Anfangs 1962 unternahm Huxley einen Versuch mit Psylocybin, einem Wirkstoff, der sich auch bei uns in bestimmten Pilzsorten findet.
Laura nahm seine Kommentare auf Tonband auf. In ihrem Erinnerungbuch “This Timeless Moment” schildert sie, wie er offenbar eine Erfahrung des “reinen Lichts” machte, aber gleichzeitig davon sprach, es sei “absolut katastrophal”, sich auf diese Weise der Verantwortung, sich dem Leben auf der Erde mit all seinen Mühen und Herausforderungen zu stellen, entziehen zu wollen:
In seinen späteren Jahren wies Aldous mehr und mehr auf die Gefahr hin, nur von der Meditation, nur vom Wissen, nur von der Weisheit abhängig zu sein — ohne Liebe. Gerade eben hatte er die Versuchung einer noch höheren Sucht erlebt: die Sucht, im Licht zu sein und dort zu bleiben. “Jetzt kann ich, wenn ich will”, hatte er gesagt. In diesem ekstatischen Bewusstsein zu bleiben und sich von der Teilnahme und dem Engagement für den Rest der Welt abzuschneiden — das wird heute in der kraftvollen Umgangssprache mit dem Ausdruck “aussteigen” perfekt ausgedrückt. (…)
“Absolut katastrophal”. Diese beiden Worte werden mit der ernsthaftesten und tiefsten Überzeugung ausgesprochen. Die Stimme ist nicht erhoben, aber jeder Buchstabe ist wie in einen glänzenden Block aus Carrara-Marmor gemeißelt — und bleibt in der Seele eines jeden, der sie hört, eingemeißelt. Es ist eine endgültige Aussage: Man kann sich nicht von seinen Mitmenschen und seiner Umwelt abkapseln, denn es gibt keine private Rettung; man könnte sogar im Reinen Licht “steckenbleiben”, anstatt es in “Liebe und Arbeit” einfließen zu lassen, was die direkte Lösung für das Leben eines jeden ist, hier und jetzt. Liebe und Arbeit — wenn ich die Essenz des Lebens von Aldous auf den Punkt bringen sollte, könnte ich es nicht präziser sagen. (…)
Und zur Verantwortung, uns bewusst dem Tode zu stellen, fügte sie hinzu:
Wie viele von uns laufen herum und sind nicht ganz lebendig, weil ein Teil von uns nicht vorwärts gegangen ist, sondern mit Mutter oder Vater oder einer anderen geliebten Person gestorben ist manchmal sogar mit einem Haustier? Die erschreckende, unbegreifliche Tatsache des Todes ist selbst mit der erhellendsten Lehre, selbst mit der wärmsten, greifbarsten Ermutigung schwer genug zu akzeptieren und zu verarbeiten — ganz zu schweigen davon, dass es keine Hilfe gibt, den Tod zu verstehen, zu akzeptieren und darüber zu sprechen. Wie kann man überhaupt anfangen, den Tod zu verstehen, wenn er in der guten Gesellschaft kaum ein zulässiges Thema ist? Sex ist heute ein akzeptables Gesprächsthema; der Tod wird immer noch unter den Teppich gekehrt, immer noch in den Kerker gesperrt, wie vor nicht allzu langer Zeit die Geisteskranken.
(alle drei Auszüge aus “This Timeless Moment” von Laura Huxley).
Inzwischen setzt sich in der Psychologie/Psychiatrie langsam die Erkenntnis durch, dass Halluzinogene wie Psylocybin sich in Therapien gewinnbringend einsetzen lassen, — auch in der Schweiz:
Auch 1962 war Huxleys Kalender mit Vorlesungen, Seminaren, Interviews und Konferenzen gefüllt. Sein Frühjahrsprogramm sah aus wie die Tournee einer Rockband (…). In Berkeley hatte er von Februar bis April eine Gastprofessur oder, wie Aldous es ausdrückte, “eine Professur für nichts Bestimmtes”. Mit Huxley holte man sich einen Star an die Uni und konnte sich darauf verlassen, dass er, entgegen seiner ironischen Selbstbetitelung, immer etwas Besonderes zu bieten hatte.
In Los Alamos sprach er vor Wissenschaftlern des Scientific Laboratory, das während des Zweiten Weltkriegs das Herz des Manhattan-Projekts zum Bau der Atombombe gewesen war. Dort, wo nach seiner Einschätzung zwei von drei Wissenschaftlern einen Intelligenzquotienten über 160 hatten, sprach Aldous über visionäre Erfahrung. (…)
Wenn man sich seine permanenten Reisen, die zunehmende Häufigkeit seiner öffentlichen Auftritte, Vorträge, Interviews und Fernsehauftritte in den letzten sechs Jahren seines Lebens anschaut, so scheint es, als habe Huxley in der kurzen Zeit, die ihm noch blieb, fiebrig versucht, seine Botschaft so weit wie möglich zu verbreiten.
Seit 1960 hatte ihn der Krebs fest im Griff.
Dazu mehr in der nächsten Folge am kommenden Samstag, den 7. Dezember.
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