Nachdem die Aktionsgruppe “aapacke” es um die Jahreswende mit grossem Einsatz schaffte, das Referendum gegen den Planungskredit für die Verlängerung der Tramlinie 14 zu ergreifen, kommt es am 13. Juni zur Abstimmung. Das Referendum ist im Grunde eine Notbremse, denn die Verlängerung der Tramlinie wäre der erste Schritt zur Realisierung der vom Kanton geplanten “Retortenstadt” auf dem Salina-Raurica-Areal.
Gegen dieses gigantische Projekt hatten die Initianten schon 2019 in Pratteln die Volksinitiative “Salina Raurica Ost bleibt grün” lanciert, die zwar mit über 800 Stimmen zustandekam, im Mai 2020 aber vom Einwohnerrat als ungültig erklärt wurde, weil sie gegen die Planbeständigkeit verstosse, — woraufhin die Initianten eine Stimmrechtsbeschwerde beim Kanton einlegten.
Wer sich etwas detaillierter über die ganze Vorgeschichte des Projekts und den sich anbahnenden Widerstands informieren möchte, wirft am besten einen Blick auf die vorausgehenden Salina Raurica-Krimi Folgen hier im birsfaelder.li.
Nun hat der Regierungsrat am Mittwoch, den 21. April die Ungültigkeitserklärung der Volksinitiative durch den Einwohnerrat Pratteln bestätigt und eine entsprechende Mitteilung publiziert. Stossend an diesem Urteil ist natürlich, dass der Kanton hier als befangene, weil an der Realisierung der Retortenstadt interessierte Partei auftritt.
Die Aktionsgruppe “aapacke” wird deshalb den Regierungsratsbeschluss beim Verfassungsgericht anfechten. Hier die Pressemitteilung dazu:
Weiterzug ans Verfassungsgericht
Die Prattler Gemeinde-Initiative Salina Raurica Ost bleibt grün will nichts anderes, als die Um-Nutzung von einer Industriezone in eine Wohn-Gewerbe-Mischzone „erst später“, in ca. 15 Jahren, zulassen (§19,1.f RBG). Das ist keine Enteignung. Betroffen ist der Kanton mit 3,7 ha (davon hat er jüngst 1 ha für rund 10 Mio Franken neu erworben); Pratteln mit 5,4 ha und u.a. Hoffe-Roche mit 6,4 ha. Diese Denkpause ist zumutbar. Laut Regierungsrat verletzt die Initiative die Planbeständigkeit, aber er verschweigt, dass der Einwohnerrat auf einen „eigentlichen Bedarfsnachweis“ verzichtet hat, weil „weniger Bedarfsüberlegungen als vielmehr kantonale Nutzungsabsichten“ den Ausschlag gaben. Da geht es grundsätzlich darum, ob mangels eines wirklichen Bedürfnisses die Umzonung rechtsgültig zustande gekommen ist. Wir meinen nein.
Auch das Referendum gegen den 14er für 200 Mio Franken will folgerichtig eine Denkpause. Die Bejaher/innen verschweigen geflissentlich, dass auch bei einem Nein am 13. Juni das Generelle Projekt des Tramtrassees rechtskräftig bleibt.
Wir erfüllen den Auftrag, den uns die 828 Initiant/innen erteilt haben und fechten den RRB beim Verfassungsgericht an. Ebenso erfüllen wir den Auftrag der rund 3000 Referendums-Unterschriften aus 86 Gemeinden, am 13. Juni für ein Nein zur Tramverlängerung einzustehen.
Louis Kuhn, Aktionsgruppe aapacke, Pratteln
Das birsfaelder.li freut sich auf eine spannende Fortsetzung des Salina Raurica-Krimis 😉
Christoph Meury
Apr 23, 2021
Zu den Fakten: Die Baselbieter Wohnbevölkerung ist im 2020 um 0,5% gewachsen. Heisst ein Zuwachs von 1’500 Personen.
Szenarien gehen davon aus, dass wir im 2050 im BL mit 318’200 Einwohner*innen rechnen müssen. Da wir die zusätzlichen rund 26’900 Einwohner*innen nicht in Zelten unterbringen können, müssen wir früher oder später für sie Wohngen, respektive MFH bauen. Oder, wir schliessen die Grenzen und stoppen die Zuwanderungen. Ohne Zuwanderungen käme aber die wirtschaftliche Prosperität unserer Region ins schleudern. AHV und BVG hätten noch grössere Finanzierungsprobleme. Kann uns aber egal sein, weil wir’s vermutlich nicht mehr erleben.
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Bauprojekte als Retortenstädte zu diffamieren, ist wenig konstruktiv. Der Erhalt von so genannten «Grünen Wiesen« ist keine konstruktive Wohnbaupolitik, sondern umdribbelt die Thematik. Zudem: Retortenstädte baut schon längst niemand mehr. Die Städteplaner sind seit den 70er Jahren schlauer geworden (oder ausgestorben) und wissen zwischenzeitlich sehr genau auf welchen Grundlagen neue Wohnquartier konzipiert werden müssen. Aber dafür müsste sich auch Max Feurer auf der Gegenseite schlau machen. Die reine Polemik schafft das eigentliche Problem nicht aus der Welt. Zudem: Nicht alle Planer, Stadtentwickler und Architekten sind Volldeppen und wissen nicht, was sie tun. Wer baut ist auch nicht apriori ein Spekulant und Geldmaximierer. Es gibt in der Schweiz zahlreiche sehr clevere Bauprojekte und es gibt zwischenzeitlich eine vernünftige Baukultur (nachlesen im BA vom 9. April 2021 — ein Gespräch mit Harry Gugger, dem Zentrumsentwickler von Birsfelden). Aber auch hier müsste der Autor inhaltlicher werden und vielleicht gelegentlich auch mal gelungene Beispiele anführen/präsentieren.
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Alternativ könnte man natürlich auch das gesamte Oberbaselbiet und Fricktal mit Einfamilienhäusern zupflastern. Das Resultat wäre dann in jedem Fall eine weitere Zunahme des Pendlerverkehrs. Was wir in Birsfelden sicher begrüssen würden!
Ergo gibt es Sinn, wenn in der Nähe der Wirtschaftszentren und in unmittelbarer Nähe der Arbeitsplätze gebaut wird, wenn der ÖV in der Agglo flächendeckend ausgebaut wird und Veloschnellstrassen die Wohn- und Arbeitsgebiete effizient erschliessen.
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Über die Idylle der Schrebergärten in Pratteln und die Güte der Grünräume reden wir dann später….
max feurer
Apr 24, 2021
Danke für diesen differenzierten Kommentar, auf den ich in den kommenden Folgen gerne aufbauen werde.
Um es klar zu machen: Mir liegt nichts daran, Planer, Stadtentwickler und Architekten als Volldeppen abzuqualifizieren. Und ich habe auch nichts gegen clevere Bauprojekte wie das neue Zentrum in Birsfelden. Aber in Pratteln spielen andere Faktoren hinein, und das führt hoffentlich in den kommenden Wochen zu möglichst intensiven und fundierten Diskussionen.