Wie bestellt liefert Roger Koeppel in seinem neuesten Weltwoche-Editorial ein paar anregende Gedanken, welche direkt in die Thematik dieses Artikels führen. Unter dem Titel “Christentum und Freiheit” ereifert sich der Chefredaktor der Weltwoche über die Idee der CVP, das christliche C aus ihrem Namen streichen zu wollen und fährt fort:
“Die C‑Diskussion fällt vielleicht nicht zufällig in eine Zeit, da radikale Antirassismus-Bewegungen in den USA Statuen von Jesus vandalisieren und abreissen wollen, weil sie angeblich Ausdruck einer weissen Überlegenheitsdoktrin seien. So jedenfalls äussert sich in seinen Tweets Shaun King, der Anführer der linksmilitanten Gruppe Black Lives Matter. Seiner Ansicht nach müssen die Standbilder «jenes weissen Europäers, den sie Jesus nennen, fallen, denn sie sind eine Form weisser Unterdrückung. Waren es immer.» Die amerikanischen Gleichheitsfundamentalisten räumen jetzt also nicht nur die Gründer ihres Staates ab. Ihr Hass richtet sich auch gegen die heiligsten Symbole der westlichen Zivilisation.”
(En passant: Innerhalb 48 Stunden bekam King 500 Todesdrohungen).
Nun, zugegeben, ich finde es auch keine gute Idee, in den USA Statuen von Jesus zu vandalisieren und abzureissen. Doch man sollte bei einem Urteil immer die historische Dimension im Auge behalten: Der Ku-Kux-Klan (“Mississippi Burning!”) gab sich betont christlich und deren Führer sangen jeden Sonntag andächtig die Hymnen zu Ehren Jesu, bevor sie wieder ein paar Schwarze masskrierten. Und die Sklavenhalter hätten empört aufgeschrien, wenn man ihr Christentum in Frage gestellt hätte, — um nur zwei kleine Beispiele zu nennen.
Vielsagender erscheint mir die Tatsache, dass hier Statuen zum Verschwinden gebracht werden sollen. Für Koeppel sind die Jesus-Statuen “Insignien des Christentums” und “heiligste Symbole der westlichen Zivilisation”.
Wirklich!? Sind sie nicht eher Symbole dafür, dass man einen der revolutionärsten spirituellen Kämpfer, der je auf Erden wandelte, neutralisiert hat, indem man ihn in Dogmen einpackte, ihn in den Kirchen hunderttausendfach definitiv ans Kreuz nagelte, als weit über uns gewöhnlichen Menschen stehenden “einzigen Gottessohn” deklarierte, zwischen ihn und uns eine gewaltige Kirchenhierachie schob, und ihn — eben — ab und zu irgendwo als stumme Statue aufstellte, die gefälligst stumm zu bleiben hatte?
Nota bene: Kruzifixe und Statuen waren in den ersten drei frühchristlichen Jahrhunderten unbekannt, weil noch etwas von der lebendigen Gegenwart des auferstandenen spirituellen Revolutionärs zu spüren war. Sie verbreiteten sich in dem Moment, wo diese lebendige Bewegung durch die Einverleibung als offizielle Staatsreligion in das römische Machtgefüge durch Kaiser Konstantin in ein jahrhundertelanges langsames Siechtum überging, nur ab und zu aufgehalten durch Einzelpersönlichkeiten, die man gemeinhin Mystiker nennt, oder durch “häretische” Gruppen, denen allerdings jeweils vom “offiziellen” Christentum sofort der Garaus gemacht wurde. Und immer brannten die Scheiterhaufen und geschahen die Folterungen im Zeichen des Kruzifixes. (Walter Nigg hat diesen Märtyrern übrigens in seinem “Buch der Ketzer” ein würdiges Denkmal gesetzt). — Die Ausrottung von Millionen Indigener in der Neuen Welt durch die Spanier und später die weissen Nordamerikaner geschahen im Zeichen des Kruzifixes und der Bibel, die Trump kürzlich gegen “Black Lives Matter” zur Schau stellte. Wer sich etwas genauer orientieren möchte, schaut am besten mal in das
zehnbändige (!) Werk von Karl-Heinz Deschner mit dem Titel “Kriminalgeschichte des Christentums”, in dem bis heute noch keine einzige Feststellung widerlegt wurde.
Sebastian Castellio**, der vor dem “grossen Reformator” Jean Calvin aus Genf nach Basel fliehen musste, weil er unter anderem dessen Befehl zur Verbrennung von Michael Servetus anprangerte, schrieb damals verzweifelt:
“O Christus, Schöpfer und König der Welt, siehst Du diese Dinge? Bist Du wirklich ein ganz anderer geworden, als Du es warst, so grausam und feindselig wider Dich selbst? … Ist es wahr, dass Du jetzt so verwandelt bist? Ich flehe Dich an, im heiligsten Namen Deines Vaters: Gebietest Du denn wirklich, dass diejenigen, welche nicht alle Deine Anordnungen und Gebote genau so, wie Deine Lehrer es fordern, befolgen, im Wasser ertränkt werden, mit Zangen zerrissen bis zu den Eingeweiden, mit Salz bestäubt, von Schwertern zerfetzt, an kleinen Feuern geröstet und mit aller Art von Martern zu Tode gequält? Billigst du wirklich, o Christus, diese Dinge? Sind es wirklich Deine Diener, die solche Schlächtereien veranstalten, welche derart die Leute schinden und zerstückeln? Bist Du wirklich, wenn man Deinen Namen zum Zeugen aufruft , bei solchen grausamen Metzgereien, als ob du Hunger hättest nach menschlichem Fleisch? Wenn Du, Christus, diese Dinge wirklich gebieten würdest, was wäre dann Satan zu tun übriggelassen? O furchtbare Gotteslästerung, dass Du diese Dinge tätest, dieselben Dinge wie er! O niederträchtiger Mut der Menschen, Christus solche Dinge zuzuschreiben, die nur Wille und Erfindung des Teufels sein können.”
Es ist also eine ziemlich steile These, wenn Koeppel apodiktisch festhält: “Wer christliche Symbole angreift, greift nach der absoluten Herrschaft”, oder wenn er meint: “Ohne das Christentum wäre die moderne Idee der persönlichen Freiheit niemals Wirklichkeit geworden. Der Liberalismus ist angewandtes Christentum.” Hörten das die Aufklärer, die gegen die alleinseligmachenden Kirche für die Menschenrechte kämpften, sie würden sich im Grabe umdrehen …
Zwar hält Koeppel durchaus zu Recht fest, wenn er meint: “Alle totalitären Staaten des 20. Jahrhunderts waren gegen das Christentum, weil das Christentum, richtig verstanden, der natürliche Feind totaler Herrschaft ist. Solange es einen Gott gibt, hat die Macht der Menschen Grenzen. … Marx hielt dem Christentum seine eigene kommunistische Ideologie entgegen und predigte den Leuten, sie sollten nicht mehr zu Gott aufschauen, sondern zu Marx und seinen Kommunisten, neben denen er keinen anderen Gott mehr duldete.”

Georg Grosz
Dass weder Koechlin noch der Schreibende das Heu mit Marx auf der gleichen Bühne haben, ist dem geneigten Leser und der geneigten Leserin im Laufe der letzten Episoden hoffentlich klar geworden. Aber der Weltwoche-Chefredaktor hat ein kleines Detail übersehen: Wenn die “christliche” Bourgeoisie im 19. Jahrhundert das Proletariat nicht so gnadenlos ausgebeutet hätte, sondern die Prinzipien, die Jeshua ben Joseph, aka Jesus Christus, verkündete, in ihrem Leben auch tatsächlich angewendet hätte, wäre ein Karl Marx schlicht überflüssig gewesen …
Bestand der grosse Fehler also darin, dass die ausgebeuteten Arbeiterinnen und Arbeiter für ein besseres Leben zu kämpfen versuchten, anstatt “zu Gott aufzuschauen”, ihr Schicksal gottergeben zu ertragen und am Sonntag brav in der Kirche zu beten und singen!?
Hier kommen wir zu der alles entscheidenden Frage: Von was für einem Gott und von welchem Christentum spricht hier Roger Koeppel eigentlich? Ich habe den leisen Verdacht, dass er das Christentum meint, für das Donald Trump mit erhobener Bibel gegen “Black Lives matter” demonstrierte, unterstützt von Steve Bannon, dem selbsternannten Kämpfer für “die christlichen Werte des Abendlands”.
Heiner Koechlin stellte sich die Frage nach Gott und dem Wesen des Christentums ebenfalls. Bei der Suche nach einer Antwort half ihm ein russischer Religionsphilosoph, Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew. Berdjajew, der als Marxist in Russland drei Jahre in der Verbannung gelebt hatte, wandelte sich im Laufe seines Lebens zu einem Christen. Allerdings ein ziemlich unkonventioneller und unbequemer, wenn er deklarierte, der Gott, der die Welt regiere, Gesetze erlasse, bestrafe und Gnade übe, sei eine Erfindung des Menschen, — und zwar des politischen Menschen, weil dieser Gott nach dem Muster der menschlichen politischen Institutionen geschaffen wurde. Das aber sei die denkbar radikalste Verkehrung der Wahrheit, denn die politischen Institutionen seien gerade das, in dem sich der Mensch am weitesten von Gott entferne.
Wenn sich hier bei dem einen oder andern innerlich etwas Widerspruch manifestieren sollte, würde mich das nicht weiter wundern. Wir werden deshalb in der nächsten Folge der Frage nachgehen müssen, was Berdjajew mit dieser Aussage genau meinte, — und warum Koechlin seine Gedankengänge auch aus anarchistischer Sicht höchst wertvoll fand.
** In Basel ist auch der Sitz der Internationalen Castellio-Gesellschaft, die sich die Aufgabe stellt, dessen Leben und Werk zu erforschen.
An anderen Serien interessiert?
Wilhelm Tell / Ignaz Troxler / Heiner Koechlin / Simone Weil / Gustav Meyrink / Narrengeschichten / Bede Griffiths / Graf Cagliostro /Salina Raurica / Die Weltwoche und Donald Trump / Die Weltwoche und der Klimawandel / Die Weltwoche und der liebe Gott /Lebendige Birs / Aus meiner Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reichsidee /Vogesen / Aus meiner Bücherkiste / Ralph Waldo Emerson / Fritz Brupbacher / A Basic Call to Consciousness / Leonhard Ragaz /
Franz Büchler
Aug. 1, 2020
Dass Kruzifixe in den ersten Jahrhunderten nicht bekannt waren, ist mir sehr sypathisch.
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»Eine Religion, in deren Zentrum eine Hinrichtungsszene steht, finde ich abstoßend. Stell dir vor, es wäre ein Galgen gewesen, eine Guillotine oder eine Garotte. Stell dir vor, wie unsere religiöse Symbolik dann aussähe.«
(Amadeu Inácio de Almeida Prado)
max feurer
Aug. 1, 2020
Das Kreuz an sich ist reich an tiefer Symbolik. Auch wenn die Kreuzigung einen historischen Hintergrund hat (römische Hinrichtungsart für rebellische Untertanen), ist die Tatsache, dass Jeshua ben Joseph gekreuzigt wurde und seinen Tod nicht durch Galgen oder Garotte fand, meiner Ansicht nach kein Zufall.
Das Aufkommen der Kruzifixe allerdings war ein Symptom dafür, dass seine eigentliche Botschaft und seine Lehren langsam aber sicher durch Dogmen und äussere Hierarchien in den Hintergrund gedrängt wurden.
Christoph Meury
Aug. 1, 2020
Als Devotionalie ist das Kreuz längstens kommerzialisiert und entsprechend gewöhnliche Handelsware, mit einem Preisschild.
Insofern auch ein Symbol des Kapitalismus. Aneignung und Einverleibung von Symbolen aller Art.
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In der Zwischenzeit hat sich jeder Rapper ein Bling-Bling-Kreuz umgehängt. Damit gibt es ein Kreuz mit dem Kreuz: Das Kreuz verweist auf Alles & Nichts. Es ist ein modisches Accessoir.
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Da sind wenig Unterschiede zwischen einem Bischof mit prunktvollem goldenem Kreuz und dem Rapper «The Notorious B.I.G.« auszumachen. Autsch!
max feurer
Aug. 1, 2020
Durchaus einverstanden, inklusive “Autsch” ;-)! Kreuze als religiöser Kitsch sind heute Allgemeingut. Nur: Das soll kein Hindernisgrund sein, jenseits sinnentleerter Alltagssymbole deren tiefere Symbolik kennzulernen. Schon allein der kleine Wikipedia-Artikel /https://www.wikiwand.com/de/Kreuz_(Symbol) macht die Reichhaltigkeit des Kreuzsymbols deutlich. Nur braucht es für dessen Erforschung etwas mehr Zeit und Engagement, als heute die Norm ist.
Christoph Meury
Aug. 1, 2020
Nur weil ich Notorious B.I.G. erwähnt habe, der Mann mit dem grossen Bling-Bling-Kreuz, hier einer seiner Songtext. Darin wird rappend ein kleiner Lebensausschnitt des im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn aufgewachsenen Musikers, mit jamaikanischen Wurzeln, beschrieben. Eine andere Lebenswirklichkeit. The Notorious B.I.G. zählt zu den besten Rappern aller Zeiten (Platz 1). 1997 ist The Notorious B.I.G. im Auto erschossen worden.
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Im Gegensatz zu unseren KünstlerInnen (MusikerInnen, LyrikerInnen, etc.) verdient ein US-Rapper, wenn er’s clever macht, auch tüchtig Kohle: 160 Millionen US-Dollar konnte Notorious B.I.G. mit seiner Kunst verdienen. Da dürfte auch sein demonstrativ zur Show getragenes Kreuz nicht aus Blech gewesen sein. Notorious B.I.G. ist übrigens als gläubiger Zeuge Jehovas aufgewachsen.
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«JUICY« LYRICS
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INTRO:
Ich scheiß auf euch Schlampen
Begreif es, Motherfucker
Ja, dieses Album ist all den Lehrern gewidmet,
Die mir erzählten, dass ich es nie zu was bringen würde
Es ist den Leuten gewidmet, die über den Gebäuden lebten,
Vor denen ich früher meine Geschäfte abgewickelt habe,
Diese Leute, die wegen mir die Polizei geholt haben,
Wenn ich bloß versuchte, etwas Geld zu machen,
Um meine Tochter zu ernähren
Und es ist all den Niggaz gewidmet, die sich abrackern
Verstehst du, was ich meine
Ha, es ist alles gut, baby-baby, uh
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Es war alles ein Traum
Ich las immer das “Word Up”-Magazin
Salt’n’Pepa und Heavy D in einer Limousine
Ich habe die Poster an meine Wand gehängt
Jeden Samstag kam Marley Marl’s “Rap Attack” im Radio
Ich hab die Kassette abgespielt, bis das Band riss
Rauchte Gras, nippte am “Private Stock”-Bier
Früher, als ich das rot-schwarze Holzfällerhemd anhatte
Mit dem passenden Hut dazu
Erinnert ihr euch noch an Rappin’ Duke, “duh-ha, duh-ha”?
Ihr hättet nie gedacht,
Dass Hip Hop es so weit bringen würde
Jetzt stehe ich im Rampenlicht, weil ich tight reime
Es ist Zeit, dass ich bezahlt werde,
Explodiere wie das World Trade Center (Anschlag 1993)
Bin ein geborener Sünder, das Gegenteil eines Gewinners
Ich erinnere mich, dass ich immer Sardinen zu Mittag aß
Peace an Ron G, Brucey B, Kid Capri
An Funkmaster Flex und Lovebug Starsky
Ich bin so groß geworden, wie ihr es erwartet hattet
Ruft mich zu Hause an, selbe Nummer, selbe Gegend
Es ist alles gut
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Und wenn du’s nicht weißt, jetzt weißt du’s, Nigga
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CHORUS:
Du weißt ganz genau, wer du bist
Lass dich von niemandem unterkriegen
Greif nach den Sternen
Du hast es versucht, nicht viele taten das
Denn du bist der Einzige
Ich gebe dir viel von meiner Liebe
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Ich veränderte mich von einem gewöhnlichen Dieb
Zu jemandem, der per Du mit Robin Leach ist
(Leach moderierte “Lifestyles of the Rich and Famous”)
Und ich bin weit davon entfernt, billig zu sein
Ich rauche den ganzen Tag Gras mit meinen Jungs
Verbreite Liebe, so geht das in Brooklyn
Moet- und Alize-Drinks halten mich stets betrunken
Früher machten sich Mädels über mich lustig
Jetzt schreiben sie mir Briefe, weil sie mich vermissen
Ich dachte nie, dass ich es mit Rap schaffen könnte
Ich war zu sehr dran gewöhnt, Waffen zu tragen und so
Jetzt machen sich Mädels an mich ran,
So wie die Butter auf dem Toast lag
Vom Mississippi runter bis zur Ostküste
Habe Häuser in Queens, Marihuana für Wochen
Ausverkaufte Plätze, um Biggie Smalls rappen zu hören
Ich lebe ein Leben ohne Angst
Schenke meiner Kleinen 5 Karat-Ohrringe
Mittagessen, späte Frühstücke, Interviews am Pool
Wurde als Depp angesehen, weil ich die Schule schmiss
Ein Klischee eines missverstandenen schwarzen Mannes
Und es ist trotzdem alles gut
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Und wenn du’s nicht weißt, jetzt weißt du’s, Nigga
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‑CHORUS-
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Super Nintendo, Sega Genesis
Als ich total pleite war, konnte ich’s mir nicht vorstellen
TV mit 127 cm Bildröhre, viel Kohle, ein Ledersofa
Habe zwei Autos, eine Limousine mit ’nem Chauffeur
Die Telefonrechnung ist ungefähr 2000 Dollar
Aber kein Grund zur Sorge, mein Buchhalter regelt das
Und meine ganze Clique hängt ab
Den ganzen Tag am feiern, keine Sozialwohnungen mehr
Ich denke an mein 1 Zimmer-Apartment zurück
Jetzt fährt meine Mutter ’nen Acura,
Mit einem Nerz auf ihrem Rücken
Und sie liebt es, mit mir zu prahlen, ist doch klar
Sie lächelt immer, wenn mein Gesicht in der “Source” steht
Wir regten uns immer auf, wenn der Hauswirt Stress machte
Keine Heizung,
Wir fragten uns, warum Weihnachten an uns vorüberzog
Geburtstage waren die schlimmsten Tage
Jetzt nippen wir am Champagner, wenn wir durstig sind
Verdammt richtig, ich mag das Leben, das ich lebe
Denn ich veränderte mich vom Negativen zum Positiven
Und es ist alles… (Es ist alles gut)
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Und wenn du’s nicht weißt, jetzt weißt du’s, Nigga
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‑CHORUS-
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Repräsentiere Brooklyn in tha house
Junior Mafia, mad flavor
Uh, uh, yeah, alles klar
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‑CHORUS-
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[Puff Daddy]
Biggie Smalls… es ist alles gut, Nigga
Junior Mafia… es ist alles gut, Nigga
Bad Boy… es ist alles gut, Nigga
Es ist alles gut, das stimmt… ’94
Und weiter und weiter…
Es ist alles gut
max feurer
Aug. 2, 2020
Ich hatte bis vor kurzem mit Rap nicht viel am Hut, — zweifellos Generationenfrage .. Dank meinem Enkelsohn habe ich inzwischen ein paar französische Rapper kennengelernt und festgestellt, dass die ein paar echt gute sozialkritische Texte gemacht haben.
Notorious B.I.G spricht mich weniger an. Er und der gesamte Hardcore-Rap hat für mich manchmal etwas Gockelhaftes. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass er als Folge von massiven Streitigkeiten mit seinen Hardcore-Kollegen erschossen wurde.
Christoph Meury
Aug. 2, 2020
Ich habe das Beispiel von Rapper The Notorious B.I.G. ausgewählt, weil seine Texte, seine Musik, sein Lebensstyle und sein künstlerischer Ausdruck eine andere Lebensrealität abbilden. Eine Realität, welche für Millionen Menschen Vorbild, oder Teil ihres Alltags ist. Das erfolgreichste Soloalbum von The Notorious B.I.G. hat sich in den Vereinigten Staaten fünf Millionen Mal verkauft. Damit hat der Rapper ein gewaltiges Publikum, welches sich mit den Ideen und Gedanken von The Notorious B.I.G. offensichtlich identifiziert und er ist bei weitem nicht der Einzige.
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Die Frage stellt sich in keinem Moment, ob wir hier (in unserer Wohlfühl-Bubble) diese Musik, die Texte und den Lifestyle mögen, wir sind viel zu weit weg, um den Kontext zu verstehen und altersmässig sowieso im Hintertreffen, aber wir sollten uns abschätzige Bewertungen verkneifen. Wer sagt denn, dass unser Weißsein & unsere (privilegierte und hochsubventionierte) Kultur das Mass aller Dinge sind?
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Wir stehen diesbezüglich seit geraumer Zeit mitten in einem tiefgreifenden Kulturwandel und platzen mit schnell hingeworfenen und abwertenden Einschätzungen plötzlich mitten in die aktuell Rassismus-Debatte und bewegen uns damit quer zu den Anliegen der #BlackLivesMatter-Bewegung.
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Be careful!
max feurer
Aug. 3, 2020
Mir geht es nicht um abschätzige Bemerkungen. Ob The Notorious B.I.G schwarz oder weiss war, ist mir so was von egal.
Ich erlaube mir lediglich zu bemerken, dass Hardcore- und Gangsta-Rap (egal, ob von Weissen, Schwarzen oder Violetten produziert) einen Lebensstil propagieren, der meiner Ansicht nach noch etwas Entwicklungspotential hat ;-).
Sie können mir deswegen Unverständnis des Kontexts vorwerfen, in dem diese Musik entstanden ist. Sei’s drum. Ich stelle einfach fest, dass ein Lebensstil, der dazu führt, eines Tages von feindlichen Rappern erschossen zu werden, vielleicht doch etwas ungesund ist …
Hans-Jörg Beutter
Aug. 3, 2020
dj bobo hat auch fünf millionen vorzuweisen … für mich nicht im geringsten anlass dafür, in ehrfurcht zu erstarren. ich teile die einschätzung von feurer – ihrerseits eine anchronistische bubble von schwarzen velofahrern – «gegen unten treten« (und WAS steht unter dem schwarzen mann? – genau: die schwarze frau, diese schlampe)
ausgerechnet dieser misogyne hype?!
legitimiert über den materiellen erfolg?
also bitte!
be careful 2
Hans-Jörg Beutter
Aug. 3, 2020
ten years after …
ca 10 jahre nach dem macho-rapper … ein etwas anderer blick
https://www.youtube.com/watch?v=wrIhbbTziO0
max feurer
Aug. 3, 2020
sehr schönes Musikstück, — erinnert mich ganz von ferne an Keith Jarret …, — auch, was die Verrenkungen des Pianisten beim Spielen angeht 😉
Christoph Meury
Aug. 3, 2020
Stimmt! Wir sind die viel besseren Menschen. In Basel-Stadt hatten wir im 2018 nur 5 Tötungsdelikte, 5 schwere Körperverletzungen, 121 einfache Körperverletzungen, 370 Tätlichkeiten, etc. Alles im grünen Bereich. Wir sind eben zivilisiert! Also stehen wir auch moralisch weit über den N.Y.-Barbaren. Wir schiessen uns nicht gegenseitig über den Haufen. Gut manchmal geht uns im Hosensack schon das Messer auf.
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Mit Gölä, DJ Bobo und Co. machen wir auch die viel bessere und gehaltvoller Musik, z.B. «Flügü« von Gölä: «D’Bletter si gheit u dr Wind blast chaut, D’Vögu sammle sich uf de Telefon-Dräht, Uf ihrem letschte Haut, De göh si ab i Süde, lö aues la stah, U mänge wünscht sich so wie ig, är chönnti mit ne gah. Ä chli Meer, ä chli Sunne, De wäri scho viu gwunne / Achtung Refrain: «Aber)mir blibe da,
U chöi nid gah, Mir blibe hie, U chöi nid flieh, Mir blibe dahei, Wöu mir keni Flügu hei. Dert i de Bärge het’s scho wieder Schnee, Aber ussert dass me ize wider cha gah schiine, Git’s keni Vorteile meh, über de Wouche Sunne. Dert obe schiint d’Sunne u drunger isch es grau, U mänge wünscht sich so wie ig, är gsiech wieder Emau…, Ä chli Meer, ä chli Sunne, De wäri scho viu gwunne, Aber… (…)«.
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Gölä hat das Entwicklungspotential voll ausgeschöpft. Da gibt es nichts zu husten. Tiefgründig spricht er uns, den SchweizerInnen, aus dem Herzen. So denken wir, so leben wir. Schön! Ich bin beeindruckt und gebe mich geschlagen.
max feurer
Aug. 3, 2020
Leider habe ich Gölä noch nie gehört, und ich stelle fest, das ist ein schmerzhafter Verlust :-(. Allerdings: Wenn ich den Text so lese, stelle ich fest, dass er sein Entwicklungspotential genauso wenig ausgeschöpft hat wie der Hardcore-Rapper.
Leider muss ich auch gestehen, dass ich ganz bünzlihaft die Basler Regio wählen würde, wenn ich mich zwischen hier und einem Gang-Quartier irgendwo in Los Angeles entscheiden müsste.
Doch zu meiner grossen Erleichterung habe ich soeben festgestellt, dass ich nicht ganz allein bin, wenn ich angesichts des Textes von Notorious B.I.G nicht gleich in Jubel ausbreche und ihn bewundere, wie er es auf toughe Weise geschafft hat, sich zum prahlenden und Frauen verachtenden Konsumbürger hochzuarbeiten:
https://www.zeit.de/2018/19/deutschrap-texte-frauenfeindlichkeit-antisemitismus/komplettansicht
anton roth
Aug. 3, 2020
Was mir gefällt: Christoph Meury hat zu allem und jedem eine klare Meinung und schämt sich nicht, diese jeweils auch umgehend mitzuteilen.
Hut ab und Mantel auf!
max feurer
Aug. 3, 2020
.. finde ich auch, nur muss er damit leben, dass seine klare Meinung zu allem und jedem manchmal in Frage gestellt wird ;-). Daraus ergeben sich spannende Auseinandersetzungen, die ich durchaus schätze.