Zwischen all den hyperventilierenden Nachrichten und haltlosen Beschwichtigungen taucht ab und zu ein Artikel auf, der in der Covid19-Krise etwas mehr Klarheit schafft, — und sei es nur, um klarzumachen, dass zurzeit von Klarheit nicht die Rede sein kann …
So geschehen heute morgen bei Spiegel+ durch ein Interview mit dem Medizinalstatistik-Experten an der Medizinischen Universität Freiburg, Gerd Antes. Hier ein paar Auszüge aus seiner Stellungnahme:
“Es gibt zweifellos ein Problem. … Gleichzeitig wissen wir allerdings nicht, wie tödlich das neue Coronavirus im Vergleich zur Grippe ist und wie viel schneller genau es sich ausbreitet. Wenn man es als Bild
beschreiben will, warten wir auf einen Tsunami, wissen aber noch nicht einmal annähernd, wie hoch die Welle wird.”
“Es gibt zwei enorme Probleme mit den Zahlen: Wir wissen nicht, wie viele Menschen sich bislang mit dem neuen Coronavirus infiziert haben und wie viele jeden Tag hinzukommen. Außerdem ist unklar, wie viele Menschen ursächlich an einer Infektion sterben.”
“Die Corona-Fälle, von denen wir jeden Tag im Fernsehen und Radio hören, beschreiben, wer positiv auf das neue Virus getestet wurde. Wie viele Menschen sich tatsächlich infizieren, wissen wir dagegen nicht. Die Schätzungen variieren extrem. … So eine Streuung ist ein sicheres Zeichen, dass niemand auch nur ungefähr weiß, wo die Wahrheit liegt.”
“Derzeit gilt im Prinzip jeder Tote, der mit dem Virus in Verbindung steht, als Corona-Todesfall. Die Wahrheit ist deutlich komplexer, denn viele von denen, die jetzt am Coronavirus sterben, wären möglicherweise auch ohne das Virus gestorben, aber später. Nehmen wir etwa eine Person, die schwer herzkrank ist. Wenn sie sich nun mit dem Coronavirus infiziert und stirbt, war dann das Herzleiden entscheidend oder das Virus? Stirbt jemand am oder mit dem Virus? Das lässt sich kaum auseinanderdividieren. … Wir werden daher erst in ungefähr acht Monaten in der jährlichen Todesstatistik sehen, wie viele Menschen durch das Coronavirus in diesem Jahr zusätzlich gestorben sind. Die Zahlen, die es derzeit dazu gibt, sind vollkommen unzuverlässig.”
“Es geht darum, Risiken und Chancen aller Optionen abzuwägen. Von den aktuellen Schutzmaßnahmen sind deutlich mehr Menschen betroffen als direkt vom Coronavirus bedroht. Riskieren wir eine dauerhafte Rezession, bedeutet das den wirtschaftlichen und persönlichen Schaden oder sogar Ruin für Millionen Menschen. Das kann ebenfalls schwere gesundheitliche Folgen haben. Dazu kommen schwere soziale Schäden, wie etwa häusliche Gewalt und Vereinsamung, ebenfalls mit gesundheitlichen Auswirkungen.”
Gerd Antes findet die zurzeit in Deutschland — und damit auch in der Schweiz — verfügten Massnahmen sinnvoll, bis statistisch wirklich relevante Daten vorliegen. Aber allein die Tatsache, dass in der Covid19-Krise zurzeit nur klar ist, dass nichts klar ist, hilft vielleicht, nicht gleich in Weltuntergangsstimmung zu verfallen …
Wer das gesamte Interview lesen möchte, findet es übrigens hier.