1953 soll­te für Hux­ley eine eben­so erd­rutsch­ar­ti­ge Ver­än­de­rung brin­gen wie 1936, das Jahr, in dem er durch sein poli­ti­sches Enga­ge­ment den Aus­weg aus sei­ner per­sön­li­chen Kri­se gefun­den hat­te, hal­ten Rasch/Wagner zu Recht fest. Denn die Erfah­run­gen, die Hux­ley in die­sem Jahr mach­te, führ­ten zu jenem Buch, das fast eben­so bekannt wur­de wie “Schö­ne Neue Welt”: “Doors of Per­cep­ti­on”, in der deut­schen Fas­sung “Die Pfor­ten der Wahr­neh­mung”.

Aus­lö­ser war die Begeg­nung mit dem in Sas­kat­che­wan leben­den eng­li­schen Psych­ia­ter Hum­phrey Osmond, der zusam­men mit zwei Kol­le­gen Expe­ri­men­te mit Mes­ka­lin durch­führ­te, um die Rea­li­täts­wahr­neh­mung sei­ner Schi­zo­phre­nie­pa­ti­en­ten bes­ser zu verstehen.

Mes­ka­lin ist die domi­nie­ren­de Wirk­sub­stanz des Pey­o­te-Kak­tus (Lopho­pho­ra Wil­liamsii), auch Pey­otl genannt. Von der Wir­kung her ist Mes­ka­lin ein typi­sches Hal­lu­zi­no­gen. Der sta­chel­lo­se, rüben­för­mi­ge Kak­tus wächst vor allem in Mit­tel­ame­ri­ka und wur­de dort bereits von den mexi­ka­ni­schen Urein­woh­nern zu magi­schen Zwe­cken ver­wen­det. Sie aßen Pey­o­te, um Visio­nen zu bekom­men und Wahr­sa­gun­gen zu machen. …

Die abge­schnit­te­nen Köp­fe wer­den als pey­o­te-but­ton oder mes­cal-but­ton geges­sen oder als abge­koch­ter Kak­tus­sud getrun­ken. Es ist — im Gegen­satz zum geschmack­lo­sen LSD — ziem­lich bit­ter, wes­halb den Kon­su­men­ten zunächst meist übel wird. Nach ca. 1–2 Stun­den stel­len sich die hal­lu­zi­no­ge­nen Rausch­ef­fek­te ein und hal­ten dann unge­fähr 8 bis 12 Stun­den an. (aus drugcom.de)

Hux­ley  und Osmond waren aller­dings weni­ger an ande­ren For­men der Wahr­neh­mung inter­es­siert — wie z.B. Syn­äs­the­sien, wo Wahr­neh­mun­gen ver­schie­de­ner Sin­ne ver­schmel­zen. Sie hoff­ten, mit die­ser Dro­ge zum “Eigent­li­chen des Bewusst­seins” vor­stos­sen zu können.
Hux­leys For­schungs­in­ter­es­se an den soge­nann­ten para­nor­ma­len Phä­no­me­nen liegt die fol­gen­de wich­ti­ge Annah­me zugrun­de, die er 1944 in sei­ner “mini­ma­len Arbeits­hy­po­the­se” für die Zeit­schrift “Vedan­ta for the Wes­tern World” und sei­nen Roman “Zeit muss enden” for­mu­liert hatte.
Kon­form mit neu­pla­to­ni­schem und hin­du­is­ti­schem Den­ken gibt es einen ein­heit­li­chen Urgrund aller Erschei­nun­gen, der für das Indi­vi­du­um erfahr­bar ist. Das indi­vi­du­el­le Bewusst­sein ist nur loka­ler Aus­druck bzw. Ven­til des kos­mi­schen Bewusst­seins oder der uni­ver­sa­len Geis­tig­keit, bei Hux­ley häu­fig “mind” at Lar­ge genannt, also “Gesamt­geist”, oder auch “Gott­heit”. Trotz sei­ner nicht­ma­te­ri­el­len Vor­stel­lung von Geist beton­te Hux­ley, dass alle Erkennt­nis­se in die­sem Bereich eine wis­sen­schaft­lich gut fun­dier­te Basis haben müssen.

Fragt sich aller­dings, was heu­te unter die­ser “Wis­sen­schaft” zu ver­ste­hen ist. Die meis­ten Neu­ro­bio­lo­gen pochen dezi­diert dar­auf, dass es sich bei hal­lu­zi­no­ge­nen Erfah­run­gen um rein che­mi­sche Effek­te han­delt, — weit ent­fernt von allem rein hypo­the­ti­schen “Geist”, — und sind damit Gefan­ge­ne eines auf die Mate­rie redu­zier­ten Wissenschaftsbegriffs.

Am 4. Mai nahm Hux­ley unter der Betreu­ung von Osmond das ers­te Mal Mes­ka­lin zu sich. Die dabei gemach­ten Erfah­run­gen fass­te er anschlies­send im schon erwähn­ten Buch “The Doors of Per­cep­ti­on* nie­der, — und lös­te damit weni­ge Jah­re spä­ter in den USA einen gewal­ti­gen “Hype” mit psy­che­de­li­schen Dro­gen aus.

Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am Sams­tag, den 10. August

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