In “Eiland”, sei­nem letz­ten Roman, des­sen Manu­skript er nach dem Gross­brand sei­nes Hau­ses noch ret­ten konn­te, ent­warf Aldous Hux­ley einen posi­ti­ven Gegen­ent­wurf zu sei­ner Dys­to­pie “Schö­ne Neue Welt” aus dem Jah­re 1932. Die Erkennt­nis­se und Erfah­run­gen, die er in den  dazwi­schen lie­gen­den dreis­sig Jah­ren gemacht hat­te, lies­sen in ihm den Wunsch rei­fen, sie in einem uto­pi­schen Roman zu ver­ar­bei­ten. Schon 1946 hat­te er anläss­lich einer Neu­auf­la­ge von “Bra­ve New World” im Vor­wort geschrieben:
Woll­te ich das Buch aufs neue schrei­ben, böte ich dem Wil­den eine drit­te Mög­lich­keit. Zwi­schen der uto­pi­schen und der pri­mi­ti­ven Alter­na­ti­ve des Dilem­mas läge die Mög­lich­keit nor­ma­len Lebens […]. In die­ser Gemein­schaft wäre die Wirt­schaft dezen­tra­lis­tisch und hen­ry-geor­ge­isch, die Poli­tik kro­pot­kine­sk und koope­ra­tiv. Natur­wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie wür­den benutzt, als wären sie, wie der Sab­bat, für den Men­schen gemacht, nicht, als sol­le der Mensch (wie gegen­wär­tig und noch mehr in der »schö­nen neu­en Welt«) ihnen ange­passt und unter­wor­fen wer­den. Reli­gi­on wäre das bewuss­te und ver­stän­di­ge Stre­ben nach dem höchs­ten Ziel des Men­schen, nach der einen­den Erkennt­nis des imma­nen­ten Tao oder Logos, der tran­szen­den­ten Gott­heit oder des Brah­man. Und die vor­herr­schen­de Lebens­phi­lo­so­phie wäre eine Art von höhe­rem Uti­li­ta­ris­mus, wor­in das Prin­zip des größ­ten Glücks dem des höchs­ten Zwecks unter­ge­ord­net ist – denn die ers­te, in jeder Lebens­la­ge zu stel­len­de und zu beant­wor­ten­de Fra­ge hie­ße: ‚Inwie­weit wür­de die­ser Gedan­ke oder die­se Hand­lung för­dern oder hin­dern, daß ich und die größt­mög­li­che Zahl ande­rer das höchs­te Ziel des Men­schen errei­chen?‘“ (Wiki­pe­dia)

Auf Wiki­pe­dia fin­det sich eben­falls ein kur­zer Hand­lungs­ab­riss. Die Lek­tü­re ist anspruchs­voll, weil Hux­ley jeweils mit­tels der diver­sen Prot­ago­nis­ten sei­ne Ideen für eine wahr­haft mensch­li­che Gemein­schaft vor­stellt, die einer­seits ihre tran­szen­den­ten Wur­zeln bewusst pflegt, sich gleich­zei­tig aber tech­ni­schen und wis­sen­schaft­li­chen Errun­gen­schaf­ten, wel­che die Lebens­qua­li­tät för­dern, nicht ver­wei­gert. Er lässt in sei­nen Roman auch immer wie­der sei­ne Erfah­run­gen mit Hyp­no­se-Tech­ni­ken ein­flies­sen und stellt in diver­sen Epi­so­den sei­ne Erzie­hungs­idea­le für wahr­haft mün­di­ge Men­schen vor, die bewusst mir ihrer eige­nen Sterb­lich­keit umgehen.

Doch die Idyl­le hat Geg­ner in Gestalt der Mon­ar­chin Rani und ihres Soh­nes Muru­gan, die einen pseu­do-spi­ri­tu­el­len Weg gehen, sich schliess­lich wegen ihrer mate­ri­el­len Inter­es­sen mit dem Dik­ta­tor der Nach­bar­inseln ver­bün­den und ihm den Weg zur Inva­si­on und damit zur Zer­stö­rung der Gemein­schaft in Pala frei machen.

In den fol­gen­den Jah­ren inten­si­vier­ten sich die inter­na­tio­na­len Rei­sen und Vor­trags­tour­neen Hux­leys erneut. In Gstaad traf er nach über fünf Jah­ren wie­der ein­mal Krishnamurti.
Aldous … zeig­te sich ver­wun­dert dar­über, dass sein Freund nun ein altes Männ­lein mit weis­sem Haar­kranz war. Sei­ne Bewun­de­rung für den alten Weg­ge­fähr­ten hat­te aller­dings noch zuge­nom­men. Nach­dem er ihn in der Schweiz gehört hat­te, schrieb er …: “Es war, als ob man der Rede des Bud­dha zuhör­te — eine sol­che Kraft, eine sol­che dem Gesag­ten inne­woh­nen­de Auto­ri­tät, eine sol­che kom­pro­miss­lo­se Wei­ge­rung, den ein­fa­chen Leu­ten irgend­wel­che Flucht­we­ge oder Ersatz­mit­tel, irgend­wel­che Gurus, Erlö­ser, Füh­rer … oder Kir­chen zu gestatten.”

Auf dem Rück­weg von Kopen­ha­gen, wo er an einem Kon­gress für ange­wand­te Psy­cho­lo­gie zum The­ma der visio­nä­ren Erfah­rung sprach, traf er sich end­lich in Zürich mit Albert Hof­mann, dem Ent­de­cker des LSD. Bei­de mach­ten sich Sor­gen über die Plä­ne von LSD-Enthu­si­as­ten wie Alan Gins­berg, Dick Alpert und Timo­thy Lea­ry, LSD gross­flä­chig unter die Leu­te zu brin­gen und gemäss einem Vor­schlag von Lea­ry sogar ins städ­ti­sche Trink­was­ser zu geben …
Hux­ley sei­ner­seits setz­te sei­ne Expe­ri­men­te mit psy­cho­ak­ti­ven Sub­stan­zen fort.

Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Sams­tag, den 30. November.

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