Viel­leicht haben Sie im www.birsfälder.li schon vom ros­ti­gen Vogel gehört, den die Schü­le­rin­nen und Schü­ler des Kirch­matt-Schul­hau­ses vor eini­ger Zeit ver­ab­schie­det haben. Wenn nicht, kön­nen Sie sich hier kun­dig machen.
Unter­des­sen ist der Phö­nix noch in Revi­si­on, aber wie sie dem Titel ent­neh­men konn­ten dau­ert das nicht mehr lan­ge. Zeit also, dass wir uns auch ein wenig mit dem Künst­ler beschäf­ti­gen, der die­sen Phö­nix geschaf­fen hat. Wir machen dies hier mit einem knap­pen Lebens­lauf, einem kur­zen Por­trät und anschlies­send mit einem Inter­view, das Lou­is Kuhn* mit Ernes­to Oeschger gemacht hat:

Ernes­to Oeschger wur­de 1931 in Basel geboren.
Er besuch­te die Schu­len in Birs­fel­den. Nach der Schu­le mach­te er eine Aus­bil­dung zum Gold­schmied und zum Bildhauer.
1956–1970 Ate­lier und öffent­li­che Wer­ke in Basel/Birsfelden und im Tessin.
Ab 1970 wohn­haft in Intragna TI dem Aus­gangs­punkt sei­ner künst­le­ri­schen Tätig­kei­ten: Aus­stel­lun­gen im In- und Aus­land sowie Kunst­ak­tio­nen im Aussenraum.
Aus­ein­an­der­set­zung mit prä­his­to­ri­scher Kunst mit Frot­ta­gen ab Jung­stein­zeit im Alpen­bo­gen, in Schwe­den, in der Saha­ra, in Gali­ci­en u.a.

Wie war dei­ne Kind­heit in Birsfelden?
Sie­ben­jäh­rig verschlug’s mich 1938 vom Sel­tis­berg nach Birs­fel­den. Zum Glück — ich bin ein Sonn­tags­kind — kam ich zu ganz lie­ben Pfle­ge­el­tern in der Schüt­zen­stras­se 12. Von dort war’s ein Kat­zen­sprung zur Schu­le, wo das heu­ti­ge Muse­um steht. Ich höre noch heu­te das Dröh­nen unse­rer Kin­der­holz­schu­he im Win­ter auf den Trep­pen. Im Som­mer lie­fen wir bar­fuss, abge­här­tet gegen die Sti­che der Stop­peln über die Korn­fel­dern, wo wir Ähren lasen. Man ass mit Kar­tof­fel­mehl gestreck­tes Brot. Es zog Fäden. Ich litt wegen Man­gel­er­näh­rung unter Skor­but. S’war Krieg. Ich war bei der Bauch­lan­dung eines US-Bom­bers auf dem Ster­nen­feld 1944 dabei. An Sonn­ta­gen nahm mich mei­ne Mut­ter oft zu Muse­ums­be­su­chen in Basel mit. Sie hat mein Inter­es­se an Kunst und mei­ne Freu­de am Malen ent­deckt und geweckt.

Nach der Gold­schmie­de­leh­re in Basel, wo ich mir eine hohe Hand­fer­tig­keit erwarb, konn­te ich mein Talent für eige­ne neue Krea­tio­nen voll ent­fal­ten und an inter­na­tio­na­len Aus­stel­lun­gen teil­neh­men. Ab 1956 hat­te ich mein eige­nes  Ate­lier, ursprüng­lich ein Ross­stall, an der Mut­ten­z­er­stras­se. Par­al­lel zur Gold­schmie­de­kunst stieg ich in die Bild­haue­rei ein. Mei­ne ers­te öffent­li­che Skulp­tur, Dra-Dri-Druff, steht heu­te noch  im Kannenfeldpark.

Wie kam’s zur Schaf­fung der Eisen­plas­tik Phoe­nix?
1964 wur­de mein Ent­wurf in einem Wett­be­werb prä­miert. Ich besass gros­se Erfah­rung in fili­gra­nem Löten, aber das Schweis­sen einer vier Meter hohen Skulp­tur war für mich Neu­land. Beim Ver­bren­nen von rund 2000 Elek­tro­den per­fek­tio­nier­te ich suk­zes­si­ve mei­ne Tech­nik, um die Über­gän­ge von Flä­che zu Flä­che künst­le­risch zu gestal­ten. Ent­stan­den ist das Werk im Hof mei­nes Ate­liers, vor aller Augen. Mei­ne eige­nen haben dabei man­gels eines moder­nen Schweiss­hel­mes sehr gelitten.

Und das Thema?
Die Skulp­tur stellt den Phoe­nix dar, kräf­tig auf­tre­tend und auf­stre­bend wie flüg­ge Jun­ge. Dar­in spie­geln sich mei­ne eige­nen Kind­heits- und Jugend­er­leb­nis­se. Er will auch der heu­ti­gen Jugend Mut machen, Selbst-Ver­trau­en zu fas­sen, auf­recht den Weg in die Welt zu wagen. Eine ande­re ver­än­der­ba­re Skulp­tur von mir steht im Ein­gang des Sternenfeldschulhauses.
Der Betrach­ter kann, mit ihren drei beweg­li­chen Ele­men­ten spie­lend, sei­ne eige­nen Raum­er­leb­nis­se gestal­ten. The­ma­tisch ver­kör­pert sie ein Sta­di­um der Ver­trau­ens­bil­dung jun­ger Men­schen. Zwei gros­se offe­ne Scha­len, gleich­sam Eltern und Schu­le sym­bo­li­sie­rend, bie­ten dem unge­stü­men kan­ti­gen jun­gen Roh­ling in der Mit­te Halt und Schutz. Aber alles ist auch in Bewe­gung, ist Wag­nis und Öffnung.

Bis heu­te befasst du dich auch mit uralter Kunst.
Nicht nur mei­ne eige­ne Her­kunft, auch die der Kunst inter­es­siert mich zutiefst. Mein Schlüs­sel­er­leb­nis als Jüng­ling waren die Buch­ab­bil­dun­gen der Höh­len­ma­le­rei­en in Las­caux, die von vier Kin­dern 1940 ent­deckt wur­den. Sie lies­sen mich nicht mehr los, bis ich 1960 einen der vier mitt­ler­wei­le erwach­se­nen Ent­de­cker schick­sal­haft vor der Höh­le antraf und mit ihm die Ori­gi­nal­tier­dar­stel­lun­gen in der Höh­le erle­ben durf­te. Über­wäl­ti­gend. Eine eigent­li­che Initia­ti­on. Uner­hört die­se Höhe des Kunst­schaf­fens, vor sieb­zehn­tau­send Jah­ren,  von Men­schen wie wir, obwohl sie “nur” Noma­den waren.

Mein gros­ses Enga­ge­ment gilt bis heu­te dem Auf­spü­ren von open air Fels­zeich­nun­gen, mit Stei­nen in den Fels geschla­gen, in den Alpen, in der Saha­ra, u. a. auch in Gali­ci­en und Schwe­den. Davon habe ich, zeit­wei­se auch in Zusam­men­ar­beit mit Eli­sa­bet­ta Hugento­bler, sen­si­ble Abrie­be ange­fer­tigt. Es geht dabei um das Auf­spü­ren des Essen­ti­el­len in der archai­schen Kunst und ihre Bewah­rung als Quel­le der Inspi­ra­ti­on. Ich habe ein tie­fes Bedürf­nis, sie tak­til zu spü­ren, zu ertas­ten, mich in sie ein­zu­füh­len und ihre Hin­ter­grün­de zu erah­nen. Das ist die ele­men­tars­te Art der Begegnung.

Und eige­ne Werke?
Ja, da ist zum Bei­spiel mein drei Meter hoher, auf den Spitz gestell­ter, aus zwölf Bal­ken geform­ter Kubus — cubo blu — mit­ten im Tes­si­ner Alz­as­ca-Natur­berg­see. Die­se Plas­tik steht ver­ti­kal ver­an­kert auf einem Unter­was­ser­floss und tanzt, sacht vom Wind bewegt, auf den Wel­len.  Sel­ber blau wie der Pla­net Erde, unse­re Mut­ter Natur, die auf ihrer Was­ser­ober­flä­che den Kos­mos und die Kunst spie­gelt. In Zwie­spra­che mit dem Grün der Sträu­cher am Ufer und dem Herbst­gelb der Lär­chen. Eine ande­re Skulp­tur, aus vier blau­en Ste­len, steht auf dem Weg der Kunst im Verz­as­ca-Tal, spa­zio nel­lo spa­zio, blu: Kunst im offe­nen Land­schafts­raum, Land­schaft ver­in­ner­licht in der Kunst.  Aus­ge­rich­tet in der Nord-Süd­ach­se, aber offen in alle Himmelsrichtungen.

*Lou­is Kuhn war 1979–1989 Gemein­de­ver­wal­ter von Birs­fel­den und nach­her 1989–2004 der ers­te Ombuds­man des Kan­tons Basel-Landschaft.

 

Birsfelden von hinten 18/18
Wochenrückblick

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.