Wel­che emi­nen­te Rol­le der Narr an den euro­päi­schen Fürs­ten­hö­fen spiel­te, wur­de bereits in der ers­ten Fol­ge ange­tönt. Aller­dings hat­ten Nar­ren im Früh­mit­tel­al­ter noch eine ande­re Funk­ti­on inne­ge­habt: Sie gehör­ten — noch ganz in der Tra­di­ti­on der Anti­ke — neben Jagd­hun­den, Greif­vö­geln, dres­sier­ten Tie­ren, Zwer­gen und Mons­tren zur fürst­li­chen oder könig­li­chen “Mena­ge­rie”. Eher sel­ten wie­sen sie kör­per­li­che Miss­bil­dun­gen auf, sehr viel häu­fi­ger waren es ein­fach geis­tig Zurück­ge­blie­be­ne: “Schwach­sin­ni­ge”.
Es gab kei­nen Herr­scher in Euro­pa, der nicht Zwer­ge und Debi­le für sein Kurio­si­tä­ten­ka­bi­nett such­te. Die Fra­ge war, wer die schmäch­tigs­te Miss­ge­burt und den zurück­ge­blie­bens­ten Töl­pel vor­wei­sen konn­te, und es kam sogar vor, dass man die Nar­ren unter­ein­an­der aus­lieh, tausch­te und ver­kauf­te. … Woll­te man als könig­li­cher Narr erfolg­reich sein, war es jeden­falls mehr wert, einen wir­ren Geist vor­wei­sen zu kön­nen als eine gro­tes­ke Gestalt. Wem aber die Natur gross­zü­gi­ger­wei­se bei­des ver­lie­hen hat­te, dem stand eine bril­lan­te Kar­rie­re offen. … Wenn er sei­ne Rol­le als Idi­ot bis zur Per­fek­ti­on beherrsch­te, wur­de der Narr eben­so gut behan­delt wie die Pfau­en und Sper­ber im Vogel­haus.  … ein ech­ter Kre­tin wur­de mit Gold auf­ge­wo­gen, ver­lor aber jeden Wert, wenn er sich als Simu­lant herausstellte.

Irgend­wann waren sich die Her­ren die­ser Art Ver­gnü­gen doch lang­sam müde, und der Narr muss­te Schritt um Schritt in die Rol­le des geis­tes­ge­gen­wär­ti­gen und intel­li­gen­ten Unter­hal­ters schlüp­fen. Das war nicht ganz ohne Gefah­ren: Als der Lieb­lings­narr von Hugo dem Gros­sen 943 nach einer Schlacht einen höchst unehr­erbie­ti­gen Scherz über die Lei­chen eini­ger Ade­li­ger mach­te, riss in der Nacht ein gewal­ti­ges Gewit­ter auf und ein Blitz streck­te den Frev­ler nieder 🙁 .

Doch der stei­le Auf­stieg des intell­li­gen­ten Nar­ren an den Königs- und Fürs­ten­hö­fen war nicht mehr auf­zu­hal­ten: Erhal­te­ne Rech­nungs­bü­cher machen deut­lich, dass die herr­schaft­li­chen Nar­ren sich in der Regel gros­sen Wohl­le­bens erfreu­ten. Sie besas­sen eine luxu­riö­se Gar­de­ro­be, eige­ne Die­ner und min­des­tens ein Pferd, um ihren Herrn beglei­ten zu kön­nen. Tri­bou­let, der sei­nen Herrn René d’An­jou 35 Jah­re lang mit sei­ner Gegen­wart erfreu­te, wur­de nicht nur vom König regel­recht verhätschelt:
Began­nen sei­ne Augen schwä­cher zu wer­den? Sogleich  bestell­te man ein paar Augen­glä­ser für ihn, ein damals noch wenig ver­brei­te­tes Uten­sil. Hat­te er Schmuck­bän­der gese­hen, die ihm gefie­len? Als­bald wur­de der Sei­den­wir­ker Jehan Babi­loi­ne gebe­ten, ihm 30 Dut­zend zu lie­fern und dazu noch ein paar Hand­schu­he, denn der Win­ter nah­te her­an. … Wie vie­le sei­ner Kol­le­gen hat­te er eine Schwä­che für Schu­he, und so erhielt er fünf Paar im August 1452, vier Paar im Novem­ber, fünf Paar im Dezem­ber des nächs­ten Jah­res und zwei Mona­te spä­ter noch­mals vier Paar … Um die Erin­ne­rung an sei­nen Nar­ren zu ver­ewi­gen …, liess René d’An­jou zu guter Letzt sogar eine Medail­le mit sei­nem Abbild anfertigen.

Doch nicht nur das: Dem Nar­ren Thé­venin am Hofe Karls V., des Wei­sen, berei­te­te der König ein wun­der­schö­nes  Grab aus Kalk­stein, auf dem der Ver­stor­be­ne in Lebens­grös­se ein­ge­meis­selt war. Er trug ein Kapu­zen­ge­wand sowie und am Gür­tel zwei Bör­sen, eine mit einer Trod­del ver­zier­ten Kap­pe und in der lin­ken Hand ein Narrenzepter.

Kön­nen wir also davon aus­ge­hen, dass ein Narr am Hofe also sozu­sa­gen das gros­sen Los gezo­gen und einen Traum­job ergat­tert hatte?
Nicht unbe­dingt: ein Narr zu sein, wur­de im Lau­fe der Zeit immer mehr zu einer ech­ten Herausforderung:


Schau­spie­ler, Clown, Mime, Akro­bat, Tän­zer, Sän­ger und Musi­ker — der Narr war alles in einem, oder anders for­mu­liert: Er lie­fer­te ein tota­les Spek­ta­kel im Allein­gang. Eine so anstren­gen­de Auf­ga­be erfor­dert aus­ser einer natür­li­chen Bega­bung eine stren­ge Lehr­zeit. Sobald der Narr sein Amt ange­tre­ten hat­te, wur­de er unter die Fit­ti­che eines “Magis­ters der Nar­ren­kunst” genom­men … Die Aus­bil­dung war schmerz­haft und konn­te Mona­te dau­ern. Bei der gerings­ten Unau­m­erk­sam­keit, der kleins­ten Gedächt­nis­lü­cke bekam der Schü­ler Hie­be mit der Rute und muss­te zur Stra­fe mit den Dienst­bo­ten in die Küche …

Dazu kam, dass ihre her­aus­ge­ho­be­ne Stel­lung bei Hofe ihnen unwei­ger­lich Fein­de ver­schaff­te. Mora­lis­ten und Fana­ti­ker sahen in ihm einen Boten des Anti­chris­ten. Höf­lin­ge hass­ten ihn wegen sei­ner unver­blüm­ten Spra­che und der Tat­sa­che, dass der König mehr auf ihn hör­te als auf sie, und vie­le hät­ten ihn lie­bend ger­ne zusam­men mit den Hexen und Ket­zern auf dem Schei­ter­hau­fen bren­nen sehen.

Etwas ein­fa­cher hat­ten es da sicher die “unab­hän­gi­gen Nar­ren”, die ihr Leben damit ver­brach­ten, sich auf den Märk­ten in den Dör­fern und Städ­ten, auf den öffent­li­chen Plät­zen und in der Nähe von Schlös­sern her­um­trie­ben in der Hoff­nung auf eine war­me Sup­pe, ein Stück Brot und eine war­me Nacht­her­ber­ge. Manch­mal schlos­sen sie sich einem Trupp fah­ren­der Spiel­leu­te an, die Lau­te spiel­ten und Geschich­ten erzähl­ten, wäh­rend sie selbst das Publi­kum mit ihren Pos­sen zum Lachen brach­ten, — die Volks­gauk­ler und Spass­ma­cher der Armen, die wahr­schein­lich Gevat­ter für die Figur des Till Eulen­spie­gels standen …

In der nächs­ten Fol­ge schau­en wir uns eine wei­te­re Facet­te des Nar­ren an, und keh­ren zu die­sem Zweck in die Regio Basi­li­en­sis zurück.
Dies wie immer am kom­men­den Sams­tag, den 10. April.

 

 

Aufgefallen
Wochenrückblick

1 Kommentar

Kommentiere

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.