BEi dem wald melbe genant in dem land zů sach­sen / in dem dorff Knetlin­gen da ward Vlen­spiegel geboren vnd sein vat­ter hieß Claus vlen­spiegel vnd sein můter Ann wibeken vnd da sie des kinds gnas schick­ten sies gen Ample­nenin dz dorff zů dem tauff / vnd liessen es heis­sen Dyl vlnspiegel …
Da nun Vln­spiegel geteufft ward / vnd sie dz kind wider wolten geen knetlin­gen tra­gen / also wolt die tauf­f­goet­tel die dz kind trůge endlich vber ein steg gon / dz zwis­che knetlin­gen vnd ample­nen ist / vnd sie het­ten da zů vil birs getrunck­en nach der kind­to­effe / dann da ist die gewon­heit dz man die kinder nach der toe ffe in dz bier­huß tregt / vnd sind froelich vnd ver­trinck­en die kinder also / dz mag dan des kinds vat­ter bezaln / also fiel die goet­tel in die lachen / vnd besudelt sich vnd das kind so iemer­lich / das dz kind schi­er erstickt was. Da half­fen die andern frauwen der bad­mů­men mit dem kind wider vß / vnd gien­gen heim in ir dorff / vnd wůschen das kind in eim kessel / vnd macht­en es wider suber vnd schon.

Da ward vlen­spiegel eins tags drei mal geteufft / ein mal im tauff / ein mal in der lachen / vnd eins im kessel mit war­men wasser.

Mit dieser Schilderung der dreifachen Taufe des kleinen Dyl Ulen­spiegel begin­nt das wahrschein­lich 1515 in Strass­burg gedruck­te Buch “Ein kurtzweilig lesen von Dyl Ulen­spiegel geboren uss dem Land zu Brunswick: wie er sein Leben voll­bracht hatt; XCVI sein­er Geschicht­en”, das sich wie das einige Jahr vorher erschienene “Nar­ren­schiff” innert kurz­er Zeit dank der Über­set­zung in Latein, Franzö­sisch, Nieder­ländisch, Englisch und Pol­nisch zu einem europäis­chen Best­seller entwick­elte. Heute gebe es laut Wikipedia “Eulenspiegel”-Versionen in 280 Sprachen, — wenn das keine Kar­riere ist 😉 !

Nach der Über­liefer­ung wurde Dyl/Till im Jahre 1300 in Kneitlin­gen am Elm geboren und starb 1350 in Mölln. Sowohl Mölln wie Schöp­pen­st­edt, die “Stadt der Stre­iche”, betreiben ein Eulenspiegel-Museum.

Hat ein Schalk namens Dyl Ulen­spiegel tat­säch­lich gelebt? Die Tat­sache, dass in Mölln ein Gemälde von Ulen­spiegel im 15. Jhdt — also vor dem ersten Ulen­spiegel-Buch — existierte, kön­nte das nahelegen.

Viel inter­es­san­ter ist aber die Frage, was es mit dem Namen “Ulen­spiegel” auf sich hat. Wikipedia meint dazu:
Eine Abbil­dung in ein­er der ersten erhal­te­nen Aus­gaben des Eulen­spiegel (1515) zeigt ihn bere­its mit Spiegel und Eule in Hän­den, spätere Vari­anten sein­er Geschicht­en lassen ihn seine Stre­iche mit diesen Sym­bol­en sig­nieren oder dicht­en ihm diese auf den Grab­stein. Eule und Spiegel haben jew­eils eine alte Tra­di­tion und wur­den entsprechend gedeutet. Seit der griechis­chen Antike gibt es die lit­er­arisch-didak­tis­che Tra­di­tion des Spiegels (Laien­spiegel, Schwaben­spiegel und andere) zum Zweck der Selb­sterken­nt­nis sowie zum Abgle­ich von Soll- und Ist-Zus­tand. Eulen­spiegels Ver­hal­ten, Reden­sarten wörtlich zu nehmen, greift diesen Gedanken deut­lich auf. Fern­er ist der Spiegel auch ein Narrenattribut.

Die Eule galt im alten Griechen­land als Vogel der Weisheit, im Mit­te­lal­ter jedoch als Vogel des Teufels. Bei­de Bedeu­tun­gen des Sym­bols der Eule wur­den bei Namens­deu­tun­gen herange­zo­gen, da Till in seinen bloßstel­len­den Stre­ichen sowohl Weisheit und geistige Über­legen­heit demon­striere, aber auch teu­flis­che und zer­störerische Ideen habe.

Neben der Sym­bo­l­ik von Eule und Spiegel jew­eils allein liegen zudem ein oder auch mehrere Wort­spiele vor. Der Till Eulen­spiegel zugeschriebene Ausspruch „ick bin ulen spegel“ soll soviel bedeuten wie „Ich bin euer Spiegel“, also „Ich halte euch den Spiegel vor“. Wesentlich der­ber ist eine mit­tler­weile nicht mehr geläu­fige Assozi­a­tion: das mit­tel­niederdeutsche Wort ulen bedeutet auch „wis­chen“, und das Wort spegel hat auch die Bedeu­tung Gesäß (noch heute wird in der Jäger­sprache das helle Fell am Hin­terteil von Reh und Hirsch „Spiegel“ genan­nt). Der Aus­ruf Ul’n spegel bedeute also „Wisch mir’n Hin­tern“, vul­go „Leck mich am Arsch“ (Schwäbis­ch­er Gruß, Götzzitat).

Die Frage, wer denn nun der Ver­fass­er des Eulen­spiegel-Volks­buchs ist, über­lassen wir get­rost den Ger­man­is­ten, die sich — wie kön­nte es anders sein — deswe­gen seit langem in den Haaren liegen …

Zur ewigen Jugend Till Eulen­spiegels hat ohne Zweifel beige­tra­gen, dass er es sowohl mehrfach auf die The­ater- und Opern­bühne und ins Kino schaffte und mit der sin­fonis­chen Dich­tung “Till Eulen­spiegels lustige Stre­iche” sog­ar von Richard Strauss geehrt wurde.

Meine per­sön­liche Vor­liebe gilt allerd­ings der Adap­ta­tion der Eulen­spiegel-Saga durch Charles deCoster, der mit seinem Thyl Ulen­spiegel das flämis­che Nationale­pos schuf. Darüber mehr am kom­menden Sam­stag, den 8. Mai.

Doch zum Abschluss noch eine weit­ere kleine Geschichte, wie Till Eulen­spiegel nach ein­er Wette mit einem Pfar­rer ein Fass Bier gewann (Achtung: nichts für zarte Gemüter 😉 )

Die XII. his­to­ry sagt wie vlen­spiegel ein meßn­er ward in einem dorff zů Buden­steten / vnd wie der pfar­rer in die kirchen schiß / das Vlen­spiegel ein bierthun­nen da mit gewann.

ALs nun Vlen­spiegel in dem dorff ein meßn­er wz da kunt er nit sin­gen als dan eim sigris­ten zů gehoe rt. Als nun der pfaff bere­it wz mit einem krut­ster. Da stund der pfaff eins mals vor dem altar / vnd tet sich an vnd wolt meß hal­ten. Da stund Vlen­spiegel hin­der im vnnd richtet im sein alb zů recht / da ließ der pfaff ein grossen furtz dz es vber die kirchen erhalt. Da sprach Vlen­spiegel herr wie  dem / opf­fern ir das vnserm her­ren für we\rauch hie vor dem altar / der pfaff sprach. Was fragstu dar­nach ist doch die kirch mein / ich hab die macht wol / das ich moecht mit­ten in die kirchen scheis­sen. Vlen­spiegel sprach / das gelt euch vnd mir ein thunn bierß / ob ir das thůn. Da sprach er es gilt wol / vnd sie wet­teten miteinan­der / vnd der pfaff sprach. Mein­stu nit das ich so frisch sei / vnnd korte sich vmb / vnnd schis einen grossen hauf­fen in d\e kirchen / vnd sprach. Sich her Cus­tor / ich hab die thunn bierß gewun­nen. Vlen­spiegel sprach. 1ein herr wir woe llen vor messen / ob es mit­ten in der kirchen sei / als ir dann sagten. Also maß es Vlen­spiegel / da felet es weit der mit­ten in der kirchen. Also gewan vlen­spiegel die thun­nen bierß. Da ward die kel­lerin aber zornig vnd sprach: I woe llen des schal­ck­haffti­gen knechts nit mue ssig gon / biß das er euch in alle schand bringt.

Wer inzwis­chen auf den Geschmack gekom­men ist und noch weit­ere Geschicht­en in der Orig­i­nal­sprache lesen möchte, kann sich das 1515 gedruck­te Volks­buch hier herun­ter­laden. Viel Spass 🙂 !

 

 

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