Unter dem Titel “Der neue Mensch” hat Erich Fromm auf­ge­lis­tet, wel­che inne­re Hal­tun­gen und inne­re Errun­gen­schaf­ten einen sol­chen “neu­en Men­schen” aus­ma­chen. Die Lis­te ist lang, aber jeder ein­zel­ne Punkt ist einer ver­tief­ten Betrach­tung wür­dig. Sie hält uns einen Spie­gel vor und lässt uns erken­nen, wo wir auf dem lan­gen Weg der inne­ren Rei­fung — die sich aus der Sicht des birsfaelder.li-Schreiberlings über vie­le Erden­le­ben hin­weg zieht — in etwa ste­hen. Sie soll hier des­halb inte­gral vor­ge­stellt werden:

Die Funk­ti­on der neu­en Gesell­schaft ist es, die Ent­ste­hung eines neu­en Men­schen zu för­dern, des­sen Cha­rak­ter­struk­tur fol­gen­de Züge aufweist:

die Bereit­schaft, alle For­men des Habens auf­zu­ge­ben, um ganz zu sein

Sicher­heit, Iden­ti­täts­er­le­ben und Selbst­ver­trau­en, basie­rend auf dem Glau­ben an das, was man ist, und auf dem Bedürf­nis nach Bezo­gen­heit, auf Inter­es­se, Lie­be und Soli­da­ri­tät mit der Umwelt, statt des Ver­lan­gens, zu haben, zu besit­zen und die Welt zu beherr­schen und so zum Skla­ven des eige­nen Besit­zes zu werden

Annah­me der Tat­sa­che, dass nie­mand und nichts außer uns selbst dem Leben Sinn gibt, wobei die­se radi­ka­le Unab­hän­gig­keit und Nicht­heit (no-thing­ness) die Vor­aus­set­zung für ein vol­les Enga­giert­sein sein kann, das dem Geben und Tei­len gewid­met ist

die Fähig­keit, wo immer man ist, ganz gegen­wär­tig zu sein

Freu­de aus dem Geben und Tei­len, nicht aus dem Hor­ten und der Aus­beu­tung ande­rer zu schöpfen

Lie­be und Ehr­furcht vor dem Leben in allen sei­nen Mani­fes­ta­tio­nen zu emp­fin­den und sich bewusst zu sein, dass weder Din­ge noch Macht noch alles Tote hei­lig sind, son­dern das Leben und alles, was des­sen Wachs­tum fördert

bestrebt zu sein, Gier, Hass und Illu­sio­nen so weit, wie es einem mög­lich ist, zu reduzieren

imstan­de zu sein, ein Leben ohne Ver­eh­rung von Ido­len und ohne Illu­sio­nen zu füh­ren, weil eine Ent­wick­lungs­stu­fe erreicht ist, auf der der Mensch kei­ner Illu­sio­nen mehr bedarf

bestrebt zu sein, die eige­ne Lie­bes­fä­hig­keit sowie die Fähig­keit zu kri­ti­schem und unsen­ti­men­ta­lem Den­ken zu entwickeln

imstan­de zu sein, den eige­nen Nar­ziss­mus zu über­win­den und die tra­gi­sche Begrenzt­heit der mensch­li­chen Exis­tenz zu akzeptieren

sich bewusst zu sein, dass die vol­le Ent­fal­tung der eige­nen Per­sön­lich­keit und der des Mit­men­schen das höchs­te Ziel des mensch­li­chen Lebens ist

wis­sen, dass zur Errei­chung die­ses Aner­ken­nung der Rea­li­tät nötig sind

wis­sen, dass Wachs­tum nur dann gesund ist, wenn es sich inner­halb einer Struk­tur voll­zieht, und den Unter­schied zwi­schen „Struk­tur“ als Attri­but des Lebens und „Ord­nung“ als Attri­but der Leb­lo­sig­keit, des Toten, zu kennen

Ent­wick­lung des eige­nen Vor­stel­lungs­ver­mö­gens, nicht nur zur Flucht aus uner­träg­li­chen Bedin­gun­gen, son­dern als Vor­weg­nah­me rea­ler Möglichkeiten

Ande­re nicht zu täu­schen, sich aber auch von ande­ren nicht täu­schen zu las­sen; man kann unschul­dig, aber man soll nicht naiv sein

sich selbst zu ken­nen, nicht nur sein bewuss­tes, son­dern auch sein unbe­wuss­tes Selbst – von dem jeder Mensch ein schlum­mern­des Wis­sen in sich trägt

sich eins zu füh­len mit allem Leben­di­gen und daher das Ziel auf­zu­ge­ben, die Natur zu erobern, zu unter­wer­fen, sie aus­zu­beu­ten, zu ver­ge­wal­ti­gen und zu zer­stö­ren und statt­des­sen zu ver­su­chen, sie zu ver­ste­hen und mit ihr zu kooperieren

unter Frei­heit nicht Will­kür zu ver­ste­hen, son­dern die Chan­ce, man selbst zu sein ‑nicht als ein Bün­del zügel­lo­ser Begier­den, son­dern als fein aus­ba­lan­cier­te Struk­tur, die in jedem Augen­blick mit der Alter­na­ti­ve Wachs­tum oder Ver­fall, Leben oder Tod kon­fron­tiert ist

wis­sen, dass das Böse und die Destruk­ti­vi­tät not­wen­di­ge Fol­gen ver­hin­der­ten Wachs­tums sind

wis­sen, dass nur weni­ge Men­schen Voll­kom­men­heit in allen die­sen Eigen­schaf­ten erreicht haben, aber nicht den Ehr­geiz zu haben, „das Ziel zu errei­chen“, ein­ge­denk, dass ein sol­cher Ehr­geiz nur eine ande­re Form von Gier und Haben ist

was auch immer der ent­fern­tes­te Punkt sein mag, den uns das Schick­sal zu errei­chen gestat­tet – glück­lich zu sein in die­sem Pro­zess ste­tig wach­sen­der Leben­dig­keit, denn so bewusst und inten­siv zu leben, wie man kann, ist so befrie­di­gend, dass die Sor­ge dar­über, was man errei­chen oder nicht errei­chen könn­te, gar nicht erst aufkommt.

Fort­set­zung am kom­men­den Frei­tag, den 17. Januar

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