… Aber die Kindheitserinnerung an den Weihnachtsbaum, der in mir das Gefühl einer tiefen Geborgenheit weckte, ist immer noch lebendig.
Das ist kein Zufall. In allen Kulturen der Welt steht der Baum als tiefgründiges Symbol für ewiges Leben, als Weltachse für die kosmische Ordnung, für die Verbindung von Himmel, Erde und Unterwelt.
Als der indianische Messias Deganawida, der „Grosse Friedensstifter“, die zutiefst zerstrittenen Stämme der Irokesen einte und zu einem Bündnis formte, das bis heute lebendig geblieben ist, entwurzelte er eine weisse Kiefer, liess alle Waffen in den Hohlraum werfen und pflanzte dann den Baum erneut. So wurde er zum Baum des Friedens, „the Great White Roots of Peace“, — von dem man sich wünschte, er möge sich über die ganze Erde ausbreiten.
Die umfassendste Baum-Symbolik findet sich aber in der mystischen Tradition des Judentums in Gestalt des „Lebensbaums“: Zehn Sefirot — Stationen der Schöpfung — sind auf drei Achsen angeordnet: der Achse der Göttlichen Mutter, der Achse des Göttlichen Vaters und der Mittleren Achse des Gleichgewichts. Der Schöpfungsstrahl endet in Malkut, unserer sinnlich erfahrbaren Welt.
Grosse Gelehrte wie Pico della Mirandola, Johannes Reuchlin oder Paracelsus bis hin zu J.C. Oetinger im 18. Jhdt versuchten, die Erkenntnisse der jüdischen Mystiker auch für Christen fruchtbar zu machen.
Es lohnt sich durchaus, einen kabbalistischen Blick auf unseren Weihnachtsbaum zu werfen:
Die bunten Kugeln symbolisieren die Sefirot, die Girlanden entsprechen dem Schöpfungsstrahl der göttlichen Energien, die das Universum tragen. Wir alle sind die Lichter am Baum, die Schritt um Schritt nach oben wandern hin zum Stern, der den Baum krönt. Er steht für die unendliche Quelle der bedingungslosen göttlichen Liebe, aus der die Schöpfung erwächst, und die sich gemäss der Weihnachtstradition in einem kleinen Kind in einem ärmlichen Stall verkörperte.
Worin bestehen dann die Geschenke unter dem Baum?