Christoph Rudin, der Grün­dung­spräsi­dent des Vere­ins Kul­tur­raum Roxy erzählt, wie er beim Roxy-Kauf fast viel Geld sparte:

»Mit etwas Kraft legte ich den 3. Gang ein, drehte sachte am Gas­griff und beschle­u­nigte die rote Ves­pa zur Auto­bahn Rich­tung Delé­mont. Zum ersten Mal sass ich auf einem solchen Gefährt, dessen Schlüs­sel mir Ueli vor weni­gen Minuten mit den Worten‚ bis nach Brasilien kommst du nicht damit‘ übergeben hat­te. Bei der Kan­ton­al­bank hat­te ich mir zuvor 100‘000 Franken aushändi­gen lassen. Das Geld steck­te in der Busen­tasche meines Harris-Tweed-Kittels.
Für diesen 18. August 1994 waren gegen Abend heftige Gewit­ter voraus­ge­sagt. Ich dachte an die Inge­nieure der Fir­ma Piag­gio, welche die Räder meines Gefährts für ein Jagdflugzeug vorge­se­hen hat­ten. Doch nach ersten Test­flü­gen ging der Krieg zu Ende. Die ital­ienis­chen Inge­nieure gaben nicht auf und stell­ten ihre Kun­st und die übrig gebliebe­nen Teile in den Dienst zivil­er Mobil­itäts­förderung. Sie erfan­den einen Töff, den sie nach einem lästi­gen Insekt benan­nten und darauf fuhr ich nun zum Kauf eines Kinos, das den Namen eines Bor­dells trug und das wir in ein The­ater ver­wan­deln wollten.
Nach dem Schän­zli-Tun­nel kündigte ein Don­ner­schlag das Gewit­ter an, das mit heftigem Regen ein­set­zte. Schon wollte ich die Wet­ter­vorher­sage ver­fluchen, welche Schauer und Gewit­ter aus­drück­lich erst auf den Abend ansagte. Doch der Zweitak­ter meines recy­clierten Jagdflugzeugs schob mich so ziel­stre­big leicht gegen Arlesheim, dass ich mir keine Gedanken machte, mich gegen den Regen zu schützen. Erst als ich hin­ter dem Dom­platz den Motor abstellte, bemerk­te ich all das Regen­wass­er, das mir bis zur Haut durch die Klei­der gedrun­gen war. Und endlich dachte ich an die 100‘000 Franken, die vom Regen völ­lig aufgewe­icht in mein­er Tasche klebten. Zum Glück war das Innere mein­er Led­ermappe trock­en geblieben. Darin hat­te ich die Ver­tragsen­twürfe, Bankzusagen und auch eine Basler Zeitung, die sich pri­ma zum Trock­nen des Geldes eignete.
Ich legte also die 100‘000 Franken in die Zeitung, schloss die Mappe und ver­suchte meinen Roller abzuschliessen, was mir nicht gelang. Aber wer schliesst denn schon ein Jagdflugzeug ab.
Die erdig-frische Luft nach dem Gewit­ter und die barock­en Gebäude um den Dom­platz ver­set­zten mich in eine leichte Stim­mung. Juris­tisch gese­hen hat­te ich, als Vertreter eines Vere­ins, einen acht Seit­en lan­gen Ver­trag zu unterze­ich­nen, der dem Vere­in das Eigen­tum an 1157 Quadrat­metern Boden, bebaut mit einem Licht­spiel­haus, ver­schaffte. Dies gegen Bezahlung von 1,85 Mil­lio­nen Franken, wovon 100‘000 Franken in bar bei Ver­trag­sun­terze­ich­nung. 400‘000 Fr. hat­ten wir von unseren Vere­ins­mit­gliedern als Dar­lehen erhal­ten, für den Rest musste ich eine Hypothek erricht­en, für die ich laut den Vere­insstatuten per­sön­lich haftete. Ob wir je die Dar­lehen zurück­zahlen kön­nen?
Unser Geschäft­mod­ell‚ eine Bühne für regionale The­ater- und Tanzschaf­fende, ver­sprach einen Gewinn, ver­gle­ich­bar mit der Fas­sung ein­er Ölquelle. Eine geistige Ölquelle natür­lich, sprudel­ten die Aktivistin­nen und Aktivis­ten unseres Vere­ins doch nur so vor lauter Ideen, Tatkraft und Liebe zu einem mar­o­den Artdéco-Gebäude.
Als ich die Eichen­tür des Grund­buchamts auf­stemmte, kam mir schon der After­shave-Geruch von Her­bi ent­ge­gen, und schon kurz darauf sah ich Her­bi, der mich mit fes­tem und langem Händ­e­druck begrüsste. Nach lan­gen kom­plizierten Ver­hand­lun­gen wollte Her­bi uns das alte Licht­spielthe­ater verkaufen. Das Mis­strauen dieses Apos­tels gegenüber unser­er Ern­sthaftigkeit und Zahlungs­fähigkeit war so unum­stösslich gross, dass wir – ent­ge­gen jed­er Usanz – 100‘000 Franken bei Ver­trag­sun­terze­ich­nung auf den Tisch leg­en mussten, die als Kon­ven­tion­al­strafe dahin­fie­len, sollte sich die Restzahlung verzögern. Noch bevor ich mir allfäl­liger neg­a­tiv­er Gedanken bewusst wer­den kon­nte, zog er aus sein­er Mappe eine Ver­fü­gung des Amtes für Umweltschutz und erläuterte: ‚Die Heizung müssen Sie innert 3 Jahren erset­zen‘. Auch das noch!
Ich ver­suchte meine Wut in lethar­gis­ches Erstaunen umzuwan­deln. Doch aus Her­bis Unschulds­be­teuerun­gen schloss ich, dass mir dies nur der Form nach gelang. ‚Da muss ich doch mein­er Sorgfalt­spflicht nachkom­men, was ein Tele­fon mit unserem Architek­ten erfordert. Sie wis­sen ja, wir haben ein enges Finanzko­rsett‘, gab ich zur Antwort. Marc erre­ichte ich nicht, aber Franz, Robi oder Sylvia sagte mir, selb­st ein ‚Worst-Case-Szenario‘ könne uns nicht ruinieren, neue Heizun­gen kosteten uns nicht alle Welt; schlimm­sten­falls kön­nten wir statt eines Eröff­nungs­festes eine Heizung-Ein­wei­hungs-Bene­fiz-Ver­anstal­tung machen.
Der Notar erwartete uns mit spitzem Gesicht, hat­te er doch die Aufre­gung mit­bekom­men und unseren Verurkun­dung­ster­min um eine Vier­tel­stunde hin­aus­geschoben, damit ich in Ruhe tele­fonieren kon­nte. Die Rou­tine und Seriosität des Notars, der noch ein­mal Seite für Seite des Ver­trags erk­lärte und sig­nieren liess, wirk­ten beruhi­gend. Die Unter­schriften samt dem Siegel waren schnell geset­zt, eine Kopie für die Bank aus­ge­händigt, alle ver­ab­schiede­ten sich und eil­ten zu weit­eren Terminen.
An der Tür blieb ich kurz ste­hen, nahm nochmals den Ver­trag aus der Tasche. Irgend etwas hat­ten wir doch vergessen? Die inzwis­chen wieder trock­e­nen 100‘000 Franken, deren Erhalt mir die Verkäufer­schaft bestätigt hat­te, lagen noch immer in mein­er Mappe, mit­ten in der BaZ. Soll­ten wir nun damit die neue Heizung und das Eröff­nungs­fest bezahlen oder sollte ich sie Her­bi hin­ter­her tragen?
Ich ging langsam zurück zum Park­platz, set­zte mich auf die Ves­pa, die nicht sofort ansprin­gen wollte, als ich Her­bi laut schreien hörte: ‚Das Geld!‘.
Ich rollte mit der Ves­pa neben seinen met­al­lig-grü­nen Audi 100 und fragte mit gespiel­ter Gle­ichgültigkeit, was denn nun schon wieder los sei.

‚Die Anzahlung habe ich nicht erhal­ten!‘. ‚Doch, schau doch im Ver­trag‘, erwiderte ich.
Meine eigene Gemein­heit hielt ich weniger aus als die Verzwei­flung von Her­bi. So griff ich in meine Mappe, nahm die 100‘000 Franken aus der Zeitung, legte sie auf die Motorhaube, warf den Motor an und fuhr mit meinem Insekt, dank viel Boden­haf­tung zurück in die Bronx Basels.«

Dies war ein Teil der ROXY-Entstehungsgeschichte.
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Ein selten unverfrorenes Bubenstück - und eine gute Idee!
Der offene Brief, heute: Sabine Knosala

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