Wie populär Huxley 1054 in den USA inzwischen geworden war, zeigte sich, als er auf einer Vortragstour im Osten der Staaten an der University of North Carolina und an der Duke University sprach, wo J.B. Rhine seine parapsychologischen Experimente durchführte:
Die Zusage Huxley hatte nicht nur die Englische Fakultät von Duke in freudige Erwartung versetzt — auch für die Studierenden war die Ankunft des berühmten Schriftstellers und Intellektuellen wie das Kommen eines Stars. Der grösste Vorlesungssaal des Campus war gerammelt voll und die Frage- und Diskussionsstunde, die an der University of North Carolina folgte, wirkte wie ein frühes Sit-in. Die Studierenden sassen um seinen Sessel überall auf dem Boden herum und hingen an seinen Lippen. Aldous, der zu dem Zeitpunkt noch herzlich wenig Erfahrung mit Universitätsvorträgen hatte, bekam hier einen Vorgeschmack von dem, was in den nächsten Jahren eine seiner Hauptaktivitäten werden sollte.
Doch schon wenig später erlebte er den grössten Schicksalsschlag seines Lebens: den Tod seiner geliebten Lebensgefährtin Maria, die für ihn in vielerlei Hinsicht die entscheidende Stütze in seinem Leben war. Schon seit längerem war bei ihr Krebs diagnostiziert worden und ihr Gesundheitszustand hatte sich kontinuierlich verschlechtert. Der ganze Bekanntenkreis der Huxleys war informiert, aber sie setzte alles daran, Aldous im Dunkeln zu lassen, damit er ungestört seiner Arbeit nachgehen konnte. Erst kurz vor ihrem Tod liess sich die Diagnose nicht weiter verheimlichen:
Nachdem Maria ein weiteres Mal ins Krankenhaus musste und ihr Zustand sich verschlimmerte, wurde Aldous endlich reiner Wein eingeschenkt. (…) Am 7. Februar war Maria wieder zu Hause. Aldous kümmerte sich um sie. Freunde kamen. Leslie LeCron und Aldous behandelten sie mit Hypnose und Handauflegen und konnten so ihre Übelkeit und Schmerzen bekämpfen. Ihre Mutter Marguerite Nys und ihre Schwester Suzanne fanden Maria in friedvollem, ruhigem Zustand vor, ganz ihr liebevolles Selbst, aber sehr schwach.
Die letzten drei Stunden verbrachte sie in der Gegenwart von Matthew (ihrem Sohn) und Aldous. Aldous legte seine Linke auf ihren Kopf und die rechte Hand auf ihren Solarplexus und flüsterte ihr Worte aus dem Bardo Thodol, dem Tibetanischen Totenbuch, ins Ohr, für die sie, wie er wusste, empfänglich war. Sie sollte loslassen und alles zurücklassen, was sich zwischen sie und das Licht stellte …
Huxley schrieb im Nachhinein … einen Bericht über Marias letzte Stunden, der eine der bewegendsten Schilderungen einer Begleitung vom Diesseits ins Jenseits ist, die je niedergeschrieben wurden. Hier der Beginn eines Auszugs:
Unter Hypnose hatte Maria in der Vergangenheit viele bemerkenswerte visionäre Erfahrungen gemacht, die Theologen als „vormystisch“ bezeichnen würden. Sie hatte auch, besonders während wir in der Mojave-Wüste lebten, während des Krieges, eine Reihe von wirklich mystischen Erfahrungen gemacht und mit einem beständigen Gefühl der göttlichen Immanenz gelebt, der Realität, die in jedem Objekt, jeder Person und jedem Ereignis von Moment zu Moment vollständig präsent war. Dies war der Grund für ihre leidenschaftliche Liebe zur Wüste. Für sie war es nicht nur eine geografische Region, sondern auch ein Geisteszustand, eine metaphysische Realität, eine eindeutige Manifestation Gottes.
In der Wüste und später unter Hypnose waren alle visionären und mystischen Erfahrungen von Maria mit Licht verbunden. (Darin war sie keineswegs außergewöhnlich. Fast alle Mystiker und Visionäre haben die Wirklichkeit in Form von Licht erfahren – entweder als Licht in seiner reinen Form oder als Licht, das Dinge und Personen durchdringt und ausstrahlt, die mit dem inneren Auge oder in der Außenwelt gesehen werden.) Licht war das Element, in dem ihr Geist lebte, und daher bezogen sich alle meine Worte auf das Licht.
(aus: Laura Huxley, This Timeless Moment)
Fortsetzung in der nächsten Folge am kommenden Samstag, den 12 Oktober
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