Noch etwas weiter entfernt von realisierbaren Veränderungen des Komsumverhaltens ist Erich Fromm, wenn er als Nächstes fordert:
● Gesunder und vernünftiger Konsum ist nur möglich, wenn wir das Recht der Aktionäre und Konzernleitungen, über ihre Produktion ausschließlich vom Standpunkt des Profits und Wachstums zu entscheiden, drastisch einschränken.
Solche Änderungen könnten durch Gesetze herbeigeführt werden, ohne dass die Verfassungen der westlichen Demokratien geändert werden müssten. (Es gibt bereits eine Reihe von Gesetzen, die im Interesse des öffentlichen Wohls die Eigentumsrechte beschneiden.) Worauf es ankommt, ist die Macht, die Richtung der Produktion zu bestimmen, nicht der Kapitalbesitz als solcher. Langfristig werden die Bedürfnisse der Verbraucher darüber entscheiden, was produziert wird, sobald der suggestive Einfluss der Werbung wegfällt.
Diese Forderungen liegen inzwischen gut 50 Jahre zurück. Fromm wäre mit Sicherheit zutiefst geschockt, wenn er mit dem heutigen Ausmass der Werbung in den Medien konfrontiert wäre. Und dass Regierungen Massnahmen zur Einschränkung der Freiheit von Konzernleitungen und Aktionären ergreifen könnten, — zum jetzigen Zeitpunkt undenkbar. Auch seine Hoffnung auf die Einsicht in der Bevölkerung selber hat “Fata Morgana”-Charakter:
Alle diese Veränderungen können nur Schritt für Schritt und mit Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit vorgenommen werden. Das Endresultat wird ein neues Wirtschaftssystem sein, das vom heutigen westlichen Kapitalismus ebenso weit entfernt ist wie vom zentralistischen Staatskapitalismus sowjetischer Prägung und wie von der totalen Wohlfahrtsbürokratie Schwedens.
Es versteht sich von selbst, dass die Konzerne von Anfang an ihre ungeheure Macht einsetzen werden, um solche Neuansätze im Keim zu ersticken. Nur der überwältigende Wunsch der Allgemeinheit nach gesunden und vernünftigen Formen des Konsums wäre imstande, den Widerstand der Industrie zu brechen.
Eine grosse Hoffnung setzt er auf Verbraucherorganisationen:
Eine wirksame Methode, mit der die Bevölkerung die Macht des Konsumenten demonstrieren kann, ist der Aufbau militanter Verbraucherorganisationen, die sich des „Verbraucherstreiks“ als Waffe bedienen.
Nehmen wir beispielsweise an, zwanzig Prozent der amerikanischen Autokäufer würden beschließen, keine privaten PKW’s mehr zu erwerben, weil diese im Gegensatz zu einem gut funktionierenden öffentlichen Verkehrssystem unwirtschaftlich, die Umwelt vergiftend und psychisch schädlich sind – eine Droge, die ein falsches Machtgefühl hervorruft, Neid auslöst und dem Einzelnen hilft, vor sich selbst davonzulaufen.
Heute kommt ein Personenwagen auf jede zweite in der Schweiz lebende Person, Kleinkinder, Jugendliche und Alte inbegriffen. Kommentar überflüssig.
Verbraucherorganisationen gibt es heute natürlich, aber ihr Ziel ist lediglich, dafür zu sorgen, dass die Konsumenten qualitativ gute Produkte zu fairen Preisen erhalten. Fromm weiter:
Aber selbst eine gut organisierte Verbraucherbewegung genügt nicht, solange die großen Konzerne so viel Macht besitzen, wie dies heute der Fall ist. Denn alles, was von der Demokratie noch übrig ist, wird zwangsläufig dem technokratischen Faschismus, einer Gesellschaft satter, nicht denkender Roboter zum Opfer fallen – genau jener Art von Gesellschaft, die man unter dem Namen „Kommunismus“ so sehr fürchtete –, wenn es nicht gelingt, die Macht der multinationalen Konzerne über die Regierungen und die Bevölkerung (via Gedankenkontrolle durch Gehirnwäsche) zu brechen.
Die Vereinigten Staaten haben eine Tradition, durch Antitrust-Gesetze die Macht der Großunternehmen einzuschränken. Die öffentliche Meinung kann durchsetzen, dass der Geist dieser Gesetze auf die bestehenden industriellen Supermächte angewandt wird und diese zu kleineren Einheiten entflochten werden.
Schöne Tradition, die aber schon lange bröckelte und gerade von Trump und seinen Milliardär-Kumpels definitiv entsorgt wird …
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