Seit heute ist das Baugesuch für eine Pilotanlage zur Wasserstoff-Produktion auf der Kraftwerkinsel publiziert. Das heisst: Pilotanlage war einmal vorgesehen, davon ist jetzt schon nicht mehr die Rede. Dafür aber noch eine Befüllstation. Aus dem Publikationstext ist nur wenig ersichtlich.
1. Zonenkonformität?
Das Projekt erfordert für die Wasserstoffproduktion eine Umzonung. (So am Rande frage ich mich, ob die Schnitzelheizung überhaupt Zonen-konform ist?). Im Zonenreglement ist festgehalten:
»Art. 47 Spezialzone Kraftwerk und Erholungseinrichtungen
1In dieser Zone sind Bauten und Anlagen im Zusammenhang mit der öffentlichen Energiewirtschaft und dem Betrieb der Schifffahrtsanlagen sowie Erholungseinrichtungen zulässig.
2Das bestehende Gebäude Nr. 60 beim Parkplatz kann mit Wohn- und/oder Büronutzung belegt werden, auch wenn kein weiterer Bedarf des Kraftwerks besteht. Ein Ersatzbau für eventuell später notwendig werdende Büronutzung ist nicht möglich.
Geringfügige Erweiterungen am bestehenden Gebäude (zusätzlicher Erschliessungsbau mit Treppe und Lift, Gebäudeerhöhung um ca. 1,50 Meter, energetische Verbesserungen) sind zulässig.
Als Autoabstellplatz ist ein frei stehender Garagenbau für maximal 8 Personenwagen westlich des bestehenden Gebäudes möglich. Die Erschliessung erfolgt über den Parkplatz (Parzelle 1550).
Die Wasserstoffproduktionsanlage ist keine Voraussetzung für die Schifffahrtsanlage und ist auch keine Anlage der öffentlichen Energiewirtschaft. Auch wenn die Zone mit »Spezialzone Kraftwerk und Erholungseinrichtungen« überschrieben ist, kann nicht einfach angebaut und angebaut werden.
Die Kraftwerkinsel wird schon jetzt mit Saurierausstellungen, Kinderspielparadiesen, Zirkussen, etc. bespielt, die nur entfernt der Erholung und der Energiewirtschaft dienen.«
2. Mobilitätsstudie über Zulieferverkehr und Abtransport des Gefahrenguts
Wasserstoff wird heute mit grossen Lastwagen transportiert. Nachdem die Quartierbelastung schon mit den Zu- und Wegfahrten zur neuen Zentrumsüberbauung strapaziert wird, ist ein weiterer Zusatzverkehr nicht erwünscht. Vor allem auch, wenn mit der vorgesehenen Befüllstation die Lastwagen zum Wasserstofftanken auf die Kraftwerkinsel fahren und nicht nur für den Abtransport.
Inwiefern der zündfreudige Wasserstoff gefährlich ist, lässt sich nur schlecht bemessen. TÜV-Süd (Deutschland) bewertet die Gefahr von Wasserstoff etwa wie Erdöl, Erdgas oder Uran (hmm).
Inwieweit die jeweils vielen Besucherinnen und Besucher auf der Schleusenbrücke durch derartige Transporte und den »Tankstellenverkehr« gefährdet sind, muss seriös geklärt werden.
Ebenso muss geklärt werden, ob die Bevölkerung die Minderung dieser Naherholungszone hinnehmen will.
3. Denkmalschutz
Das neue Produktionsgebäude wird die Sicht von der Kraftwerkinsel auf die Turbinenhalle verdecken. Damit wird der Schutz dieser Halle stark tangiert. Nicht nur die Vorderseite, auch die Rückseite dieses Gebäudes ist geschützt.
Darum haben Meury/Büchler auch beantragt, dass das ganze Kraftwerkgeländer unter Schutz gestellt wird.
Leider kann zum Thema Unterschutzstellung des Kraftwerkgeländes coronabedingt noch keine Gemeindeversammlung stattfinden.
4. Standortüberprüfung
Im Hafenareal gäbe es genügend Möglichkeiten eine Wasserstoffproduktion aufzubauen. Diese Möglichkeit ist nach meiner Meinung nicht seriös überprüft worden. Dass sich da Probleme mit dem öffentlichen Stromnetz ergeben könnten, scheint mit etwas gutem Willen lösbar …
5. Provisorium?
Ich befürchte, dass mit dieser Pilotanlage versucht wird Fakten zu schaffen. Das heisst, sollte das Projekt erfolgreich sein, würde sich ja eine wesentlich grössere Anlage direkt aufdrängen.
So viel fürs Erste …
Markus
Feb. 4, 2021
Leider hat der Herr Büchler das Projekt nicht seriös angeschaut. Von einer Tankstelle ist hier nicht die Rede. Die Befüllstation ist für die Befüllung der Lastwagen die den Wasserstoff zu den Kunden liefert. Getankt wird hier definitiv nicht.
Christoph Meury
Feb. 4, 2021
Wie transportiert man Wasserstoff? Eine Lösung könnte in flüssigen Trägerstoffen liegen: Ein Liter eines solchen Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC) nimmt etwa 660 l Wasserstoff auf, der nun unter Normaldruck und ‑temperatur verlustfrei gespeichert werden kann. LOHC lassen sich wie Diesel mit herkömmlicher Tank- und Pipelinelogistik transportieren. Die Wasserstofftanks der LKW-Transporter werden logischerweise auf der Kraftwerkinsel betankt und zum Endkunden transportiert.
Franz Büchler
Feb. 4, 2021
Aus den 7 Zeilen der Bauausschreibung ging nicht hervor, was alles an der Befüllstation möglich ist. Ich musste das Schlimmste annehmen.
Der Artikel ist heute 08.30 Uhr erschienen. Erst eine halbe Stunde später ging die Medienmitteilung der IWB ein. Darum sind auch noch keine Bilder PR-Bilder berücksichtigt.
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Übrigens: Ich stehe mit meinem Namen für das, was ich schreibe.
Christoph Meury
Feb. 4, 2021
Apropos Bauauschreibung: Die Ausschreibung im Amtsblatt ist auffällig minimal gehalten. Bei jeder popeligen Ausschreibung für den Einbau eines Dachfensters müssen komplette Pläne (für alle einsehbar) hinterlegt werden. Im Falle der IWB-Ausschreibung muss ein simpler Grundriss genügen. Im Schnitt würde man allfällig auch sehen, wie hoch die geplanten Bauten werden. Geht man davon aus, dass der Wasserstoff in Drucktanks zwischengelagert wird, wären solche Objekte vermutlich höher als 3 m. Wäre zumindest auch interessant zu wissen. Vielleicht ist Markus besser informiert.
Christoph Meury
Feb. 4, 2021
Ich bin soeben dabei die Einsprache gegen das vorliegende IWB-Baugesuch zu schreiben. Das Baugesuch ist heute auf dem Portal des Kantons Baselland aufgeschaltet: https://bgauflage.bl.ch/index.html
Die Einsprachefrist beträgt 10 Tage (bis 15. Februar 2021).
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In unserem regelmässigen «Hirtenbriefen« zu Themen rund um den Hafen haben Franz Büchler und Christoph Meury im vergangenen Jahr auch über das Thema Wasserstoff referiert.
https://www.birsfaelder.li/wp/politik/jetzt-ist-die-katze-aus-dem-sack/
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Hier nochmals ein paar Auszüge:
(…) Die Kraftwerk Birsfelden AG ist soeben auf dem besten Weg ihr Vertrauen gegenüber der Bevölkerung zu verspielen. Angefangen bei einem monströsen Bauprojekt, welches Losinger Marazzi & SSA (angeblich ohne das Wissen der KWB) auf der Grünen Wiese (Parzelle 1550) geplant haben soll, bis hin zu einem sogenannt alternativen Energieprojekt, welches mit der Abwärme des Kraftwerks ein lokales Fernheiznetz betreibt, wegen mangelnder Abwärmekapazitäten des KWB’s aber bereits vor Jahren (2016) mit einer industriellen Schnitzelheizung nachgerüstet und erweitert werden musste, um die Ansprüche der Kunden (auch im Winter zu heizen) decken zu können.
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Wir bleiben dabei: Eine Wasserstoffproduktion ist grundsätzlich okay. Aber definitiv nicht auf der Kraftwerkinsel. Die Wasserstoffproduktion ist eine industrielle Produktion und gehört in die nahegelegene Industriezone. Da wäre die Produktion & Lagerung des Wasserstoffs zonenkonform. Der Birsfelder Hafen ist ein Steinwurf entfernt und hätte genügend Platz für eine industrielle Wasserstoffproduktion. Dort sind auch die Transporte mit LKW’s absolut unproblematisch (mit direktem Anschluss an die Autobahn). Im Birsfelder Hafenareal könnte eine Wasserstoffproduktion auch nach Bedarf expandieren und eine Tankstelle für die LKW’s der Logistikfirmen im Hafen würde das Angebot vor Ort ergänzen.
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Zudem, wir haben bis anhin nicht über die Gefahren des Wasserstoffs gesprochen. Also bitte lesen Sie das Kleingedruckte in den «Geschäftsbedingungen der IWB«! Wasserstoff ist extrem leicht entzündlich. Das Gas ist leichter als Luft und reagiert heftig mit Luft, Sauerstoff, Halogenen und starken Oxidationsmitteln. Hohe Konzentrationen von Wasserstoff in der Luft führen zur Verdrängung von Sauerstoff mit der Gefahr von Bewusstlosigkeit oder Tod. Die Sache hat also auch noch einen gefährlichen Haken. Im Hafen gibt es bereits etliche Störfall-Zonen, da wäre die Wasserstoffproduktion gut aufgehoben und könnte adäquat ins Sicherheitskonzept des Hafens (-> Feuerwehr, -> ABC-Wehr) eingepasst werden. Wir wollen beim Grillieren auf der Kraftwerkinsel ja nicht plötzlich bewusstlos werden und ins Koma fallen…
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Übrigens: Die Baueingabe im Amtsblatt ist äusserst dürftig dokumentiert. Schafft nicht gerade viel Vertrauen. In diesem Sinne wäre es angezeigt, wenn dem Baugesuch eine Mobilitätsstudie über die LKW-Bewegungen beigelegt würde. Ebenfalls wünschenswert wäre es, wenn zum Gefahrenpotential des Wasserstoffs ein paar Aussagen gemacht werden könnten. Wasserstoff ist nicht ganz ungefährlich. Bei unsachgemässer Handhabung kann die Anlage auch mal zum Störfall werden. Ergo braucht es eine realistische Gefahrenabwägung und ein entsprechendes Schutzkonzept.
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Ich bleibe dabei: Versuche mit Wasserstoff als Energieträger sind okay, aber nicht in der Naherholungszone der BirsfelderInnen. Eine industrielle Wasserstoffproduktion gehört ins Hafenareal. Da wäre die Anlage zonenkonform. Die Feuerwehr und der ABS-Schutz wären dort bereits vor Ort und der LKW-Verkehr wäre unproblematisch abzuwickeln.
weber karin
Feb. 5, 2021
.….Und neben allen genannten berechtigten Einwänden soll, so mein aktueller Informationsstand, der Treibstoff aus Grundwasser hergestellt werden — das Flusswasser ist zu wenig sauber dafür. Also de facto ein weiteres Lebensmittel in der Reihe der Alternativen zur Treibstoffherstellung.
Hans-Jörg Beutter
Feb. 6, 2021
ausser dem sturen willen, unbedingt das gelände zu markieren (ähnlich wie schinz unsre besten freunde, die hunde), wird für aussenstehende nicht ersichtlich, warum diese anlage nicht ins hafenareal passen sollte … vielmehr »umsveregge« in die naherholungszone gepflaumt werden muss …
vermutlich können die werten planer auch nicht wirklich erklären/visualisieren, warum das so – und nicht passender/organischer – vorgenommen werden muss.
erste einschätzung: ödes powergameli (unter massiver beeinträchtigung der wohnbevölkerung).
ich bewundere die fundierte resilienz der beiden unverwüstlichen widerständler.
und wünsche ihnen (und den einwohnerInnen) ein angemessenes echo!