.»
Bereits heute wenden Strafverfolgungsbehörden und Gerichte das Gesetz zurückhaltend an. In jedem Fall werden Meinungsfreiheit und Menschenwürde gegeneinander aufgewogen und der Wichtigkeit dieser beiden Grundrechte Rechnung getragen. Dies ist dem Komitee «Ja zum Schutz vor Hass» ein wichtiges Anliegen.
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Die Erweiterung des Anti-Rassismusgesetzes ist ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen und ein wichtiges Instrument, um gegen Hass, Hetze und Diskriminierung vorzugehen. Diese Haltung teilen nicht nur die lesbischwulen Verbände, sondern auch zahlreiche NGOs wie Amnesty International, kirchliche Kreise wie die reformierte Landeskirche und Parteien von links bis bürgerlich.
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Das Komitee ruft die Schweizer Stimmbevölkerung deshalb dazu auf, am 9. Februar ein Ja in die Urne zu legen und ein Zeichen gegen Hass zu setzen.