Fort­set­zung der Zusam­men­fas­sung von Dr. Whit­ton zu den Erfahrun­gen der Zwis­chen­leben sein­er Proban­den im Bar­do-Zus­tand zwis­chen zwei Inkar­na­tio­nen.
Whit­ton leit­et das näch­ste Kapi­tel mit einem Spruch ein, der dem Kom­pon­is­ten Gus­tav Mahler zugeschrieben wird: Wir alle kehren zurück; diese Gewis­sheit gibt dem Leben einen Sinn …

Nimmt man die Reinkar­na­tion weg, ist das Leben zwis­chen den Leben eben­so unvorstell­bar wie ein Fluss ohne Ufer oder Schlaf ohne Wach­sein. Die Natur des Bar­do erfordert, dass jede kör­per­lose Erfahrung von irdis­chen Exis­ten­zen flankiert wird. Daher brauchen wir den Shut­tle der Wiederge­burt, der uns in die physis­che Verkör­pe­rung bringt und uns nach dem Tod in die imma­terielle Bewusst­sein­sebene zwis­chen den Leben zurück­führt.

Die Hypothese, dass wir dazu getrieben sind, immer wieder in ver­schiede­nen Kör­pern auf die Erde zurück­zukehren, wird durch kul­turelle Tra­di­tio­nen, religiöse Lehren und wis­senschaft-liche Forschun­gen gut unter­mauert. Aber alle Elo­quenz und alle Beweise der Welt wer­den diese Vorstel­lung für jeman­den, der sich dafür entschei­det, etwas anderes zu glauben, nicht schmack­hafter machen.
Die Akzep­tanz der Wiederge­burt geht Hand in Hand mit der Erforschung unser­er wahren spir­ituellen Natur, und in der mod­er­nen Gesellschaft gibt es kaum Anreize für eine solche Selb­stre­flex­ion. Die spir­ituelle Kom­po­nente des Men­schen wurde von ein­er west­lichen Zivil­i­sa­tion, die von dog­ma­tis­ch­er Kon­di­tion­ierung geprägt ist, ver­nach­läs­sigt, ja sog­ar ver­achtet. Charles Dar­wins „Die Entste­hung der Arten“, das in der zweit­en Hälfte des let­zten Jahrhun­derts so rev­o­lu­tionär war, deutete nur ansatzweise auf die Weite der men­schlichen Evo­lu­tion hin. Dar­win sprach nur von der physis­chen Ent­fal­tung. Er ließ das größere, kom­plexere The­ma der spir­ituellen Entwick­lung, die die Men­schheit durch vielfältige Bewusst­seinsverän­derun­gen von Leben zu Leben trägt, unberührt. (…)

Auf Blechknöpfen, die auf den Britis­chen Inseln verkauft wer­den, ste­ht witzig: „Rein­car­na­tion Is Mak­ing a Come­back” . Dabei ist dieser Trend nichts Radikales. Die Wiederge­burt wurde schon immer von den weis­es­ten spir­ituellen und philosophis­chen Denkern vertreten – von Pla­ton bis Jesus Chris­tus – und spielt in der Geschichte des men­schlichen Denkens und Han­delns eine wichtige Rolle.

Begin­nen wir mit unseren prähis­torischen Vor­fahren. Vor langer, langer Zeit akzep­tierten die ver­streuten Stämme der Welt die Reinkar­na­tion als ein Gesetz des Lebens. Der Tod bedeutete die Rück­kehr zur Mut­ter Erde, aus deren Schoß der Einzelne wieder aufer­ste­hen würde. Die Skelette des Nean­der­talers – die etwa zwis­chen 200.000 v. Chr. und 75.000 v. Chr. datiert wer­den – wur­den in Fötusstel­lung gefun­den, als wür­den sie auf die näch­ste Inkar­na­tion warten. Der schaman­is­che Glaube, der bis in die Alt­steinzeit vor 15.000 bis 25.000 Jahren zurück­re­icht, besagte, dass Men­schen und Tiere aus ihren Knochen wiederge­boren wer­den, in denen die essen­tielle Leben­skraft zu wohnen glaubte. In eini­gen nor­damerikanis­chen Indi­an­er­stäm­men musste jed­er, der Schamane wer­den wollte, sich an seine let­zten zehn Tode erin­nern. Stammes­gedächt­nis, alte Mythen und Fabeln, religiös­er Glaube und klas­sis­che Weisheit zeu­gen von der Überzeu­gung, dass wieder­holte Inkar­na­tio­nen für die spir­ituelle Entwick­lung eben­so wichtig sind wie die Abfolge der Jahre für die kör­per­liche Entwick­lung. Die Wiederge­burt wurde schon immer als Mech­a­nis­mus, als Rah­men­werk der Unsterblichkeit ange­se­hen: als Mit­tel, mit dem let­z­tendlich die vol­lkommene Erleuch­tung erre­icht wer­den kann.

Zwis­chen den Leben sind wir eins mit unserem himm­lis­chen Erbe. Wenn wir auf die Erde zurück­kehren, um unser Schick­sal in der Hitze der physis­chen Erfahrung weit­er zu schmieden, vergessen wir vorüberge­hend unsere Ver­trautheit mit der Quelle. Das ver­drängte Wis­sen über das Leben zwis­chen den Leben ver­wan­delt sich in Glauben und Überzeu­gung. Diese wiederum wer­den zur Reli­gion: eine Sehn­sucht und ein Streben nach dem Erhabenen, das zurück­ge­lassen wurde.
Die Lehre von der Reinkar­na­tion durchzieht die ehrwürdig­sten religiösen Schriften. In bud­dhis­tis­chen Tex­ten wird der Über­gang von einem Kör­p­er zum anderen mit der Flamme ver­glichen, die von ein­er Kerze zur anderen überge­ht, und die Seele wird dargestellt als etwas, das Kör­p­er nach ihren Bedürfnis­sen formt, so wie ein Gold­schmied seine Entwürfe in Gold schmiedet.
In alten Schriften find­en sich zahlre­iche Hin­weise auf das Rad der Wiederge­burt, das die Men­schen, gefes­selt durch die Ket­ten des Kar­ma, durch die Zyklen der Exis­tenz schleud­ert. Kar­maist der Name für den Fak­tor der Selb­st­bes­tim­mung, der die Bedin­gun­gen für die Rei­he von Inkar­na­tio­nen regelt. Wörtlich bedeutet Kar­ma „Hand­lung“ und ste­ht für das kom­plexe Zusam­men­spiel von Ursache und Wirkung in einem Leben nach dem anderen …  Der heilige Paulus sagte in Galater 6,7: „Was der Men­sch sät, das wird er auch ern­ten.“ Das ist die unper­sön­liche Buch­hal­tung des Kar­ma: Alles, was ein Men­sch denkt und tut, wirkt auf das Uni­ver­sum ein und erzeugt seine eigene Reak­tion.

Fort­set­zung am Fre­itag, den 19. Dezem­ber

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