In einer Rezen­si­on der Süd­deut­schen Zei­tung von Chris­toph Poschen­rie­der’s im Dio­ge­nes Ver­lag erschie­nen Roman “Der unsicht­ba­re Roman” wird Gus­tav Mey­rink als Autor des “Schau­er­klas­si­kers Der Golem” vor­ge­stellt. Damit wird schon im ers­ten Satz deut­lich, wel­chem Unver­stand das lite­ra­ri­sche Werk Mey­rinks bis heu­te aus­ge­setzt ist. “Der Golem” gehört zu den tief­grün­digs­ten Erfor­schun­gen der mensch­li­chen Psy­che, ein­ge­hüllt in die berühm­te Sage vom Golem, dem aus Lehm erschaf­fe­nen Geschöpf des Pra­ger Rab­bis Judah Löw.

Die Rezen­sen­tin Kris­ti­na Maidt-Zin­ke fragt anschliessend:
Wem ist Mey­rink, 1868 als Gus­tav Mey­er in Wien gebo­ren, 1932 in Starn­berg gestor­ben, heu­te noch geläufig? Außer der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft, deren Hal­tung zu sei­nem Werk zwi­schen Fas­zi­na­ti­on, Skep­sis und Belus­ti­gung schwankt, wohl am ehes­ten jenen, die sich für mys­ti­sche und okkul­te Tra­di­tio­nen interessieren.

Das mag sein. Aber die Tat­sa­che, dass Mey­rinks Roman­erst­ling aus dem Jah­re 1915 in einer Rie­sen­auf­la­ge vor allem von deut­schen Sol­da­ten an der West­front des 1. Welt­kriegs ver­schlun­gen wur­de und den Autor damit schlag­ar­tig berühmt mach­te, zeigt, dass er im apo­ka­lyp­ti­schen Grau­en der Schüt­zen­grä­ben und Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen wie eine Hoff­nungs­schim­mer aus einer ande­ren, bes­se­ren Welt gewirkt haben muss.

Gus­tav Mey­rink war ohne Zwei­fel eine kom­ple­xe Persönlichkeit:
In Mün­chen und Ham­burg auf­ge­wach­sen, in Prag zum Kauf­mann aus­ge­bil­det, dort­selbst als Ban­kier geschei­tert und nach Inter­mez­zi in Wien und Mon­treux wie­der nach Bay­ern über­ge­sie­delt, ver­kehr­te er in Intel­lek­tu­el­len- wie in Okkul­tis­ten­zir­keln, war Hedo­nist und Dan­dy, Schach­spie­ler und Sport­ler, Auto­pio­nier und prak­ti­zie­ren­der Yogi und gehör­te diver­sen Logen und Geheim­bün­den an. “Nichts an ihm war regel­recht und alles echt,” erin­ner­te sich sein Freund Alex­an­der Roda Roda, “die Lebens­an­schau­ung ein Mosa­ik von Wider­sprü­chen, schie­rer Nihi­lis­mus neben abgrund­tie­fer Gläubigkeit.”

Die­ser lebens­lan­gen Suche nach einem geis­ti­gen Fun­da­ment jen­seits eines plat­ten Mate­ria­lis­mus und einer toten und dog­ma­ti­schen Reli­gio­si­tät sind spä­ter wei­te­re inter­es­san­te Wer­ke ent­sprun­gen: u.a. “Der Engel vom west­li­chen Fens­ter” oder “Das grü­ne Gesicht”.

Poschen­rie­der geht in sei­nem Roman aller­dings nicht auf die Welt die­ser Roma­ne ein, son­dern ver­sucht die kurio­se Epi­so­de in Mey­rinks Leben aus­zu­leuch­ten, als die­ser im Auf­trag des Aus­wär­ti­gen Amtes in Ber­lin die Frei­mau­re­rei der Entente dis­kre­di­tie­ren sollte.

Wer einen Blick in das fas­zi­nie­ren­de Leben des Man­nes wer­fen will, der auf sei­nen Grab­stein in den Fel­dern eines gevier­tel­ten Krei­ses die Inschrift VIVO ein­meis­seln liess, fin­det die Ende 2020 erschie­ne­ne birsfaelder.li-Serie zu Mey­rink hier.

Und wer die gan­ze Rezen­si­on in der Süd­deut­schen lesen möch­te, fin­det sie hier.

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